25 Piloten starteten am Samstagnachmittag in den MotoGP-Sprint von Jerez, nur zehn von ihnen erreichten das Ziel ohne Abflug. Ganze 15 Fahrer - also exakt 60 Prozent des Starterfeldes - kamen im nur 12 Runden umfassenden Kurzrennen auf dem Circuito de Jerez Angel Nieto zu Sturz. Eine unfassbare Quote, die für eines der verrücktesten MotoGP-Rennen aller Zeiten sorgte. Doch warum landeten so viele Piloten im Kiesbett? Motorsport-Magazin.com liefert euch die Antwort.

Denn im Grunde fällt sie recht simpel aus: Der Asphalt war Ursprung allen Übels. Morgentliche Regenschauer, die auch das 2. Freie Training und Qualifying der MotoGP geprägt hatten, hatten den Streckenbelag ordentlich durchnässt und damit für schwere Bedingungen gesorgt. Der leichte Niederschlag stoppte zwar schon während dem MotoGP-Qualifying, vielerorts hielten sich aber noch nasse Stellen auf dem Asphalt. Auf diesen rutschten alle Sturzpiloten - Francesco Bagnaia ausgenommen - während des Sprints aus, zuvor hatte es auch in den Qualifyings von Moto2 und Moto3 schon einige identische Abflüge gegeben. "95 Prozent der Strecke war trocken, aber fünf Prozent war noch nass. Und diese wenigen Stellen waren direkt in der Mitte der Strecke. Speziell in Turn fünf kontest du nicht sehen, wo es nass war. In der letzten Kurve genauso", bestätigt Maverick Vinales.

Nasser Asphalt lässt MotoGP-Stars im Jerez-Sprint verzweifeln

Dessen Aprilia-Teamkollege Aleix Espargaro hatte mit seinem Sturz in Kurve acht noch in der ersten Runde des Sprints das Crashfestival eröffnet. "Ich war sehr nah hinter Pedro [Acosta, Anm.]. Er hat das Bike im letzten Moment noch aufgerichtet, dann erst habe ich den nassen Fleck gesehen und dachte mir nur noch: Oh nein!", beschreibt er. "Dann hatte ich einen heftigen Highsider, ich konnte das Bike nicht mehr kontrollieren."

Für den skurrilsten Abflug sorgten am Samstag sicherlich Alex Marquez, Enea Bastianini und Brad Binder. Das Trio stürzte im neunten Umlauf in Synchro in Kurve fünf. "Ich bin das gesamte Rennen über unnatürliche Linien gefahren, um den nassen Stellen auszuweichen. Aber wenn du über 12 Runden hinweg am Pushen bist, ist es schwierig, jede Runde die exakt gleiche Linie zu erwischen. Ich war vielleicht 30 Zentimeter zu weit außen, habe den nassen Fleck erwischt und bin gestürzt", blickt Alex Marquez zurück. Der nachfolgende Bastianini ergänzt: "Ich habe gesehen, dass Alex die Front verloren hat und wollte das Bike daraufhin aufrichten, aber es war schon zu spät."

Marc Marquez verlor den Sprintsieg auf einem der nassen Flecken in Turn 9, Foto: LAT Images
Marc Marquez verlor den Sprintsieg auf einem der nassen Flecken in Turn 9, Foto: LAT Images

In der letzten Runde stürzte an der gleichen Stelle auch noch Honda-Pilot Luca Marini. Dieser erkannte ein weiteres Wetterproblem: "Der Wind hat dich in dieser Kurve nach außen gedrängt. Das war sehr schwierig, weil er sehr inkonstant war. Mal war er stärker, mal weniger. Dadurch wusstest du nie, ob du nun auf der korrekten Linie bist oder nicht." Speziell die nassen Stelle beschäftigten aber das gesamte MotoGP-Feld am Samstagabend. Der Viertplatzierte Franco Morbidelli wurde deutlich: "Die Bedingungen waren heute fürchterlich. Es ist schwer, die nassen Stellen hier überhaupt zu erkennen und dann halten sie sich auch noch lange oder tauchen manchmal aus dem Nichts auf. In solchen Bedingungen einen Sprint oder ein Qualifying zu fahren, ist ziemlich gefährlich."

Doch wieso ist es in Jerez so schwer, die nassen Stellen auf dem Asphalt zu erkennen? Schließlich gab es solche Probleme auf anderen Strecken bislang nicht. "Die dunkle Farbe des Asphalts macht es hier ziemlich schwer, einen nassen Fleck zu erkennen, wenn du das Visier aufhast", erklärt Fabio Di Giannantonio, der nach seinem Sturz in der Schlusskurve noch als 13. ins Ziel kam. "Auf anderen Strecke zeigen sich die nassen Stellen manchmal als recht dunkler, schwarzer Fleck und stechen somit etwas heraus. Hier haben sie aber die gleiche Farbe wie der Asphalt. Du siehst sie erst, wenn du bereits auf ihnen bist."

Geographische Lage sorgt für Trocknungsprobleme in Jerez

Damit wäre das also geklärt, doch eine zweite Unklarheit, die Morbidelli ansprach, bleibt noch immer: Wie können selbst Stunden nach Regenende noch neue nasse Flecken auf dem Asphaltband hinzukommen? Hier liegt die Erklärung in den geographischen Gegebenheiten Jerez'. Die Strecke ist umgeben von Hügeln und liegt in einer Senke, wo sich der gefallene Niederschlag nach Regenfällen wie am Samstag ansammelt. Das sorgt dafür, dass in manchen Passagen des Kurses immer wieder Wasser aus dem Untergrund an die Streckenoberfläche gelangt. "Ich mache hier in Jerez viele Track-Days. Wir hatten einen Fall, wo es im Vorfeld geregnet hat, dann waren wir zwei Tage hier und bei der Abreise waren manche Stellen immer noch nass", beschrieb MotoGP-Experte Simon Crafar bereits vor zwei Jahren gegenüber Motorsport-Magazin.com. Damals erlebte die Königsklasse in Jerez ein ähnliches Problem am Trainingsfreitag.

Hätte der MotoGP-Sprint in Jerez abgebrochen werden müssen?

Da es sich nun jedoch um einen Renntag handelte, stellt sich im MotoGP-Paddock die Frage, ob der Sprint aus Sicherheitsgründen nicht besser hätte abgebrochen werden müssen. Vinales hat eine klare Meinung: "Ich finde, dass die Rennleitung speziell nach dem Crash von Binder und Co. hätte verstehen müssen, dass die Strecke in diesem Zustand nicht sicher war. Ich war auf der gleichen Linie [wie in den Runden zuvor, Anm.] und bin ohne Vorwarnung gestürzt. Wir müssen da vorsichtig sein, weil es so leicht zu einem großen Unfall kommen kann. Wenn wir einen Test haben, fahre ich bei diesen Bedingungen nicht. Wenn 15 von 25 Fahrern aufgrund des Streckenzustands stürzen, solltest du eine Rote Flagge einsetzen. Es waren ohnehin nur noch drei Runden zu fahren."

Morbidelli widerspricht, hat aber eine klare Forderung: "Ich denke, dass es noch okay war, das Rennen zu fahren. Für die Zukunft sollten sie sich aber etwas einfallen lassen und den Zustand des Asphalts verbessern." Aleix Espargaro, eigentlich immer einer der ersten Fürsprecher in Sicherheitsfragen, stimmt zu - allerdings aus einem anderen Grund. "Ich finde nicht, dass die Rote Flagge eine Lösung gewesen wäre", sagt er und erklärt: "Wenn du das Rennen in diesen Bedingungen startest und sie nicht schlechter werden, kannst du keine Rote Flagge schwenken. Und in der letzten Runde war die Strecke nicht schlechter als in der ersten. Die Frage ist, ob wir das Rennen überhaupt hätten starten sollen."

Spanien Grand Prix der MotoGP am Sonntag in Gefahr?

Bleibt abschließend noch die Frage nach dem Rennsonntag. Der Wetterbericht sagt zwar Sonnenschein und frühsommerlich warme Temperaturen voraus, doch die nassen Stellen können sich in Jerez aufgrund der bereits angesprochenen Thematik auch dann noch halten. "Wir müssen das definitiv im Auge behalten. Ich erinnere mich, dass es hier auch schon zwei bis drei Tage gedauert hat, bis es wieder komplett trocken war", weiß auch Bastianini. Könnten die Rennen von MotoGP, Moto2 und Moto3 also gefährdet sein? "Ich denke, dass es morgen viel besser werden wird, nicht vergleichbar mit heute", zeigt sich Vinales optimistisch. Dafür spricht, dass die Königsklasse 2022 nach den Problemen am Freitag das restliche Wochenende nicht mehr mit nassen Stellen zu kämpfen hatte. Dennoch wird dem MotoGP-Warm-Up um 09:40 Uhr MEZ eine besondere Bedeutung zukommen. Sollten sich die Bedingungen nicht verbessert haben, werden sicherlich nochmal Diskussionen aufkommen. Es gilt also: #Abwarten!