Wie schaffte Brawn GP das Wunder?
Vor vier Monaten vor dem Aus, vor vier Wochen noch ohne Käufer, vor drei Wochen noch ohne Testkilometer und bis zuletzt ohne komplette Renndistanz. Wie konnte Brawn GP aus dem Nichts zum 1-2-Sieg in Melbourne kommen?
"Man muss das Brawn Team in Anführungszeichen setzen", gibt Michael Schumacher eine erste Antwort. Ganz neu ist das Team nämlich nicht. "Das ist ja eigentlich das Honda Team." Die Nachfrage vieler Fans im imaginären Gespräch mit dem Rekordchampion dürfte sicher lauten: Aber Honda war doch letztes Jahr schlecht! Richtig, weil sie sich schon früh darauf konzentrierten, das 2009er Auto zu bauen und das neue Reglement mit den einschneidenden Aerodynamikänderungen zu studieren. Was sich in einem besonders ausgeklügelten (und umstrittenen) Diffusor niederschlug.
"Sie entwickeln ihr Auto schon seit 16 Monaten und in vier Windkanälen", erklärt Martin Whitmarsh. "Sie hatten Riesenressourcen von Honda." Denn bis zum Honda-Ausstieg pulverten die Japaner hunderte von Millionen in das Team. "Sie haben sich das ganze Jahr darauf konzentriert, dieses Auto zu entwickeln", betont Schumacher, "und das sind natürlich entscheidende Vorteile, die die Top-Teams nicht hatten, die in der Weltmeisterschaft aktiv waren."
Was waren die Probleme bei Ferrari?
Es war wie eine Wiederholung des schwarzen Ferrari-Wochenendes von 2008. Mindestens vier Probleme gab es bei der Scuderia. Nummer 1: Die Reifen. Massa war auf einer aggressiven Dreistoppstrategie, die vom Safety Car zerstört wurde. Schon vorher merkte er aber: Die weichen Reifen gingen zu schnell kaputt, die harten bekam er hinterher nicht zum Arbeiten.
Problem Nummer 2: Massas Ausfall. "Das Auto hat einfach plötzlich nach rechts gezogen und ich konnte nicht mehr geradeaus fahren." Von Ferrari hieß es, dass links ein Radträger gebrochen ist. Problem Nummer 3: Kimi Räikkönens Ausfall. Was den Abflug in die Mauer verursachte, ist noch ungeklärt. "Ich weiß nicht, was passiert ist." Er sei normal in die Kurve gefahren und habe plötzlich das Heck verloren. Problem Nummer 4: Ferrari war zu langsam. "Die Rundenzeiten waren sehr langsam", gestand Stefano Domenicali. "Wir hatten keine Chance an die Zeiten von Brawn GP heranzukommen."
Was passierte am Start?
Zunächst blieb Rubens Barrichello fast stehen. Der Brasilianer aktivierte die Antistall-Funktion, die verhindern soll, dass der Motor abstirbt. Dadurch fiel er einige Plätze zurück, die er mit aller Macht zurückholen wollte. In der ersten Kurve versuchte er sich an Mark Webber vorbeizuquetschen - was schief ging. Barrichello schob Webber in Nick Heidfeld und von hinten rutschte Heikki Kovalainen in das Chaos. Auch Adrian Sutil konnte nicht mehr ausweichen und demolierte sich den Frontflügel.
"Webber drehte sich und sein Vorderrad traf meine linke Vorderradaufhängung", so Kovalainen, der danach aufgeben musste. Nick Heidfeld bekam von all dem gar nichts mit. "Auf einmal hat es hinten geknallt", sagte er. "Das war ein heftiger Einschlag, ich hatte einen Platten und das Auto war kaputt." Sein Rennen praktisch gelaufen. "Vor Nick sind Webber und Barrichello aneinander geraten. Mark ist in Nick reingerutscht", bestätigte Mario Theissen. Nur Barrichello hatte ein anderes Rennen erlebt: "Ich wurde heftig von hinten gerammt und dachte schon, dass mein Rennen vorbei wäre."
Wer trägt die Schuld: Vettel oder Kubica?
Kurz vor Schluss gab es noch eine Kollision: Robert Kubica eilte mit Riesenschritten in Richtung Jenson Button, lief zuvor aber auf Sebastian Vettel auf. Kubica kam besser aus Kurve 1 heraus, in Kurve 3 setzte er zum Überholen an, wollte außen herum vorbei gehen. Vettel hatte dem nichts mehr entgegenzusetzen, seine weichen Reifen waren im Gegensatz zu Kubicas harten Reifen zu abgenutzt, er rutschte nur herum.
"Er kam außen vorbei und war viel schneller", gestand Vettel. "Ich konnte in Kurve drei nicht nach rechts ziehen und bremsen, weil meine Reifen nicht mehr so gut waren. Ich hatte keine Chance mehr, eine Kollision zu vermeiden. Es war ein dummer Rennunfall, aber so ist das Leben." Kubica machte keine Schuldzuweisungen. "Es ist schwer zu sagen, wer schuld war", sagte er. "Er war vielleicht etwas optimistisch."
In der ersten Emotion funkte Vettel an sein Team: "Ich bin ein Idiot, es tut mir sehr, sehr leid." Christian Danner meint, dass er da gar nicht so unrecht habe, die Schuld aber durchaus 50:50 verteilt sei. Vettel hätte Kubica ziehen lassen können, der Pole hätte seinerseits an einer anderen Stelle angreifen können. "Wenn er zwei Sekunden schneller ist, muss er es nicht auf dem letzten Drücker probieren", so Danner.
So sah es auch Michael Schumacher: "Im Prinzip hat sich Robert Kubica selbst geschadet, er war sowieso schnell genug unterwegs und hätte auch später überholen können. Aber so ist nun mal Rennsport." Die Rennkommissare sahen es ganz anders und belegten Vettel mit einer Strafversetzung um 10 Plätze für Malaysia.
Warum flog Piquet ab?
Im ersten Moment sah es so aus, als ob Nico Rosberg den Brasilianer abgeschossen hätte. Dem war aber nicht so. Es gab keinerlei Berührung zwischen dem Williams und dem Renault. "Als ich vor der ersten Kurve auf die Bremse stieg, drehte ich mich und rutschte geradeaus ins Kiesbett", erklärte Piquet, der sich im Funk darüber beschwert hatte, dass seine Bremsen "verrückt" gespielt hätten. "Der Unfall von Nelson passierte aufgrund eines Problems im Bremssystem", bestätigte Pat Symonds. "Bis jetzt wissen wir aber noch nichts Genaueres."
Warum wurde Trulli bestraft?
Auf dem Podium war Jarno Trulli noch ausgelassen, danach nicht mehr. Die Rennkommissare brummten ihm eine 25-Sekunden-Zeitstrafe auf, die ihn auf Rang 12 zurückwarf. Der Auslöser: Nachdem er in der Safety-Car-Phase von der Bahn abgekommen und von Lewis Hamilton überholt worden war, ging er wieder am Briten vorbei - was verboten ist. "Als das Safety Car gegen Ende des Rennens herauskam, überholte mich Lewis Hamilton, aber dann wurde er plötzlich langsamer und zog zur Seite herüber", sagte Trulli. "Ich dachte, dass er ein Problem hätte und überholte ihn. Ich konnte nichts weiter machen." Toyota ging gegen die Bestrafung in Berufung.
Wieso irrte Fisichella durch die Boxengasse?
In Runde 20 kam Giancarlo Fisichella zu seinem ersten Boxenstopp herein. Plötzlich flogen Teile und herrschte Chaos. "Ich bin mit der Anordnung der Boxencrew in der Pitlane aus dem letzten Jahr durcheinander gekommen", erklärte Fisichella, dessen Force India Team 2009 die vorletzte Box belegt.
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