Nico Rosberg: Galt er bislang eher als guter Qualifying-Fahrer, hat der Wiesbadener den Kritikern endlich zeigen können, dass er es auch im Rennen drauf hat. Im 111. Anlauf gelang ihm nicht nur der erste Karrieresieg, sondern es wurde auch der erste Triumph des Mercedes-Werksteams seit der Übernahme des Brawn-Rennstalls. Von Anfang an hatte er alle Gegner inklusive des Teamkollegen mit seinem Speed im Griff, auch der frühe Boxenstopp Buttons brachte ihn nicht aus dem Konzept. Stand er unter Druck, konnte er stets eine Schippe nachlegen. Von vielen Experten stets zu den besten Fahrern im GP-Zirkus gezählt, rechtfertigte der frühere GP2-Meister nach langer Durststrecke diese Einschätzung. Der kleine Fahrfehler in der Spitzkehre, der etwa zwei Sekunden gekostet hat, blieb ohne Folgen, hätte aber entscheidend sein können, wäre bei Button alles glatt gelaufen.
Jenson Button: Der Engländer muss sich mit dem Was-wäre-wenn-Szenario begnügen. Der missglückte dritte Boxenstopp warf ihn hoffnungslos mitten in die Kampfgruppe um Platz zwei zurück und verhagelte ihm den möglichen Sieg. Bis zu jenem Problem beim Reifenwechsel war der Kampf um den Sieg völlig offen, den er und Rosberg mit unterschiedlichen Strategien ausfochten. Seine fahrerische Leistung war wieder einmal einwandfrei. Mit Rennintelligenz und fast stoischer Ruhe wühlte er sich im letzten Rennviertel durch die Reihen der Konkurrenz und beendete das Rennen als Zweiter. Eine Weltmeisterschaft ist lang, wieder hat der Weltmeister von 2009 wichtige Punkte geholt. Manch anderer hätte in dem harten Kampf am Ende wohl sein Auto zerstört…
Lewis Hamilton: Die Strafversetzung im Qualifying wirkte sich am Ende schlimmer aus, als es sich Team und Fahrer ausgemalt haben: Der Weltmeister von 2008 blieb im Verkehr stecken. Vom Teamkollegen, dessen Boxenstopp in die Hose ging, geschlagen zu werden, kann einen Hamilton nicht zufriedenstellen. Viel konnte er dafür nicht; ohne die Strafversetzung wegen des Getriebewechsels wäre er ein Siegkandidat gewesen. So konnte er seine Zweikampfstärke unter Beweis stellen, bei der auffiel, dass er nun deutlich besonnener agiert. Berührungen mit Kontrahenten blieben aus und trotzdem zeigte der Engländer eine ganze Reihe hervorragender Überholmanöver. Aus seinen Fehlern scheint er gelernt zu haben.
Mark Webber: Zwar landete er vor Sebastian Vettel, doch das interessierte den Australier wenig. Mit Rang vier fuhr er den Red Bull dorthin, wo er vom Speed her hingehört - leicht hinter McLaren. Dennoch bleibt der Eindruck, dass Vettel aus dem Rennen mehr gemacht hat als Webber, dessen aggressive Drei-Stopp-Strategie mit extrem frühen Stopps ihn hinten heraus zum gefundenen Fressen für Hamilton machte. Seinen Teamkollegen, der wegen der Zwei-Stopp-Strategie auf noch älteren Reifen unterwegs war, überholte er in einem sehenswerten Manöver außen herum in der Spitzkehre. Das gibt einen Extrapunkt für Kampfgeist von der Redaktion.
Sebastian Vettel: In Anbetracht seines Startplatzes holte der amtierende Weltmeister ein ausgezeichnetes Resultat. Dass ein fünfter Platz dieses Prädikat erhält, zeigt aber bereits, dass Red Bull kleinere Brötchen backen muss. Der verpatzte Start, der Vettel bis auf Rang 14 zurückwarf, lässt sich von zwei Seiten betrachten: Einerseits lässt dieser das Resultat noch eindrucksvoller erscheinen, andererseits hat Vettel das Losfahren von der Linie tüchtig vermasselt, was er nach dem Rennen auch direkt zugab. Beim Überholmanöver gegen Hamilton zog Vettel zu spät nach rechts, der furchtlose Engländer konnte sich am rechten Fahrbahnrand auf der Innenbahn doch noch vorbeiquetschen. Den McLaren-Piloten hätte er aber ohnehin nicht halten können. Die Zweistoppstrategie erwies sich als richtig und Vettel zeigte wieder, dass der Red Bull auch mit altem Auspuff im Rennen stärker ist als im Qualifying.
Romain Grosjean: Der Franzose versucht weiterhin, sich mit harten Manövern Respekt zu verdienen. Im Kampf gegen Webber und Hamilton, die beide auf klar frischeren Reifen waren, machte er einen Fehler und hielt anschließend Pastor Maldonado mit einem harten Manöver hinter sich. Dennoch fuhr er ein gutes Rennen und konnte sich die Reifen weit besser einteilen als Kimi Räikkönen. Im dichten Gedränge in der Kampfgruppe, die zwischenzeitlich bis Rang zwei nach vorne reichte, behielt er die Übersicht und konnte endlich eine Zielankunft verbuchen. Dazu schlug er den Teamkollegen, der immerhin Weltmeister ist.
Bruno Senna: Wie schon in Malaysia holte Senna auch in China ein ordentliches Punkteergebnis. Mit der Zwei-Stopp-Strategie setzte Williams auf das richtige Pferd und der Brasilianer konnte die Früchte ernten. Eine kleine Kollision mit Massa in der ersten Kurve hatte keine Folgen. Den mit abbauenden Reifen strauchelnden Alonso konnte sich Senna ohne Probleme schnappen, den Teamkollegen, der ihn im Qualifying um sechs Tausendstelsekunden geschlagen hatte, konnte er im Rennen mit einer Sekunde Vorsprung hinter sich lassen. Zwischen den beiden Williams-Piloten dürfte es diese Saison noch hoch hergehen, das Team ist mit beiden Piloten zu Recht zufrieden.
Pastor Maldonado: Die knappe teaminterne Niederlage hat sich der Venezolaner wohl durch seinen Start zuzuschreiben, als es für ihn erst einmal zurückging. Da es für ihn schwierig war, auf der Strecke zu überholen, tat der Platzverlust doppelt weh. Im Laufe des Rennens beeindruckte er sein Team mit Kampfgeist: "Er ist ein echter Kämpfer", lobte ihn Laurent Debout vom Motorenlieferanten Renault. Auch für Maldonado ging es gegen Ende des Rennens noch nach vorne, als Alonso mit seinen Reifen haderte, während beide Williams-Piloten ihr Reifenmaterial erfolgreich schonten, wofür es reichlich Anerkennung von Chefingenieur Mark Gillan gab. Außerdem konnte er den Fluch der letzten Runde endlich besiegen und sah die Zielflagge.
Fernando Alonso: Als Neunter gestartet, als Neunter im Ziel - realistisch betrachtet ging es für Alonso jedoch durch den Ausfall von Michael Schumacher eine Position nach hinten. Doch man muss es dem Doppelweltmeister hoch anrechnen, dass er mit dem Ferrari wieder in die Punkte fuhr. Dass der Sieg aus Malaysia nicht zu wiederholen wäre, war im gesamten Fahrerlager bereits vorher klar. Die Rundenzeiten von Ferrari waren nicht gut, doch Alonso schaffte es trotzdem, noch zwei Punkte mitzunehmen. Ob Ferrari diesen großen Rückstand dieses Jahr überhaupt aufholen kann, bleibt zu bezweifeln - den Roten droht eine Saison wie 2005.
Kamui Kobayashi: An einem Wochenende, an dem es viele Gewinner gibt, muss es zwangsläufig auch Verlierer geben. Die guten Resultate etwa von den Williams-Piloten gingen vor allem zu Lasten des Sauber-Teams. Bei Kobayashi setzte die Mannschaft aus Hinwil auf eine Drei-Stopp-Strategie, legte den zweiten Stopp jedoch zu spät ein. Der Japaner, der mit großen Hoffnungen in das Rennen gestartet war, fuhr zwar noch die schnellste Runde des Rennens, doch es reichte nur noch zu Rang zehn. Strategisch hatte Sauber nicht das glücklichste Händchen: Statt gemeinsam Jagd auf Fernando Alonso zu machen, bekämpften sich Kobayashi und Perez gegenseitig. Das war zwar sehenswert, aber nicht sonderlich produktiv. Für Kobayashi bleibt der hauchdünne Sieg im teaminternen Duell und ein WM-Punkt.
Sergio Perez: Der Sensationszweite von Malaysia blieb in China punktelos. Er gehörte zu den Piloten, bei denen die Zwei-Stopp-Strategie nicht funktionierte. Diese war bei ihm auch eher eine Notlösung wegen des Verkehrs. Auf den mittelharten Reifen hatte der Mexikaner einige Schwierigkeiten, wobei unklar ist, ob der Bremsplatte die Ursache oder Wirkung dessen war. Dazu gesellten sich Kupplungsprobleme, die ihn bei beiden Boxenstopps Zeit kosteten. Auf den alten Reifen musste er sich schließlich Kobayashi nach hartem Kampf geschlagen geben. Mit weniger Gegenwehr hätten möglicherweise beide Sauber-Piloten noch Alonso angreifen können.
Paul di Resta: Keine Punkte für Force India in Shanghai. Di Resta versuchte eine Zwei-Stopp-Strategie, die sich zwar als richtig erwies, aber keine Punkte einbrachte. Für Punkte fehlte jedoch einfach der Speed. Zwar stimmt der Spruch, den di Resta und Hülkenberg mittlerweile täglich zitieren - es fehlt nicht viel, aber im engen Mittelfeld der Formel 1 verliert man mit drei Zehnteln Rückstand eine ganze Reihe von Positionen - doch ob nun knapp oder nicht, am Ende stehen null Punkte zu Buche. Di Resta lieferte ein eher unspektakuläres Rennen ab und wurde Zwölfter. Damit ließ er den Teamkollegen hinter sich, doch den Saisonstart scheint Force India einmal mehr zu vermasseln.
Felipe Massa: Der Rückstand auf Fernando Alonso lag diesmal bei lediglich fünf Sekunden, Felipe Massa ging also im teaminternen Duell nicht so deutlich unter wie in Malaysia. Das sieht er auch genauso: "Sicherlich bin ich mit P13 nicht glücklich, aber für mich war China ein Schritt nach vorne." Dennoch blieb der Brasilianer zum dritten Mal ohne Punkte, während der Asturier zum dritten Mal in Folge in die Punkteränge hinein fuhr. Massa machte der schlechte Topspeed des Ferrari zu schaffen, wodurch er im Zweikampf einen großen Nachteil hatte. Dadurch blieb er zeitweise im Verkehr stecken, spielte aber auf alten Reifen vor seinem ersten Stopp seinerseits Verkehrshindernis. Für Bahrain erhofft sich der Vizeweltmeister von 2008 eine weitere Steigerung.
Kimi Räikkönen: Beim Iceman ging die Zwei-Stopp-Strategie komplett in die Hose. Lange Zeit sah es nach einem Coup aus, denn der Finne fuhr zwischenzeitlich auf der zweiten Position, doch dann gingen die Reifen bei ihm schneller ein als bei allen anderen. Sogar andere Zweistopper reichten Räikkönen immer weiter nach hinten durch. Das ist schade, denn der Weltmeister von 2007 lieferte bis dahin ein außerordentlich starkes Rennen ab und hielt in der Anfangsphase sogar Lewis Hamilton erfolgreich auf Distanz. Zwischenzeitlich wurde er von Felipe Massa aufgehalten, doch am Endresultat hat das nicht viel geändert. Lotus hat sich verpokert, für Kimi bleibt nur: abhaken.
Nico Hülkenberg: Die Chance auf ein besseres Resultat war bereits in der ersten Runde dahin, als sich der frühere Williams-Pilot den Frontflügel beschädigte. Er machte herumfliegende Teile dafür verantwortlich und glaubt nicht, jemanden berührt zu haben. Zwei Stopps erwiesen sich als richtig, doch der Flügelwechsel kostete wertvolle Zeit. Das alles kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Force India in China einfach zu langsam war. Lediglich in der Schlussphase lief der VJM05 gut, doch da war es bereits zu spät.
Jean-Eric Vergne: Von der letzten Position aus ins Rennen gestartet und immerhin den Teamkollegen geschlagen - das Rennen lief für Jean-Eric Vergne nicht allzu schlecht. Mit dem veränderten Setup funktionierte sein Toro Rosso wesentlich besser als am Vortag, so dass sich der Schritt, die Parc-Ferme-Regeln zu brechen und von hinten zu starten, als richtig herausstellte. Vergne ist sich sicher, dass er bei einigen Runden mehr noch weitere Plätze hätten gut machen können. So aber bleibt der Große Preis von China ein Schlag ins Wasser für den italienischen Red-Bull-Nachwuchsrennstall.
Daniel Ricciardo: Auf den ersten Blick war es keine gute Vorstellung des Australiers: Vom Teamkollegen geschlagen, der weniger Erfahrung hat und aus der Box nachstarten musste. Doch wie immer muss die Angelegenheit differenziert betrachtet werden: Vergnes Fahrzeug war wesentlich besser abgestimmt und im Gegensatz zum Franzosen, der dreimal stoppte, setzte das Team beim Australier auf eine Zwei-Stopp-Strategie. Doch auch mit verschiedenen Taktiken schaffte Toro Rosso nicht den Sprung nach vorne und blieb das schwächste Team der etablierten Rennställe. Sebastien Buemi, der bis 2011 bei Toro Rosso fuhr und derzeit auf der Ersatzbank sitzt, sah die Schwachstelle allerdings nichts beim Auto.
Vitaly Petrov: Aufgrund der Probleme bei Heikki Kovalainen konnte der Russe das teaminterne Duell bei Caterham wieder für sich entscheiden. Zwischenzeitlich sah es sogar so aus, als könne er eine Überrundung vermeiden, doch Rosberg fing ihn kurz vor Schluss doch noch ab. Im Renntrimm fährt Caterham weiter im Niemandsland zwischen den etablierten Teams und zwei anderen kleinen Rennställen. Petrovs Leistung ist ohne Referenzpunkt schwer einzuschätzen, laut seines Teams hat er einen soliden Job abgeliefert. Das Problem Petrovs ist, dass eine herausragende Leistung in diesem Auto kaum auffallen würde, wenn der Vergleichsmaßstab fehlt.
Timo Glock: "Das war kein geradliniges Rennen für mich", gab der Marussia-Pilot ohne zu zögern zu. Das verwundert nicht, schließlich wäre Glock um ein Haar von Charles Pic geschlagen worden, der in China seinen dritten Formel-1-Grand-Prix fuhr. Die Gründe für das schwache Abschneiden Glocks, der fast eine Minute auf den Caterham von Petrov verlor, sind vielfältig: Ein schlechtes Setup führte zu einem erhöhten Reifenverschleiß auf der Vorderachse und damit zu Untersteuern. Schlimmer wog der Umstand, dass sich das Team mit der Spritmenge verkalkulierte und Glock in der letzten Phase des Rennens Benzin sparen musste. Zufrieden wird der Odenwälder das Reich der Mitte nicht verlassen.
Charles Pic: Für den Rookie war es ein gutes Rennen. Er fuhr direkt hinter Timo Glock über den Zielstrich und war dementsprechend happy. Pic konnte über weite Strecken den Speed seines erfahrenen Teamkollegen gehen. Bei aller Freude darüber darf man aber nicht die Probleme Glocks vergessen. Andererseits stehen nun Strecken auf dem Programm, die Charles Pic bereits auf der GP2 kennt. Man darf gespannt sein, ob er seine Formkurve durch diesen Umstand weiter steigern kann. Im Vorjahr konnte Jerome D'Ambrosio Timo Glock in den ersten Rennen auch gefährden, sah danach aber kein Land mehr.
Pedro de la Rosa: Immerhin blieb dem Spanier im Gegensatz zum Teamkollegen die zweite Überrundung durch Nico Rosberg erspart. Dass HRT Fortschritte gemacht hat, lässt sich nicht leugnen, doch de la Rosa schraubte nach dem Rennen die Ziele bereits arg hoch mit der Behauptung, dass HRT die anderen kleinen Teams mit ein bisschen Entwicklung hinter sich lassen könnte. In Shanghai musste er nach einer hitzigen Anfangsphase die anderen beiden Teams fahren lassen und ließ - wie üblich - Narain Karthikeyan hinter sich.
Narain Karthikeyan: Der vielleicht größte Erfolg des Inders war es, diesmal nicht mit überrundenden Fahrzeugen zu kollidieren. Ansonsten blieb ihm lange Zeit die rote Laterne, bis bei Kovalainen der Boxenstopp missglückte. Wieder bleib er hinter de la Rosa zurück, und diesmal nicht bloß um wenige Sekunden. Er selbst monierte ein unruhiges Auto auf der Geraden. Karthikeyan mag kein kommender Weltmeister sein, aber auch er hat schon bessere Rennen gezeigt als das heutige.
Heikki Kovalainen: Viel kann der Finne nicht für das desaströse Resultat: Beim zweiten Boxenstopp wurde das rechte hintere Rad nicht richtig befestigt und der frühere GP2-Meister musste ein drittes Mal an die Box. Doch auch er sieht ein, dass Caterham schon einmal stärker gewesen ist: "Das war hier nicht unser stärkstes Wochenende", bewertete er die Performance kritisch. Er selbst ließ sich nichts zu Schulden kommen, lag nach dem Start sogar zwischenzeitlich vor Ricciardo, fiel aber bald mit seinem Teamkollegen ins Niemandsland zurück, bevor der Unglücksboxenstopp ihn hoffnungslos auf den letzten Platz zurückwarf.
Michael Schumacher: Man kann dem Rekordweltmeister keinen Vorwurf machen. Der Boxenstopp, eigentlich die Paradedisziplin des Mercedes-Teams, ging schief, Schumacher konnte selbst nichts dafür. Mercedes-Sportchef Norbert Haug hielt sogar einen Doppelsieg für möglich. Bis zu seinem Ausfall konnte Michael Schumacher jedoch nicht die Zeiten Rosbergs gehen und musste auf Jenson Button achten, den er nicht abschütteln konnte. Da bleibt nur eine Analyse, denn auf einer anderen Strategie befand der Kerpener sich nach Mercedes-Angaben nicht. Es kann natürlich nur spekuliert werden, ob Schumacher auf der härteren Reifenmischung, die später im Rennen zum Einsatz kam, stärker geworden wäre.
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