Die Formel 1 gedenkt am Sonntag vor dem Start des Rennens in Spa-Francorchamps Anthoine Hubert. Ein Jahr nach seinem Tod im Hauptrennen der Formel 2 am Wochenende des Belgien GP ist er im Paddock allgegenwärtig. Ehemalige Weggefährten trifft der Verlust am Ort des Unglücks besonders schwer. Mit Hubert verlor Frankreich einen ihrer größten Hoffnungsträger. Sein Weg in die Formel 1 schien nur eine Frage der Zeit. Das Schicksal hatte andere Pläne.
"Er war ein guter Junge, sehr intelligent, sehr clever und sehr neugierig", sagte Alain Prost über Hubert, der Teil einer Generation vielversprechender französischer Nachwuchspiloten war. Zusammen mit seinen Landsmännern Esteban Ocon und Pierre Gasly sowie dem aus Monaco stammenden Charles Leclerc hatte er sich über den Start im Kartsport im Alter von acht Jahren den Weg in Richtung Königsklasse gebahnt.
Prost hatte Hubert Anfang 2018 in die Renault Sport Academy geholt, um die Durststrecke der Grande Nation zu beenden. Seit Olivier Panis' sensationellen Triumph 1996 in Monaco wartet das Land auf seinen nächsten Grand-Prix-Sieger. Der Verlust eines potentiellen F1-Stars ist den Franzosen nicht neu. Der tödliche Unfall von Jules Bianchi brach ihnen 2014 schon einmal das Herz.
Bianchi war lange vor seinem Patenkind Charles Leclerc über die Ferrari Driver Academy in die Formel 1 gekommen und für Großes bestimmt. In seinem Windschatten wuchs die Generation von Ocon, Gasly & Co. heran. Der am 22. September 1996 in Lyon geborene Hubert war auf Anhieb erfolgreich.
Hubert & Gasly arbeiteten zusammen am Traum von der Formel 1
2005 gewann er die französische Junior-Kart-Meisterschaft. In der Weltmeisterschaft belegte er zwischen 2010 und 2012 jeweils Top-3-Platzierungen. Der Sprung in den Formelsport gelang 2013 mit einschlagendem Erfolg. In der französischen Formel 4 stellte Hubert mit 11 Siegen in 21 Rennen auf Anhieb den Titel sicher.
Auf seinem Weg dorthin entwickelte sich eine enge Freundschaft mit Pierre Gasly. Im Alter von neun Jahren lernten sie sich als Rivalen auf der Rennstrecke kennen. Mit 13 zogen beide von Zuhause aus und gingen zusammen auf dasselbe Internat, wo sie für die folgenden fünf Jahre Zimmergenossen waren.
"Ich habe im Grunde vom Frühstück um 7:30 Uhr am Morgen bis 22:00 Uhr am Abend jeden einzelnen Tag mit ihm verbracht", so der AlphaTauri-Pilot. "Wir waren im selben Unterricht, haben zusammen trainiert und sind zusammen Rennen gefahren. Es war immer ein Wettkampf zwischen uns, egal ob wir im Unterricht waren oder beim Training. Auf der Playstation haben wir Stunden damit verbracht, die Rundenzeit des anderen zu schlagen."
Mit Gaslys Aufstieg in den Formel Renault 2.0 Eurocup im Jahr 2011 trennten sich ihre Wege auf der Rennstrecke. Nach dem Gewinn der Meisterschaft 2013 wurde er in das Juniorprogramm von Red Bull aufgenommen. Über die Formel Renault 3.5, den Titel in der GP2 und der Vizemeisterschaft in der Super Formula gelang ihm 2017 der Aufstieg in die Formel 1, als er die Beförderung zu Toro Rosso erhielt.
Hubert überzeugt Renault mit Talent und Fleiß
Huberts Karriere geriet nach dem fulminanten Einstand in der Formel 4 zu dieser Zeit leicht ins Stocken. In der Formel Renault 2.0 und der Formel 3 feierte Hubert zwischen 2014 und 2016 Achtungserfolge. Erst der Aufstieg in die GP3 mit ART Grand Prix verlieh seiner Laufbahn 2017 neuen Auftrieb.
"Er hatte ein besonderes Talent. Es baute sich über die Jahre auf. Er kam nicht und zerstörte in den Nachwuchsserien sofort alles", so Renault-Teamchef Cyril Abiteboul. Im Rahmenprogramm der Formel 1 blühte Hubert zum richtigen Moment auf. Nach Platz vier in seiner Rookiesaison sicherte er sich 2018 mit einer zuweilen dominanten Vorstellung den Titel.
"Das hat ihm neue Energie verliehen und was dabei besonders hervorstach, war seine harte Arbeit. Er wird für mich immer ein Beispiel dafür sein, was mit harter Arbeit möglich ist", so Abiteboul weiter. Der Erfolg in der GP3 ebnete Hubert den Weg in das Förderprogramm von Renault.
Formel-2-Erfolg zeichnet Weg in die Formel 1 vor
Seine erste Formel-2-Saison war keine einfache. Bei Arden stand ihm nicht das Top-Material zur Verfügung, auf das seine Rookie-Kollegen Mick Schumacher und Guanyu Zhou bei Prema Racing und UNI-Virtuosi Racing zurückgreifen konnten. Dennoch war es Hubert, der als erster Newcomer einen Sieg eroberte.
Angesichts des unterlegenen Autos blieb ihm nichts anderes übrig, als mit Rennintelligenz zu glänzen. Im Sprintrennen von Monaco lieferte er eine beeindruckende Demonstration seiner Racecraft. Auf völlig zerstörten Hinterreifen verteidigte er sich in einem rundenlangen Kampf erfolgreich gegen Louis Deletraz.
Eine Woche später wiederholte er das Kunststück bei seinem Heimrennen. Auf dem Circuit Paul Ricard gewann er abermals das zweite Rennen. In der Meisterschaft belegte er zur Saisonhalbzeit den siebten Platz. Der Start in die zweite Hälfte des Jahres gestaltete sich schwierig. In Silverstone und auf dem Hungaroring ging er jeweils leer aus.
Für Renault hatte er zu diesem Zeitpunkt längst genug gezeigt, um dem Traum von der Formel 1 einen Schritt näher zu kommen. Bei Testfahrten durfte er dem F1-Team bereits über die Schulter schauen. Seine erste eigene Ausfahrt im R.S.19 war beschlossene Sache und auch der Aufstieg in eines der Top-Teams der Formel 2 war für 2020 schon fix.
"Ich denke nicht, dass ihm viele Leute nur wegen seines reinen Talents diese Chancen gegeben hätten", so Abiteboul, der in Hubert mehr als nur einen Fahrer mit Formel-1-Format sah: "Die Arbeit, die Hingabe und die Art und Weise, wie er mit Menschen umgegangen ist, waren beispielhaft."
Tödlicher Unfall in Spa-Francorchamps: Gasly hadert mit dem Verlust
Am 31. August 2019 wurde das hoffnungsvolle Talent Anthoine Hubert der Motorsportwelt auf grausame Weise entrissen. In der zweiten Runde des Hauptrennens führte eine Verkettung unglücklicher Umstände zum fatalen Unfall, der Hubert im Alter von nur 22 Jahren aus dem Leben riss. Juan Manuel Correa hatte keine Chance, dem verunfallten Boliden auszuweichen.
Während Hubert noch im Streckenhospital in Stavelot für tot erklärt wurde, kämpfte der US-Amerikaner mehrere Wochen um sein Leben. Ein Jahr später kehrte auch er anlässlich des Jahrestages der Tragödie nach Spa-Francorchamps zurück, um Hubert zu gedenken. Der Heilungsprozess seiner beim Unfall zertrümmerten Beine ist nach wie vor nicht abgeschlossen.
"Ich habe das Gefühl, dass es mir hilft mit diesem Kapitel abzuschließen und Anthoine meinen Tribut zu zollen", so Correa über seine Rückkehr an die Unfallstelle. Letzteres tat auch Gasly, der bei seinem Trackwalk vor dem Wochenende Blumen niederlegte und seinem Jugendfreund gedachte.
"Ich habe diese Bilder im Kopf, von denen ich mir wünsche, dass sie nie geschehen wären. Es ist für mich sehr schwer zu akzeptieren, dass er nicht mehr bei uns ist", so der 24-Jährige, der mit dem Verlust noch nicht abgeschlossen hat: "Das ist etwas, das ich immer noch nicht akzeptieren kann. Es fällt mir schwer zu realisieren, dass es wirklich passiert ist. Aber leider ist das einfach die Wahrheit, es ist die Realität."
Was bleibt ist die Erinnerung an einen Freund, der ihn über den Tod hinaus auf seinem Weg begleitet: "Wir waren auch Rivalen und ich weiß, dass ich nie so viel erreicht hätte, wenn ich nicht mit ihm aufgewachsen wäre. Wir haben einander so sehr gepusht, auf und abseits der Rennstrecke. Er hat mich zu einem besseren Athleten und Rennfahrer gemacht. Er hat mich immer angetrieben, mehr zu erreichen und mehr aus mir herauszuholen. Er war ein Teil meiner Entwicklung als Person und als Fahrer und dafür kann ich ihm nur dankbar sein."
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