Ferrari hatte in der Formel-1-Saison 2018 phasenweise das schnellste Auto. Doch im letzten Saisondrittel ging der Scuderia die Puste aus. Die Ingenieure hatten sich bei der Weiterentwicklung des SF71-H verrannt. Doch das bedeutet nicht, dass die Basis schlecht war - im Gegenteil.
"Da wir 2018 schon gute Ergebnisse hatten, haben wir dieses Jahr eine Evolution, keine Revolution", erklärte Neu-Teamchef Mattia Binotto bei der Präsentation der neuen Roten Göttin. Das klingt jedenfalls logischer als die Nomenklatur des neuen Boliden. Auf den SF70-H und den SF71-H folgt also nun der SF90. Vor zwei Jahren feierte Ferrari noch den 70. Geburtstag der Marke, nun den 90. Geburtstag des Rennteams.
Noch komplizierter ist nur das Auto selbst. "Einige Änderungen im Vergleich sind klar, beispielsweise der neue Frontflügel. Aber wir haben versucht, in allen Details noch stärker zu pushen", so Binotto.
Ferrari-Frontflügel sorgt für Aufsehen
Doch so ganz klar sind die Änderungen am Frontflügel offenbar nicht. Klar, die Spannweite stieg von 1,80 auf 2,00 Meter, dazu wurden die Konstrukte deutlich vereinfacht. Aber hier gibt es interessante Unterschiede. Alfa gab beim Shakedown schon einen kleinen Vorgeschmack: Auch Ferrari stellt die Flügelflaps innen steil und lässt sie Richtung Endplatte hin flach auslaufen.
Ferrari folgt dieser Philosophie bei Weitem nicht so extrem wie Alfa, doch trotzdem ist das Konzept das Gegenteil von jener Lösung, die Red Bull beim Shakedown am Auto hatte. Beim RB15 ist die äußere Sektion direkt vor den Vorderreifen steil, der innere Bereich flacher.
Auch die Endplatte am SF90 ist interessant: Auf halber Distanz biegt sie sich nach außen und nutzt den maximal erlaubten Winkel aus. Das ist nicht besonders aufregend, bemerkenswert jedoch erscheint ihre Form von der Seite: Sie ist nicht ganz rechteckig. Am oberen rechten Eck fehlt ein längliches Stück.
Die Flügelbefestigung, die sogenannten Pylonen, sind ein Stück länger als beim Vorgänger. Dadurch hat ein Schlitz mehr Platz. Dahinter befinden sich die Leitbleche an der Chassis-Unterseite. Sie sind weiterhin ausschließlich vertikal angeordnet. Eine horizontale Ebene wie bei vielen anderen Teams sucht man vergebens.
Gleiches gilt für die Bargeboards: Während die meisten Teams nicht nur vertikale Leitbleche ans Chassis bauen, sondern ganze horizontale Ebenen aufspannen, verzichtet Ferrari fast komplett darauf. Die ohnehin schon komplexen Leitbleche am Seitenkasten wurden weiter verfeinert.
Ferrari-Motor 2019 viel kompakter
Richtig interessant wird es aber dahinter. Ferrari wird der Bezeichnung Werksteam wahrlich gerecht. "Der Überrollbügel ist sehr eng, das hintere Bodywork ebenfalls. Dabei handelt es sich um Arbeit, die man von außen nicht wirklich sieht, weil sich alles im inneren abspielt. Die Installation der Power Unit bedeutet viel Arbeit", erklärt Binotto.
Ferrari hat die 064, wie die 2019er Power Unit intern bezeichnet wird, umgebaut. Zahlreiche Nebenaggregate wurden neu angeordnet, um ein besseres Packaging zu ermöglichen. Gleichzeitig wurde das Kühlsystem überarbeitet. Die Kühl-Effizienz konnte deutlich gesteigert werden. Heißt konkret: Weniger Öffnungen, gleiche Kühlleistung. Die Batterie konnte sowohl beim Volumen, als auch beim Gewicht abspecken.
Die Seitenkästen selbst sind eine Evolution des Vorjahres. Ferrari war 2017 das erste Team, das mit dem extrem komplexen Seitenkastendesign begann. Seither treiben es die Italiener Jahr für Jahr auf die Spitze. Die zentrale Öffnung am SF90 wurde etwas größer, dafür hat der Seitenkasten keinen NACA-Einlass mehr auf der Seite.
Insgesamt ist der Seitenkasten dadurch nicht mehr so voluminös wie sein Vorgänger. Die Seitenkastenflügel wurden zudem überarbeitet. Sie fallen direkt am Chassis ein kleines Stück ab und ragen deshalb in die Seitenkastenöffnung hinein. Zwischen Seitenkasten und der Crash-Struktur spannt sich noch ein kleines vertikales Luftleitblech.
Aufgrund der neuen Spiegel-Regel ist der Spiegel auch nicht mehr am Halo angebracht, sondern über zwei Streben am Chassis und am Seitenkastenflügel.
So richtig wird die Arbeit der Motor-Ingenieure aber an zwei anderen Stellen deutlich. Die Airbox wurde über den Winter enorm zusammengeschrumpft. 2017 hatte Ferrari zuletzt eine so schmale Airbox, im Saisonverlauf wuchsen ihr aber Ohren. 2018 wurden die Ohren in die Airbox integriert. 2019 ist der Überrollbügel, der die gesamte Airbox umschließt, wieder sehr schmal.
Beeindruckend ist auch, wie schmal sich dahinter die Motorabdeckung aufspannt. Ferrari hat McLaren die Size-Zero-Philosophie gestohlen. Während der Vorgänger hinter der Airbox recht voluminös war und erst nach einem kleinen Buckel nach hinten abfiel, fällt die Abdeckung am SF90 sofort steil nach unten ab. Ferrari will unbedingt den 2019 höher gelegten Heckflügel sauber anströmen.
Im Heck fällt der wenig ästhetische T-Flügel auf. Er erinnert an die Version von 2017, als die Flügel noch oben an der geraden Finne befestigt waren. 2018 hatte Ferrari hier eine nach unten gebogene Variante im Angebot, die deutlich eleganter ausfiel. Wenig überraschend ist das Aupuff-Arrangement: Wie auch Haas und Alfa hat der Werks-Ferrari übereinander angeordnete Wategatepipes.
An der Hinterachse scheinen die Ingenieure mehr verändert zu haben. Auf den ersten Blick sieht man gar keine Zugstrebe. Sie liegt nun weiter innen, weshalb die oberen Querlenker noch voluminöser ausfallen. Der Pullrod greift fast mittig am Querlenker, weit weg vom Radträger, an.
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