Es mag seltsam klingen: Aber wenn an den immer wieder geäußerten Behauptungen, zumindest ein Teil der Red-Bull-Teamführung wolle Sebastian Vettel intern bevorzugen und ihm auf dem Weg zum WM-Titel helfen, je auch nur ein Hauch von Wahrheit dran gewesen sein sollte - bis jetzt scheint eher das Gegenteil zu passieren.
Christian Horner, mit 36 Jahren der jüngste Teamchef in der Formel 1, und seine "Mitstreiter" müssen versuchen, den Worst Case zu verhindern: Dass Red Bull trotz technischer Überlegenheit den WM-Titel in diesem Jahr doch noch verliert, weil der Stallkrieg zwischen Mark Webber und Sebastian Vettel immer weiter eskaliert, allen gegensätzlichen Beteuerungen, Versöhnungserklärungen und vorsichtig verklausulierten Entschuldigungen zum Trotz.
Und Vettel muss sich nicht nur mit seinem Gegner auf der Strecke auseinandersetzen, sondern bekommt in diesem Krieg auch noch ein negatives Image angehängt, das er überhaupt nicht verdient.
Hausgemachter Krieg
Ein Krieg, der zum großen Teil hausgemacht ist - auch, weil die Teamführung, aufgespalten zwischen Horner, Dr. Helmut Marko und Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz, der sich ja hin und wieder auch noch öffentlich einmischt, zum Teil mehr als unglücklich agiert. Seit der Kollision zwischen Vettel und Webber in Istanbul ist bei Red Bull in Wahrheit nie mehr wirklich Frieden eingekehrt.
Webber ärgerte sich weiterhin darüber, dass er dort die Anweisung bekommen sollte, den schnelleren Vettel nicht weiter aufzuhalten - die ihm sein Renningenieur dann nicht weitergab, was wiederum Vettel nicht wusste - mit dem Ergebnis der Crashs. Auch wenn die Red-Bull-Chefs, vor allem Horner, diese Tatsache eine gute Woche später unter Druck der englischen Medien dementierten - die Fakten waren da, Webber sauer, weil er sich als Nummer zwei fühlte, Vettel dann auch ein bisschen, weil er öffentlich im Regen stehen gelassen wurde, sogar von Dr. Helmut Marko, dem Red Bull-Motorsportdirektor und damit direkten verlängerten Arm von Red Bull-Chef und Geldgeber Dietrich Mateschitz.
Von der Mücke zum Elefanten
Und in Silverstone wurde aus der "Mücke" eines Frontflügels, den Webber am Freitag ja noch nicht einmal unbedingt haben wollte, weil er keinen Fortschritt für sich darin erkennen konnte, als dann am Samstag plötzlich nur noch einer da war, auf einmal für den Australier ein Elefant. Offensichtlich viel mehr aus Prinzip denn aus rein sportlich-technischen Gründen.
Webber sah jedenfalls mal wieder die österreichische Achse Marko-Mateschitz am Werk, glaubte, dass von dort aus Druck auf Horner ausgeübt worden sei, ihm den Flügel wegzunehmen. Den in diesem Fall durchaus nachvollziehbaren Argumenten Horners für seine Entscheidung war der Australier entweder nicht zugänglich - oder aber, auch das ist natürlich möglich, sie wurden ihm erst einmal gar nicht vernünftig mitgeteilt. Mateschitz sprach im Nachhinein von Kommunikationsproblemen - intern und nach außen - es wäre nicht das erste Mal gewesen.
Webber sieht sich von der Schiene Mateschitz und vor allem Marko, die er eindeutig als Vettel-Unterstützer ausgemacht haben will, ständig bedroht. Ein Punkt, von dem sich der Australier offenbar so angegriffen fühlt, dass er seinerseits ununterbrochen vor allem bei den englischen Journalisten, die ihm teilweise "aus der Hand fressen", intrigiert - allerdings nicht gegen Marko, sondern gegen Vettel.
Kopf hin halten
Und damit hat er Erfolg - zumindest in der Beziehung, dass Sebastian öffentlich mal wieder den Kopf für Dinge hinhalten muss, für die er gar nichts kann. Er machte von sich aus am Samstag in Silverstone schließlich keinen Druck, den neuen Flügel unbedingt zu bekommen, er besteht nicht auf festgelegten Nummer-1-Privilegien in seinen Verträgen, im Gegensatz zu anderen... Dass er dann allerdings nicht Nein sagt, wenn das Team so entscheidet, ist doch logisch - vor allem, weil er mit seinem anderen Fahrstil im Gegensatz zu Webber schon eine Verbesserung darin erkannte.
Im Ernst zu verlangen, Vettel hätte eben von sich aus auf das Teil verzichten sollen, ist völlig realitätsfremd. Und genauso scheinheilig wie die Kommentare von McLaren-Chef Martin Whitmarsh, der behauptete, so etwas würde es in seinem Team nie geben, da würde man ein neues Teil, wenn es nur einmal da sei, eben lieber gar nicht einsetzen, als einen Fahrer zu benachteiligen. Man frage einmal Heikki Kovalainen...
Erstaunlich ist, wie ruhig und abgeklärt Sebastian Vettel mit seinen 23 Jahren bis jetzt in dem ganzen Theater bleibt. Er denkt nicht daran, noch weiter Öl ins Feuer zu gießen. "Für mich ist das Wichtigste, dass man sowohl auf der Rennstrecke als auch neben der Rennstrecke immer den nötigen Respekt voreinander hat."
Seine einzige Erkenntnis: "Manchmal lernt man Leute kennen, sowohl in guten als auch in schlechten Situationen und zieht seine Schlüsse daraus." Für ihn sei das Wichtigste "die Atmosphäre im Team". Denn er weiß ganz genau, wo die größte Herausforderung liegt: "Wir haben ein sehr starkes Auto und können uns eigentlich nur selbst im Weg stehen."
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