Wir besuchten den ersten deutschen F1-Ferrari–Piloten in seiner österreichischen Wahlheimat Achenkirch. Herr Adolff empfing uns sehr gastfreundlich und schilderte beim gemeinsamen Mittagessen bereits Erlebnisse seiner Laufbahn.
Was bedeutet es für Sie, der erste deutsche Fahrer zu sein, der einen WM–Lauf (1953) auf Ferrari bestritten hat?
"Früher habe ich das nicht entsprechend gewertet, aber durch den Wechsel von Michael Schumacher zu Ferrari kam das Interesse an meiner Person zurück, man erinnerte sich wieder mehr an den ersten deutschen Fahrer, der einen Ferrari lenkte."
Kurt Adolff wurde am 5.11.21 in Stuttgart geboren, wuchs im 30 km entfernten Backnang auf und begann in Aachen (Stolberg) wohnend seine Motorsport-Karriere. Er fuhr von 1950 bis 1953 Sportwagen-, Berg- und Formelrennen auf Veritas BMW, Mercedes und Ferrari. Zu seinen größten Erfolgen dürften die starken Auftritte auf dem Nürburgring und der Sportwagen–Vizetitel (bis 2 Liter) in der Debüt–Saison von 1950 zählen. Der ehemalige Besitzer von Industriebetrieben baute mit seinen Firmen gute Verbindungen ins Ausland auf und wurde u.a. zum Konsul von Chile ernannt. Er war ein vielseitiger und erfolgreicher Sportler von Jugend auf, aber seine besondere Leidenschaft war und ist bis heute die Jagd.
Wie kamen Sie zum Motorsport?
"Ich besuchte schon mit meinem Vater alle Autorennen und war fasziniert von Bernd Rosemeyer, meinem Idol. Das Interesse am Motorsport wuchs dadurch enorm, ich fuhr verschiedenste Motorradmarken und hätte sicherlich mit Motorradrennen angefangen, wäre der Krieg nicht dazwischen gekommen."
So begann seine Karriere 1950 in Hockenheim. Zitieren wir hierzu die lokale Tagespresse vom 16. Mai 1950: "Kurt Adolff fährt Hockenheimring–Rekord. Der Backnanger aus Aachen, das neuste As und schnellster Wagenfahrer aller Klassen bestand im Hexenkessel vor 200 Rennfahrern und 400 000 Zuschauern seine Feuertaufe sehr, sehr erfolgreich und unerhört schneidig." Kurt Adolff wurde beim Sportwagenrennen bis 2000 ccm auf Veritas Zweiter und hatte das Feld (u.a. Kling, Krakau, Schäufele, Karch, Helfrich) bis zum Reifenschaden in der vorletzten Runde eindeutig dominiert. In der Meisterschaft (Sportwagen bis 2000 ccm) war dies der Grundstein für Platz 2 hinter Fritz Rieß in der Endtabelle.
Was war die schönste Erinnerung Ihrer Laufbahn?
"Eigentlich das Solitude–Rennen 1950. Der Sieg in meiner Stuttgarter Heimat vor den alten Schulkameraden, die an der Piste standen, staunten und sich mit ihrem Kurt freuten. Oder der dritte Platz beim Grand Premio de Portugal, III. Circuit International de Porto 1952. Z. B. Bergrennen hatten es mir nicht besonders angetan. Es war nur ein Lauf gegen die Uhr, aber ich liebte den Kampf Mann gegen Mann."
Hierzu die damalige Presse "Das Auto": "... und nun zeigt Adolff, der Aachener Spinnereidirektor aus dem schwäbischen Backnang, dass er ein Fahrer von Format ist. Er übernimmt, gefolgt von Niedermayer, bei Halbzeit des Rennens die Führung und gibt sie nicht mehr ab. Adolff wird nach seiner Solitude–Demonstration zu beobachten sein. Er hat in diesem Jahre erst mit der Rennfahrerei begonnen." Beim Solitude–Rundstrecken-Rennen am 13.09.50 (Sportwagen bis 2 Liter) benötigte Kurt Adolff auf Veritas für die 10 Runden und 114,55 Km insgesamt 54,36 Minuten und verwies Helmut Niedermayer und Willi Krakau auf die Plätze.
Warum findet sich in der Formel 1-Statistik unter Kurt Adolff nur der Einsatz beim GP von Deutschland 1953?
"Ich ging mit dem 4-Zylinder von Ferrari das ganze Jahr über bei verschiedensten Läufen (davon zählte nur der deutsche GP zur Fahrer-WM) an den Start und musste mich nach der Saison wieder mehr um meinen Beruf (eigene Textilfirmen) kümmern."
Welche Erinnerungen haben Sie z.B. an den Nürburgring?
"Nur die besten, es war meine Lieblingsstrecke und überhaupt der schwierigste, aber gleichzeitig schönste Kurs überhaupt. Ich hatte verschiedentlich die Pole Position, aber im Rennen hatte ich oft noch technische Schwierigkeiten, so dass es z.B. beim Eifelrennen am 24. Mai 1952 nur zum Dritten Platz kam. Beim internationalen Eifelrennen am 31. Mai 1953 war ich zwar schnellster deutscher Fahrer, aber es war auch das härteste Rennen meiner Laufbahn. Ich kämpfte im Regen - der kurz nach dem Start begann - auf Trockenreifen gegen drei englische Gegner (darunter Collins und Moss), die im letzten Moment noch auf Regenreifen umgestellt hatten – ein fast aussichtsloser Kampf, es gibt noch ein Foto davon – und so wurde ich Vierter. Dies ist mir in besonders guter Erinnerung geblieben. Beim GP von Deutschland konnte ich nur am Freitag trainieren, denn am Samstag hatte mein Ferrari Probleme mit den Stoßdämpfern. Am Sonntag, gegen Ende des Rennens, wurde ich herausgenommen, weil Ascari kurz vor Start und Ziel einen Reifen verlor und von meinem Wagen ein Ersatzteil brauchte, was nicht vorrätig war. Nachdem er in den WM–Punkten führte, war dies für mich natürlich, aber hart."
Seine Bilanz am Nürburgring kann sich sehen lassen:
1950 Eifelrennen 4.Platz (Sportwagenklasse bis 2 Liter)
1950 Grand Prix 3.Platz (Sportwagenklasse bis 2 Liter)
1952 Eifelrennen 3.Platz (Sportwagenklasse bis 2 Liter)
1953 Eifelrennen 4.Platz (Formel 2)
Wie ging man mit der Angst um, Unfälle?
"Habe niemals darüber nachgedacht und niemals Angst gehabt. Ein Start war was ganz Normales für mich. Es war aber bei einzelnen Fahrern verschieden, mich haben auch Unfälle nicht beeindruckt. Ich hatte Glück gehabt, mich nie schwerer verletzt. Einmal wurde ich durch Lenkhebelbruch von der Nürburgringstrecke in den Wald geschleudert und hing mit dem Kopf nach unten im Wagen. Auf der Avus-Steilkurve 1953 drehte sich Behra vor mir auf einer Öllache. Ich konnte meinen Wagen gerade noch abfangen, ehe ich über die Steilkurve hinaus schoss und danach unsanft im Oval landete. Mir hat alles im Leben gefallen, was Risiko war, alles andere war langweilig."
Welche Risiken gingen Sie noch ein?
"Eine ganze Menge. Ich war u.a. auch Fallschirmjäger an den Brennpunkten des Zweiten Weltkrieges. Dann wollten Fritz Rieß und ich für den Winter auch einen Sport haben und fuhren mit dem damaligen deutschen Weltmeister im Vierer-Bob. Aber in der zweiten oder dritten Position war es eher langweilig und somit kein Vergleich zum Sommer."
Wie ging man mit den Fahrerkollegen um, gab es Freundschaften?
"Der Umgang allgemein war sehr freundschaftlich. Wir waren alle Sportler, eine Gemeinschaft und es gab keine Konkurrenzgerangel, wie z.T. heute."
Wie kann man die damalige Zeit beschreiben?
"Wir waren fast alle Privatfahrer und hatten eine persönliche Verbindung zum Sport. Ich achtete nicht auf Punkte und Meisterschaften, ich wollte nur schnell sein. Das war nicht konsequent genug, aber sportlich. Es war daher ein großer Zufall, wenn man dabei nach vorne gekommen ist. Hätte ich rechtzeitig begriffen, warum Alfred Neubauer sich oftmals mit mir unterhielt (siehe Foto), wäre es besser gewesen."
Welche Erinnerungen haben Sie an die Weltmeister Ihrer aktiven Zeit?
"Farina war als Einziger ein bisschen hochnäsig, aber auch älter als wir, ein typischer Italiener seiner Zeit. Ascari dagegen ein einfacher und netter Kerl. Mit Fangio hatte ich einen sehr guten, freundschaftlichen Kontakt, wir haben uns auch in Südamerika öfters getroffen. Dabei habe ich auch Präsident Perron kennengelernt. Auch mit Caracciola zusammen bin ich noch gefahren und natürlich mit Hermann Lang, dem letzten Europameister vor dem Krieg."
Warum endete ihre Karriere als Rennfahrer bereits so früh?
"Wegen meiner Betriebe musste ich aufhören, denn aus Zeitmangel konnte ich mich nicht zu 100 Prozent dem Autorennsport widmen, und vor allem keine Verträge abschließen, die mir konkurrenzfähige Rennwagen garantiert hätten. Man kann sich das heute gar nicht mehr vorstellen. Ich fuhr von 1950 bis 1953 denselben Veritas! Ein Angebot als Werksfahrer von Mercedes kam dann 1952. Man wollte mich u.a. auch für die Carrera Panamerica Mexicana, aber Monate im Ausland, das ging für mich nicht. Ich schlug es aus, und dann siegte mein Landsmann Karl Kling, von dem ich meinen ersten Veritas hatte."
Wie beurteilen sie die heutige Formel 1?
"In der heutigen Formel 1 zahlt man Milliarden für Anteile, unglaublich viel Zirkus und trotzdem spannend. Die Strecken sind nichts Besonderes mehr. Die Fahrer sind nicht mehr so ausschlaggebend wie früher. Klar, sie sind schon wichtig, aber früher haben sich, wie auf dem Nürburgring, nur Spitzenfahrer durchgesetzt. Wir hatten keine Strategie, wollten nur der Schnellste sein. Wäre man Profi gewesen, hätte man natürlich Anschluss gesucht. Auch beim Boxenstopp wurde mit 2 Leuten alles selber gemacht, unvergleichbar mit heute, Reifenwechsel war nur, wenn ein Reifen den Geist aufgegeben hatte, etc."
Welcher Fahrer ragte in den letzten Jahren heraus?
"Michael Schumacher ist der beste Fahrer überhaupt. Natürlich hängt das mit vom Auto ab, aber er hat es ja auch so weit gebracht. Schumacher ist zweifellos der Spitzenmann, der den richtigen Stall gesucht hat. Bei Mercedes hätte er niemals so viel Einfluss nehmen können. Agnelli von Fiat wusste genau, er kann seinen Rennstall nur dann in Ordnung bringen, wenn man Michael Schumacher alle Wünsche erfüllt."
Sie fahren immer noch sehr gerne Auto?
"Ja, ich bin für 80 noch gut dran und erst neulich wieder 1600 Km an einem Tag gefahren. Man könnte ja eigentlich noch so eine Rekordfahrt machen, auf dem Salzsee von Utah mit 500 km/h und mehr. Da würde ich mich heute schon noch rein setzen..."
Herr Adolff, wir bedanken uns sehr für die nette Einladung und das interessante Gespräch und wünschen ihnen alles Gute für die Zukunft!
"Danke, hat mich sehr gefreut, wir bleiben in Verbindung und ich werde Sie nächstes Jahr in München besuchen."
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