Worum geht es?

28. September 2008, Großer Preis von Singapur. Die Formel-1-Boliden bestreiten zum ersten Mal unter Flutlicht ein Rennen. Felipe Massa reißt beim Boxenstopp den Tankschlauch heraus. Und: Nelsinho Piquet kracht in Runde 15 nach einem Dreher in die Mauer. Schon damals kamen zunächst spöttische, danach ernsthaft gemeinte Meinungen auf, wonach Piquet den Renault absichtlich auf Anweisung des Teams in die Mauer gesetzt haben könnte, um so einen Vertrag für die Saison 2009 zu erhalten und seinem Teamkollegen Fernando Alonso zu einem guten Ergebnis zu verhelfen - immerhin gewann der Spanier später auch das Rennen.

Im Rahmen des Belgien GP bestätigte die FIA, dass sie Ermittlungen wegen angeblicher Ereignisse bei einem vergangenen Formel-1-Grand-Prix aufgenommen habe. Mehr Details gab es dazu nicht, allerdings wurde schnell Singapur 2008 als betroffenes Rennen herauskramt.

Was ist in Singapur passiert?

Kurz vor Runde 15 forderte Renault seinen Fahrer Nelsinho Piquet mittels Funk dazu auf, schneller zu fahren. Keine unübliche Vorgehensweise bei F1-Teams und gerade bei Renault. "Mein Team hat mich aufgefordert, zu pushen. Das habe ich auch gemacht", sagte Piquet damals. "Plötzlich habe ich das Heck meines Wagens verloren und bin ziemlich heftig in die Wand eingeschlagen. Wir kratzen immer an den Mauern entlang und sobald man die Mauer etwas zu viel berührt und die Kontrolle verliert, dann ist es das."

Der Unfall von Nelson Piquet löste eine chaotische Phase aus. In der Safety Car Phase erhielten Robert Kubica und Nico Rosberg Drive-Through-Strafen, weil es damals nicht erlaubt war, nachzutanken, so lange die Boxengasse nicht geöffnet war. Nachdem der Führende Felipe Massa den Tankschlauch abriss, das Feld durch Strafen und die Safety-Car-Phase durcheinander gewürfelt wurde, fand sich plötzlich Alonso in Führung wieder. Eine Position, die er bis zur Zielflagge nach 61 Runden nicht mehr abgeben sollte - obwohl eine zweite Safety-Car-Phase zehn Runden vor Schluss das Feld noch einmal zusammenführte. Übrigens: Piquet hatte sich auf der Einführungsrunde auf dem Weg in die Startaufstellung schon einmal gedreht.

Warum auf einmal der Aufruhr?

Die Gerüchte und die Vermutungen waren schon immer da, aber ernst nahmen sie nur die wenigsten. Plötzlich sind sie wieder da und sogar die FIA ermittelt in dem Fall. Was ist vorgefallen? Laut brasilianischen und französischen Quellen sollen neue Beweise vorliegen, die beweisen sollen, dass Flavio Briatore den Piquet-Unfall angeordnet habe, um Alonso eine bessere Chance zu ermöglichen. Der Ursprung soll die Piquet-Familie rund um Vater und Sohn sein. Bestätigt ist dies ebenso wenig wie die Art und Weise der neuen Beweise.

"Vielleicht ist die Geschichte nur eine Erfindung", wird Bernie Ecclestone von der Bild-Zeitung zitiert. "Vielleicht hat Piquet sie in die Welt gesetzt, weil er wegen seines Rauswurfes sauer ist." Grund für den kleinen "Racheakt" könnte die Entlassung von Nelsinho Piquet nach der Sommerpause bei Renault sein. Der Brasilianer wurde durch den jungen Renault-Ersatzfahrer Romain Grosjean ersetzt.

Noch bevor Renault den Fahrerwechsel offiziell bestätigte, schimpfte Piquet Jr. in brasilianischen Medien und einem aggressiven Presseschreiben über seinen Teamchef und Manager Briatore. "Er liebt es zu protzen. Er mag ein guter Geschäftsmann oder etwas Ähnliches sein, aber das F1-Team könnte gut ohne ihn auskommen", so Piquet damals. "Als ich bei Renault anfing, war Flavio bei allen Meetings dabei. Aber wenn man die Business-Seite weglässt, dann hat er nur sinnloses Zeug gesprochen." Den einzigen Vorteil, den Renault durch Flavio Briatore habe, sei dessen gute Beziehung zu Bernie Ecclestone und zur FIA. "Von allem anderen hat er keine Ahnung. Es ist so als würde ich mit meiner Schwester über das Auto reden."

Was könnte nun passieren?

Piquet krachte in einem seltsamen Winkel in die Mauer., Foto: Sutton
Piquet krachte in einem seltsamen Winkel in die Mauer., Foto: Sutton

Noch mal Ecclestone: "Wenn das stimmt, haben wir einen Riesenärger." Angefangen beim Imageverlust für alle Beteiligten, inklusive der gesamten Formel 1, die sich gerade erst von den Herstellerrückzügen und Lügen- und Präsidentenaffären erholt zu haben schien. Renault könnte das nächste Opfer werden und noch vor einem Urteil seinen Rückzug aus der Formel 1 bekannt geben, um dem Schaden vorzubeugen. Das Team war bereits in die zweite Spionageaffäre verwickelt und wird seit Jahren mit einem F1-Ausstieg in Verbindung gebracht. Sollten keine Funksprüche oder Telemetriedaten vorliegen, die das angebliche Vergehen nachweisen, dürfte es aber schwierig werden, den Vorwurf aufrechtzuerhalten.

Andererseits könnten den Franzosen drastische Strafen seitens der FIA drohen. Wohl eher nicht wegen ein Rennen manipulierender Stallregie, sondern vielmehr wegen des berühmten Artikels 151c des International Sporting Code, wonach man den Sport mit einer solchen Aktion in Verruf gebracht hätte. Zum Vergleich: McLaren Mercedes wurde für die Spionageaffäre aus der WM-Wertung 2007 ausgeschlossen und zu einer Geldstrafe von 100 Millionen verurteilt. Bei der Lügenaffäre kam McLaren in diesem Jahr mit einer Rennsperre auf Bewährung davon. Renault wurde hingegen wegen des wegfliegenden Rades in Ungarn zunächst mit einer Rennsperre belegt, die nachträglich in eine Geldstrafe umgewandelt wurde. Das höchste Strafmaß wäre ein Ausschluss aus der Formel-1-Weltmeisterschaft. Noch ist es aber nicht soweit, denn noch gibt es nicht einmal eine offizielle Anklage gegen Renault oder ein anderes Team.