Am 5. Mai 2011 war es perfekt: Volkswagen verkündete im Vorfeld der Rallye Sardinien die Rückkehr in die WRC. Für das Projekt mussten große Opfer gebracht werden - zum Beispiel der Ausstieg aus der Rallye Dakar. Doch der damalige Motorsportdirektor Kris Nissen sah in der Königsklasse des Rallye-Sports viel Potenzial und die wichtigen Märkte für Volkswagen abgedeckt.
Viele glaubten an das ehrgeizige Projekt der Wolfsburger. So auch Jacky Ickx, der seit vielen Jahren eng mit Volkswagen verbunden ist und die Arbeitsabläufe kennt. "Sie werden erfolgreich sein, da sie den Kampfgeist dazu haben", sagte er gegenüber Motorsport-Magazin.com. Ob er wusste, dass er so schnell Recht bekommen würde?
Carlos Sainz, seinerseits selbst zwei Mal Weltmeister in der WRC und mit Volkswagen bei der Rallye Dakar erfolgreich, wurde als Testfahrer für das Team eingesetzt. Seine Erfahrung ist ein maßgeblicher Bestandteil des Erfolges, den er so schnell nicht auf der Rechnung hatte: "Ich bin mir sicher, dass VW von Beginn an versuchen wird, konkurrenzfähig zu sein. Aber Gewinnen ist eine andere Geschichte", erklärte er Motorsport-Magazin.com nach dem Einstieg der Wolfsburger.
Am 28. Juni 2011 gab es den ersten Rückschlag zu verzeichnen. Volkswagen hatte nie ein Geheimnis daraus gemacht, den Dakar-Sieger von 2011, Nasser Al-Attiyah, gerne im Team zu haben. Der Katari war zu diesem Zeitpunkt in der heutigen WRC2 unterwegs. Als er aber erfuhr, dass er nicht gemeinsam mit Volkswagen seinen Titel bei der Dakar verteidigen können würde, entschied er sich gegen das Angebot und fuhr mit Citroen.
Am 22. August 2011 gab es den nächsten Paukenschlag. Volkswagen verpflichtete den ehemaligen F1-Sauber-Mann Willy Rampf als neuen Technischen Direktor. Er sollte die Strukturen des Werksteams für das neue Engagement in der FIA Rallye-Weltmeisterschaft optimieren und vorrangig den Polo R WRC entwickeln.
Ende September 2011 präsentierte Volkswagen im Rahmen der Automesse IAA den neuen Polo R WRC. Das Auto war zu diesem Zeitpunkt einsatzbereit und die ersten Testfahrten ließen nicht mehr lange auf sich warten.
In den Weinbergen von Veldenz bei Trier war es Anfang November 2011 soweit. Der Polo R WRC absolvierte seine ersten Testkilometer in den Weinbergen, die jeder WRC-Fan von der Rallye Deutschland kennt. Der erste Polo verkörperte eine Vorstufe des späteren Einsatzfahrzeuges und wurde in den kommenden Monaten als Testträger für diverse Bauteile, beispielsweise für Motoren, Getriebe oder Fahrwerkskomponenten genutzt. Carlos Sainz, der die Jungfernfahrt übernehmen durfte, war beeindruckt: "Für ein Rallyeauto der neuen Generation hat er sich stark angefühlt."
Am 1. Dezember 2011 erhielten alle Volkswagen-Fans ein vorzeitiges Weihnachtsgeschenk: Sebastien Ogier unterschrieb einen mehrjährigen Vertrag mit dem Team und wechselte mit sofortiger Wirkung von Citroen zu den Wolfsburgern. "Volkswagen ist die Nummer eins in Europa und bald in der Welt", nannte Ogier damals seine Gründe. Kurz nach dem Wechsel fragte Motorsport-Magazin.com in einer Umfrage nach dem Potenzial der Kombination und 48 Prozent der User waren überzeugt, dass Ogier mit VW den Titel holen kann.
2012 ging Sebastien Ogier gemeinsam mit Andreas Mikkelsen und Kevin Abbring, die sich abwechselten, für Volkswagen an den Start. Wie bereits im Jahr zuvor diente der Skoda Fabia S2000 als Einsatzfahrzeug. Wenngleich Ogier wusste, dass mit diesem Auto Siege nicht möglich sind, nutzte er die Saison, um seinen Aufschrieb zu verbessern und Erfahrungen zu sammeln.
Anfang März 2012 standen die ersten richtigen Testfahrten mit dem Polo R WRC auf dem Programm, die gemeinsam von Carlos Sainz und Sebastien Ogier absolviert wurden. Auf einer Teststrecke in Spanien bereiteten die beiden Piloten den Rallye-Boliden auf die Herausforderung Schotter vor. Insgesamt 700 Kilometer spulte das Duo ohne Probleme ab.
Anfang Mai wurden in Wolfsburg die Weichen für die Zukunft gestellt. Jost Capito trat offiziell das Amt des Volkswagen-Motorsportdirektors an. Ende März hatte Kris Nissen, der maßgeblich zum Einstieg in die WRC beitrug, nach knapp zehn Jahren seinen Rücktritt erklärt.
Im Juli 2012 lagen weitere Tests auf Schotter als auch Asphalt hinter dem VW-Team und Pilot Sebastien Ogier wirkte optimistisch. "Wir müssen noch überall ein bisschen Arbeit hineinstecken: Motor, Getriebe und Aufhängung. Ich kann nicht sagen, dass irgendetwas perfekt ist, aber ich bin zufrieden damit, wo wir im Moment stehen."
Am 17. Oktober 2012 der nächste Paukenschlag. Neben Sebastien Ogier hat sich Volkswagen Jari-Matti Latvala als zweiten Piloten ins Boot geholt. Der Finne gilt zwar als der Crash-König der WRC, doch als ebenso schnell. "Dass ein weiterer Spitzenfahrer an unseren Erfolg glaubt und zu uns wechselt, ist eine zusätzliche Motivationsspritze für jeden Mitarbeiter unseres Teams", freute sich Motorsportdirektor Jost Capito.
Bei der Rallye Sardinien im Oktober 2012 setzt Sebastien Ogier ein Ausrufezeichen. Mit dem deutlich unterlegenen Skoda Fabia S2000 gelang dem Franzosen die erste Bestzeit eines S2000-Boliden in der Geschichte der Rallye-Weltmeisterschaft. In der Endabrechnung belegte Ogier den fünften Gesamtrang und unterstrich sein fahrerisches Können.
Ende November ging es für Volkswagen nach Mexiko, um finale Schotter-Tests vor dem Saisonstart zu absolvieren. Neben Sebastien Ogier war auch erstmals Jari-Matti Latvala mit an Bord. Der Finne wurde allerdings erneut seinem Ruf gerecht und kollidierte mit einem Zivilistenfahrzeug. Glücklicherweise wurde niemand ernsthaft verletzt und Volkswagen konnte die Tests fortsetzen.
Mitte Dezember wurde es dann noch einmal ernst: Vor der versammelten Presse stellte das Team in Monte Carlo erstmals den fertig lackierten und präparierten Wagen der Weltöffentlichkeit vor.
Der Startschuss in eine neue Ära fiel am Mittwoch, den 16. Januar 2013 bei der Rallye Monte Carlo. Der Einstand hätte nicht besser gelingen können, denn bereits auf der ersten Prüfung fuhr Sebastien Ogier zur Bestzeit. Am Ende reichte es für den zweiten Gesamtrang hinter Sebastien Loeb, doch Ogier strahlte und war zufrieden. Jari-Matti Latvala sah das Ziel nicht, da er eines der Opfer der schwierigen Bedingungen am Col de Turini wurde.
Am 10. Februar 2013 ist es Wahrheit: 647 Tage nach der Bekanntgabe des Einstiegs fährt Volkswagen zum ersten Sieg. Sebastien Ogier gewinnt zehn von zweiundzwanzig Wertungsprüfungen und lässt bei der Rallye Schweden Sebastien Loeb und den Rest des Feldes hinter sich - bei der zweiten Rallye nach dem Einstieg!
Am 3. Oktober 2013 wird ein Traum Wirklichkeit, den niemand zu Beginn der Saison auszusprechen wagte. Sebastien Ogier feierte durch Rang drei in der Power Stage in Frankreich den Titel. Volkswagen gewinnt drei Rallyes vor Saisonende im Premierenjahr dominant den Fahrer-Titel.
Nur eine Rallye später in Spanien ist wieder Zeit zum Feiern. Volkswagen bejubelt nach dem Fahrer-Titel auch noch die Hersteller-WM. Alle Titel im ersten Jahr und perfekter Durchmarsch!
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