Dietrich Mateschitz, Jean Todt und Flavio Briatore haben unterschiedliche Ansichten und völlig andere Ziele; doch eins haben sie gemeinsam: Sie sehen derzeit nur drei absolute Top-Fahrer in der Formel 1 - Fernando Alonso, Kimi Räikkönen und Michael Schumacher.
Für die Saison 2007 träumt die gesamte F1-Welt von einer Traum-Fahrerpaarung. Dabei scheint es keine Rolle zu spielen, ob es nun das rote Duo Schumacher und Räikkönen oder das silberne Pärchen Alonso und Räikkönen wird. Die Hauptsache ist: Zwei der drei besten Rennfahrer der Gegenwart sollen sich mit gleichem Material in einem Team einen Kampf um Siege und bestmöglich den Titel liefern.
Am Ende könnte die Realität jedoch wieder einmal ganz anders aussehen. Statt einer der beiden Traumpaarungen, könnte es zum großen Top-Cockpittausch kommen: Fernando Alonso zu McLaren Mercedes und Kimi Räikkönen zu Renault.
Aber würden die beiden Titelrivalen der Saison 2005 mit dem jeweils anderen Arbeitsgerät genauso gut zurechtkommen und vor allem genauso erfolgreich sein? Angesichts der unterschiedlichen Fahrstile und der verschiedenen Charakteristiken der Autos, darf zumindest darüber spekuliert werden...
"Natürlich darf man von den höchstbezahlten Rennfahrern der Welt verlangen, dass sie mit jeder denkbaren Eigenschaft eines Autos umgehen können", sagt Gerhard Berger. "Das ändert aber nichts daran, dass im Extrembereich einer Qualifikationsrunde einzelne Fahrer mit speziellen Auto-Eigenschaften besser oder schlechter zurechtkommen. Je näher Fahrertyp und Auto verwandt sind, umso weiter kann sich ein Fahrer seinen ultimativen Reflexen ausliefern, weil alles auf der gleichen Linie seines Wesens liegt."
Wie also sieht das im Fall von Fernando Alonso aus? Wie geht der amtierende Weltmeister mit dem R26 um? Die Antwort ist einfach: Wie kein anderer. Alonso entwickelte einen ihm eigenen Fahrstil, der seinen Teamkollegen Jarno Trulli und Giancarlo Fisichella viel zu knabbern gab. Beide kamen nicht über Achtungserfolge im Duell gegen den Spanier hinaus.
"Er fuhr mit einem Auto, das um ihn herum entwickelt wurde und anders gefahren werden musste als ich es mit meinem Fahrstil gewohnt war", sagte Fisichella über den weltmeisterlichen R25, der im Alonso-Stil und nicht im Fisichella-Stil gefahren werden musste.
Wie sieht nun dieser Alonso-Stil aus? Aus der Cockpitkamera erkennt man zunächst ein abruptes Einlenken. Alonso bewegt das Lenkrad am Kurveneingang schneller und stärker als alle anderen Piloten. Dennoch verursacht er damit kein Übersteuern. Das Auto schiebt aber auch nicht über die Vorderachse; es gibt also auch kein Untersteuern. Der Renault bleibt völlig neutral - eine rare Eigenschaft bei einem Rennauto.
Seinen Bremsvorgang hat der Weltmeister perfekt an das Einlenken angepasst: Er berührt die Bremse zunächst nur leicht und tritt dann härter als die meisten anderen aufs Bremspedal. Dieser präzise und berechnende Fahrstil ermöglicht es ihm genau dann einzulenken, wenn er weniger stark auf der Bremse steht. Auch jetzt zeigt der Renault weder Unter- noch Übersteuern. Er bleibt neutral.
Der gesamte Brems- und Einlenkablauf sieht wie folgt aus: Alonso fährt mit höherer Endgeschwindigkeit in die Kurve, bremst spät, ist am Scheitelpunkt der Kurve am langsamsten, vollzieht einen schnellen Richtungswechsel und kann nun in gerader Linie mit Vollgas herausbeschleunigen.
"Man muss sich zu jedem Zeitpunkt an die Charakteristik des Autos anpassen. Aber manchmal hat man schon das Gefühl, dass man das Auto zu etwas zwingt", sagt Fernando über das Zusammenspiel zwischen Fahrer und Auto. "Wenn man etwa starkes Untersteuern hat und eine Kurve sehr hart anbremst, um die Vorderreifen um die Ecke zu bringen, oder wenn man sehr hart aufs Gas geht, um es fast zum Ausbrechen zu bringen und möglichst schnell für die nächste Gerade auszurichten. Manchmal tut einem das Auto sogar ein bisschen Leid."
Aber manchmal entsteht auch das "perfekte Feeling" zwischen dem Auto und dem Fahrer. "Man tut genau das, was man will und das Auto reagiert entsprechend, gibt dir die perfekte Antwort auf das, was man von ihm verlangt."
Fernando Alonso denkt über all dies nicht nach. Für ihn ist es völlig normal neutral zu fahren - aber würde das auch mit einem weniger guten Auto oder einem anderen Boliden mit einer anderen Charakteristik funktionieren?
Im nächsten Jahr muss er mit dem MP4-22 zurechtkommen. Dieser wird der erste Nicht-Newey-McLaren seit vielen Jahren sein. Vielleicht bringt dies eine neue technische Richtung mit sich und vielleicht gibt dies Alonso die Möglichkeit seinen neutralen Fahrstil in die Fahrzeug-Charakteristik zu integrieren.
Derzeit ist das Auto noch auf seinen aktuellen Nummer 1-Lenker angepasst. "Der MP4-20 ist sehr gut in schnellen Kurven und sehr stabil beim Bremsen", sagte Kimi Räikkönen über das schnellste Auto der Saison 2005. "Es ist schwierig etwas zu nennen, das nicht gut daran ist." Sein Teamkollege Juan Pablo Montoya muss da nicht lange nachdenken.
"Jeder McLaren den ich bisher gefahren bin, fühlte sich nicht ganz ausbalanciert an", klagt der Kolumbianer. "Hauptsächlich gab es Untersteuern. Wir konnten es einfach nicht loswerden. Verstehen Sie das nicht falsch: Es waren alles schnelle Autos, sowohl der MP4-20 als auch der MP4-21. Es ist fast schon komisch, wenn ich mit einem Williams so viel Untersteuern gehabt hätte, wäre ich im Nirgendwo gelandet. Im absoluten Nirgendwo. Aber selbst mit diesem großen Untersteuern, waren meine McLaren immer sehr schnell."
Seinem Stil lagen sie aber nicht. "Ich wäre noch schneller, wenn das Auto einfacher zu fahren wäre. Das Untersteuern macht es ziemlich schwierig. Ich musste lernen meinen Fahrstil daran anzupassen. Im letzten Jahr versuchte ich zuerst das Auto in meine Richtung zu bewegen, aber es hat nicht funktioniert. In diesem Jahr versuche ich mich an das Auto anzupassen." Bislang mit mäßigem Erfolg.
Räikkönen scheint unterdessen keine Probleme mit dieser Charakteristik zu haben - seine Probleme sind die Zuverlässigkeit und der Speed des Autos. "Nein, aber Pedro sagt das gleiche wie ich", nennt Montoya mit Testfahrer Pedro de la Rosa einen Verbündeten. "Er würde auch weniger Untersteuern bevorzugen. Alle außer Kimi sagen das gleiche und wir haben alle Probleme damit. Das Untersteuern ist immer noch ein einschränkender Faktor."
Wie schwierig es sein kann, ein Auto zu übernehmen, das an den Fahrstil eines anderen Piloten angepasst wurde, erlebten Jean Alesi und Gerhard Berger, als sie 1996 die Nachfolge von Michael Schumacher bei Benetton antraten. "Im Charakter unserer Autos war Übersteuern beim Einlenken sozusagen aerodynamisch einkonstruiert", erinnert sich Berger.
"Bevor es zur ersten Massage im Benetton-Motorhome kam, schmiss ich schon das weltmeisterliche Auto hinaus", schreibt der Österreicher in seinem Buch 'Zielgerade'. "Der Wagen war einfach ausgebrochen - und weg -, so schnell konnte ich gar nicht schauen."
Zwei Crashs später, hatte Berger das Problem ausgemacht: "Das Auto ging bei full speed auf Bodenwellen 'in stall', wie ein Flugzeug, bei dem die aerodynamische Wirkung abrupt abreißt. War diese Bodenwelle in einer schnellen Kurve, dann konnte der Wagen übersteuernd ausbrechen."
Diese Eigenschaft des B196 war sicherlich nicht neu. Auch Schumachers Teamkollege Johnny Herbert war 1995 ein paar Mal abgeflogen. "Michael Schumacher hatte eine Art übersinnlichen Reflex für die Situation", lobt Berger. "Er nahm das Gegenlenken auf der Boxenwelle automatisch vorweg, hatte diesen Ablauf schon in sich gespeichert. Spätestens zu diesem Zeitpunkt nahm ich den letzten Rest von Reserviertheit gegen Michael Schumacher zurück: Wer dieses Auto auch im Grenzbereich so souverän im Griff hatte, musste absolute Extraklasse sein."
So wie Fernando Alonso und Kimi Räikkönen, die mit ihrer Extraklasse ihren Teamkollegen auf und davonfahren. Zwar mit einem unvergleichlich besseren und schnelleren Auto, als es Bergers B196 jemals gewesen ist - aber auch mit einem Fahrstil, den sonst niemand imitieren kann...
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