Der amerikanische Astronaut Michael Collins hat in vielen Interviews immer wieder zugegeben, dass er an einem der größten Tage der Menschheit "der einsamste Mensch der Welt" war. Während seine Kollegen Neil Armstrong und Buzz Aldrin den Mond betraten, kreiste Collins im Apollo 11-Raumschiff um den Erdtrabanten, um die beiden Helden danach wieder sicher zur Erde zu bringen. Und Collins war selbst mehrmals auf der Liste gestanden, der erste Mann auf dem Mond zu werden.

Bourdais im Orbit

Foto: GEPA
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So ähnlich muss es wohl Sebastién Bourdais am Wochenende in Monza gegangen sein. Während sein Teamkollege Sebastian Vettel eine noch nie dagewesene Sternstunde hinzauberte, fuhr der Franzose als 18. über die Ziellinie. Und das nach Platz 4 im Qualifying - das alleine wäre schon eine Toro Rosso-Sternstunde gewesen. Wenn sich kein Gang einlegen lässt und die Kiste dann einfach ausschaltet, dann kann man dem Fahrer im Normalfall auch keinen Vorwurf machen.

"Gremlins" nennen die Mechaniker solche scheinbar unerklärbaren technischen Probleme. Und als ob das nicht genug wäre: Ausgerechnet in dem Rennen wird hinter dem Safety Car gestartet. Sprich: Es gibt keine Aufwärmrunde, in der man etwa 3 Minuten Zeit hätte, das Problem hinzukriegen. In dem Fall hätte sich Bourdais mit etwas Glück nämlich einfach hinten angestellt. Bei seiner Pace wäre da immer noch eine Platzierung nahe des Podiums drin gewesen. Und all das, nachdem schon sein voriges Rennen in letzter Sekunde noch flöten ging. Durchgehend auf Rang 4 und dann der große Verlierer des Last-Minute-Regens in Spa. Manchmal kommt's echt knüppeldick!

No-Bullshit-Man

Ich gestehe, ich halte Bourdais für einen großartigen Rennfahrer. Nicht, dass er der größte Showman auf dem Planeten wäre. Aber er ist ein absoluter No-Bullshit-Mann. Die Art und Weise, wie er sich in der ChampCar-Serie vor keinem Fight versteckt hat, hat mich beeindruckt. Bourdais hat immer den Mund aufgemacht, wenn es nötig war.

Wohin geht es für Sebastien Bourdais?, Foto: GEPA
Wohin geht es für Sebastien Bourdais?, Foto: GEPA

Wenn Fahrer unfair waren (und der geschätzte Leser darf mir glauben, so wie es da in den USA teilweise zuging, hätte die FIA bei jedem Rennen ein halbes Teilnehmerfeld disqualifiziert) dann ging er auf Konfrontation. Und wurde teilweise übel ausgebuht. Oder Konkurrenten machten ihn als "French Whine" (also etwa: französische Heulsuse) runter. Unterm Strich hat er sie aber alle vermöbelt - vier Mal hintereinander. Vier Jahre lang.

Auf Kriegsfuß mit dem STR3

Was ist also das Problem? Mit dem alten STR2 lagen Vettel und Bourdais eigentlich gleichauf. Das Quali-Duell stand 4:5, Bourdais holte die Punkte, die Toro Rosso am Jahresanfang am Leben erhielten. Aber dann kam der neue STR3 und seither sieht er wenig Land gegen den Deutschen. Wie andere auch bringt er die Reifen nicht so schnell zum Arbeiten. Und seit Monza sind Bourdais' Chancen auf einen Verbleib in der Formel 1 mit einem Schlag drastisch gesunken. Denn wem einmal der Makel des Pechvogels anhaftet, der hat am Transfermarkt schlechte Karten.

Auch in der Formel 1 fallen Personalentscheidungen immer noch nach dem Bauchgefühl. Rein objektiv ist Bourdais nämlich ein Top-Rookie: Punkte beim Debüt, in Spa auf Podiumskurs, zuletzt regelmäßig in Q3 des Qualifyings. Und das im Toro Rosso, vormals Minardi. Da haben wir schon schlechteres gesehen. Auch im direkten Duell schneidet er durchaus passabel ab. Wenn Sebastian Vettel ein Naturereignis ist, dann ist Bourdais immer noch ein sehr guter, reifer Grand Prix-Pilot.

Das Andretti-Syndrom

Ich bin mir sicher, dass die Personalentscheidung bei Toro Rosso noch nicht gefallen ist. Gerhard Berger kann sich jetzt erst recht Zeit lassen. Die Besten am Markt kommen ohnehin freiwillig und bitten um ein Gespräch. Ein wenig erinnert mich die Bourdais-Situation an Michael Andretti im Jahr 1993. Der war in den USA auch ein Gigant. Und fuhr in seiner ersten Saison sogar aufs Podium, nur um vorzeitig die Koffer packen zu müssen.

Welches Schicksal blüht Vettels Schattenmann?, Foto: GEPA
Welches Schicksal blüht Vettels Schattenmann?, Foto: GEPA

Das Problem waren weniger Andrettis Leistungen, sondern sein Teamkollege - ein gewisser Ayrton Senna, der im unterlegenen McLaren Übermenschliches leistete. Ähnlich ist die Situation bei Nick Heidfeld, dessen Karriere heuer durch Robert Kubica den Genickschlag erlitten hat. Die englischen Kollegen sprechen von ihm schon als Nick "always the bridesmaid, but never the bride". Soll etwa heißen: der ewige Zweite, aus dem nie was wird.

Faktor Mensch

Das Schöne an der ganzen Sache: Es zeigt, dass der Faktor Mensch in der Formel 1 noch existiert. Die Stimmung in einem Team kann ab einem gewissen Punkt sehr in Richtung eines Fahrers ausschlagen. Da sitzen dann schon mal die Ingenieure beim Heimflug und vermeiden das Gespräch mit dem glücklosen Piloten. Irgendwann muss es halt raus. Und dann sind die "soft skills" eines Piloten gefragt. Gut möglich, dass Bourdais bei Toro Rosso von einem Jahrhundert-Talent vernichtet worden ist. Aber da wären noch einige andere Cockpits zu vergeben.

Aus der GP2 drängt sich keiner wahnsinnig auf. Vielleicht wird ja bei Renault noch was frei. Vielleicht passt ein Franzose da besser ins Konzept als der nächste Flavio-Schützling. Vielleicht erinnert man sich dort sogar daran, dass Sebastién vor vielen Jahren dort mal offizieller Testfahrer war. Oder vielleicht kriegt sein vielgerühmter Manager Nicolas Todt irgendwo anders noch eine Tür auf. Nächstes Jahr gibt's endlich wieder Slicks. Kein anderer Pilot ist die letzten Jahre so viel auf Slicks unterwegs gewesen. Ich finde, Sebastién Bourdais hat seine zweite Chance in der Formel 1 verdient.