Portrait
Kaum ein Fahrer hat die Zweiradwelt über den Verlauf seiner Karriere derart geprägt wie Valentino Rossi. Der Italiener entwickelte sich nicht nur zum Seriensieger und Serien-Weltmeister, er lockte durch seine schillernde Persönlichkeit und erfrischende Art zudem zahlreiche Menschen zum Motorrad-Sport, die zuvor keinerlei Berührungspunkte dazu hatten. Und nicht nur das: Der Weltstar Valentino Rossi genießt als wohl einziger Fahrer das Privileg, in jedem Austragungsland der Weltmeisterschaft über eigene Fangruppen zu verfügen. Dies gilt sogar für Spanien, bekanntermaßen dem Land seiner mitunter größten Konkurrenten.
In Zahlen ausgedrückt beeindruckt die Karriere des Italieners ohnehin bereits auf den ersten Blick: 115 GP-Siege bei insgesamt 235 Podien, neun Weltmeister-Titel, 96 schnellste Rennrunden und 65 Pole Positions standen für Rossi mit Ende seiner Karriere im Spätherbst 2021 zu Buche. Als er 1996 als Rookie in die 125cc-Klasse einstieg, hatte das niemand erwartet. Als regierender 125cc-Meister von Italien war zwar klar, dass er durchaus über respektables fahrerisches Talent verfügte, jedoch schien ein Sprung in derartige Sphären ausgeschlossen.
Schon im ersten WM-Jahr bejubelte Rossi die erste Pole und den ersten Sieg, beides in Brünn. Dennoch stand am Ende mit Rang neun seine für lange Zeit schlechteste Gesamtplatzierung zu Buche. Ein Jahr darauf krönte er sich erstmals zum Weltmeister, es folgte der Wechsel zu den 250ern. Bereits in seiner zweiten Saison 1999 gelang ihm dort erneut der WM-Coup, weswegen er im Folgejahr direkt den Aufstieg in die 500cc-Klasse wagte. Dort wiederholte er sein Muster und holte sich nach einem Jahr Eingewöhnung 2001 den ersten von sieben Titeln in der Königsklasse.
Rossi dominiert die ersten Jahre der MotoGP-Ära
Von 2001 weg waren es sogar fünf Weltmeisterschaften in Folge - und das obwohl er nach 2003 von Honda auf Yamaha wechselte und die Yamaha damals nicht unbedingt als gute Maschine galt. Doch Rossi gelang zu dieser Zeit alles, bereits das erste Rennen in Welkom in Südafrika gewann er auf seinem neuen Motorrad. Nach der Saison 2005 war dann vorerst einmal Schluss mit dem Titel-Hamstern, denn im Jahr darauf schwächelte die Yamaha. Zudem verletzte sich Rossi leicht und Nicky Hayden brachte sich mit einer konstanten Saison auf der Honda beim letzten Rennen in Stellung für seinen ersten Titelgewinn. Dennoch ging Rossi mit einer Gesamtführung und somit als Titelfavorit ins Rennen, stürzte jedoch unerwarteterweise und ermöglichte es Hayden so, den letzten Titel der 990cc-Ära zu gewinnen.
2007 war es dann Casey Stoner, der die Oberhand behielt. Der Australier fuhr eine gute Saison und Rossi musste sich mit Position drei zufrieden geben. Doch 2008 und 2009 schlug der Italiener zurück und holte zwei weitere Male die Weltmeisterschaft, bevor er 2010 einerseits von Verletzungen und andererseits von seinem jungen Teamkollegen Jorge Lorenzo eingebremst wurde. Lorenzo brillierte mit unglaublicher Konstanz an der Spitze und sorgte so für eine Verschiebung des Machtverhältnisses im teaminternen Yamaha-Machtkampf.
Missglücktes Ducati-Kapitel und Rückkehr zu Yamaha
Rossi zog daraus die Konsequenzen und heuerte bei Ducati an. Was als italienische Traumehe galt, entwickelte sich in der Saison 2011 aber eher zum Alptraum. War Rossi während der Vorbereitung noch wegen einer Schulterverletzung aus dem Vorjahr behindert, so wurde trotzdem schnell klar, dass die eigenwillige Rennmaschine nicht zu ihm und seinem Fahrstil passte. Da sich das Basis-Konzept nicht mehr umstellen ließ und relativ unflexibel war, was Veränderungen betraf, wurde das Jahr zu einem Testjahr, an dessen Ende lediglich Gesamtrang sieben stand. Auch 2012 blieb die Suche nach Wegen aus der Krise im Hause Ducati erfolglos. Rossi musste sich mit zwei zweiten Plätzen (in Le Mans und Misano) begnügen und kehrte reumütig zu seiner alten Liebe, Yamaha, zurück.
Rossis Fans und er selbst erwarteten sich von seiner Rückkehr einige Großtaten. Letztlich folgte auf einen fulminanten Start in die Saison (Platz zwei in Katar) aber nur ein Sieg in Assen. In den meisten Rennen waren die drei Spanier Marc Marquez, Jorge Lorenzo und Dani Pedrosa eine Nummer zu groß für Rossi, dem nur der Titel als 'Best of the rest' blieb.
Die Saison 2014 entpuppte sich schon beim ersten Rennen in Katar zur Auferstehung des Valentino Rossi. In einem Thriller erster Güte hetzte er Superstar Marquez nahezu über die gesamte Renndistanz an der Spitze, unterlag letztlich nur knapp. Während Rossi Teamkollege Lorenzo von Beginn an unter Kontrolle hatte, musste er sich anfangs noch der enormen Übermacht des Repsol-Honda-Teams um Marquez und Pedrosa beugen. Als Letzterer jedoch schwächelte, war Rossi mit konstant brillanten Resultaten zur Stelle, und machte sich so faktisch zum ernsthaftesten Verfolger Marquez'. Sensationelle Siege in Misano und auf Phillip Island sowie insgesamt 13 Podien brachten ihm schließlich die verdiente Vizemeisterschaft. Wie auch das spanische Trio der 'Großen Vier' verlängerte Rossi seinen Vertrag vorzeitig um zwei Jahre bis zum Ende der Saison 2016.
Rossi verpasst letzten MotoGP-WM-Titel 2015
Die Saison 2015 sollte ein letztes Hoch für Rossi darstellen. Von Beginn an hatte er die WM-Führung inne und sollte sie erst im letzten Rennen an seinen Teamkollegen Jorge Lorenzo verlieren. Die ersten zwölf Rennen beendete er auf dem Podium, insgesamt sollten es fünfzehn Podestplätze werden. Neben vier Siegen holte er drei zweite und acht dritte Plätze und fuhr in den übrigen Rennen immer in die Top-Fünf. In Assen sicherte er sich außerdem seine einzige Pole-Postion der Saison. Einen Schatten auf Rossis Erfolge wirft jedoch die Konfrontation zwischen ihm und Marquez, die im 'Sepang Clash' gipfelte. Da er Marquez bewusst zu Sturz gebracht hatte, bekam Rossi drei Strafpunkte. Durch die Kombination mit einem Punkt, den er bereits auf seinem Konto hatte, wurde er im letzten Rennen auf den letzten Startplatz strafversetzt. Nach einer beeindruckenden Aufholjagd, er schaffte es von Startplatz 26 auf Position vier, fehlten Rossi am Ende jedoch fünf Punkte zum zehnten WM-Titel.
2016 konnte er nicht an das Vorjahr anschließen. Zwar holte sich Rossi erneut WM-Rang zwei, hatte aber keine Chance gegen Marc Marquez, auf den er fast 50 Zähler Rückstand aufriss. Am Ende der Saison belief sich seine Statistik auf zwei Siege bei zehn Podien.
Karriereende bei Petronas Yamaha
2017 gewann Rossi sein letztes MotoGP-Rennen und zwar auf seiner Vorzeigestrecke in Assen. Er belegte am Ende der Saison den fünften Rang in der Fahrerwertung. 2018 wurde er noch einmal WM-Dritter, ehe es in den beiden Folgejahren steil bergab ging. So musste Rossi Ende 2020 im Werksteam seinen Hut nehmen und 2021 eine letzte Saison für das Kundenteam Petronas-Yamaha fahren.
Dass dort großartige Leistungen möglich waren, hatten Fabio Quartararo und Franco Morbidelli in den zwei Jahren zuvor gezeigt. Rossi selbst sollte deren Erfolge 2021 aber nicht wiederholen können. Vielmehr bekam der inzwischen 42-jährige Italiener große Probleme, mit seinen jungen Konkurrenten mitzuhalten und schaffte es in 18 Rennen nur viermal in die Top Ten. Ein achter Platz am Red Bull Ring sollte sein bestes Resultat bleiben, weshalb er Ende 2021 den Strecker zog und eine außergewöhnliche Karriere in der Motorrad-WM beendete.
Seither ist Rossi nur noch gelegentlich in der MotoGP zu sehen. Dann nämlich, wenn er als Teamchef seines VR46-Rennstalls einzelne Rennen vor Ort besucht. Die meiste Zeit verbringt die italienische Legende seit 2022 jedoch im Rennauto.