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Aerodynamik für Anfänger

Das Formel 1 Forum früherer Tage...

Beitrag Sonntag, 01. Januar 2006

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...und schon geht's weiter:

Planlos durchs 'Reich der Flügel' - Teil 2

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Das sieht doch schon ganz gut aus - aber nicht für die Veranstalter: Michael Mays Porsche wird am Nürburgring 1956 ausgeschlossen

Der eidgenössische Ingenieur Michael May (von dem später in diesem Zusammenhang noch mal die Rede sein wird) tauchte am Nürburgring mit seinem Porsche auf, den ein enormer Flügel mittschiffs, hoch oben über dem Schwerpunkt, 'zierte'. Die Technischen Kommissare wähnten den wackeren Schweizer geistig eher im Abseits, wünschten ihm gute Besserung und verboten den Flügel. Auch in Monza blitzte er mit seinem Flügelwerk ab.

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Art Malone und sein Flügelmonster 'Mad Dog IV' auf der Bahn von Daytona

Aus Daytona Beach kam vom Superspeedway die Kunde von einem Renner, der unter dem bezeichnenden Namen "Mad-Dog" mit opelähnlichen Negativ-Flügeln um den Kurs rauschte. Das Auto (einer der letzten Kurtis-Roadster mit einem Pontiac-V8) war im Prinzip für Reifentests von Firestone. Art Malone stellte sogar einige Geschwindgkeitsrekorde damit auf. Aber mal ehrlich: sieht doch eher wie ein Flugzeug aus, oder...?!

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Jim Rathmanns Watson Roadster in Indy 1962 - eindeutig mit 'Flügel'...

In Indy 1962 kam ein weiterer Kandidat - in gewisser Weise so ein Zwitter zwischen Mays Flügelporsche und Hall Chaparral. Der rühriger Smokey Yunick hatte ein ausgeschnittes Flugzeugflügel-Stück auf Stelzen über seinen Watson-Offenhauser gestellt - leider brachte es nicht den Vorteil den sich Yunick und sein Fahrer Jim Rathmann erhofft hatten und das Teil wurde zum Rennen wieder abgeschraubt.

So, Vorspiel beendet - jetzt wird's ernst... (in Kürze)...
Zuletzt geändert von Alfalfa am Montag, 02. Januar 2006, insgesamt 2-mal geändert.

Beitrag Sonntag, 01. Januar 2006

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@alfalfa:

Super-Thema !!!

Im Gedenken an GV, DP und PD ziehe ich mich jetzt zurück und träume wie Wolf Haas Protagonist in "Ausgebremst" von einem Großen Preis der ganz besonderen Art... :wink:

1. Startreihe

Stewart, Peterson, Rindt (damals wurde ja in 3er-Reihen gestartet)

2. Reihe:

Siffert, Senna, Hulme

3. Reihe:

Regazzoni, Lauda, Depailler

setze ich vielleicht mal in einem anderen Thread fort...

Beitrag Sonntag, 01. Januar 2006

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Jetzt wird's ernst...

Jim Hall macht ernst

All das war aber nur Vor-Geplänkel ohne größeren und weitreichenden Einfluss auf den Rennsport. An Sportwagen tauchten ab Beginn der 60er Jahre immer öfter aerodynamische Abrisskanten & Spoiler auf - ernsthaft als Flügel kann man die Teile aber nicht bezeichnen. Eindeutig war der Sportwagensekor aber hier auf dem Gebiet zu der Zeit deutlich weiter als bei den Monoposti.

Systematisch wurde das Ganze erst wieder durch Jim Hall - wir hatten es über den verrückten Texaner schon weiter vorne über den Ground-Effect. So 1966/1967 der nämlich mit Unterstützung von General Motors seine Chaparral-Sportwagen auf den Asphalt. Sie führten riesige Heckflügel mit umgekehrtem Tragflügelprofil, die nicht auf dem Chassis, sondern auf hohen Streben direkt auf den Radträgern standen. So wurden die Reifen unmittelbar auf den Boden gepreßt. Die GM-Forschungsgruppe experimentierte auch schon mit Wagenkörpem in der formumgekehrter Tragflächen. Aber es wollte einfach nicht gelingen, den im Windkanal beobachteten Effekt in der Praxis zu wiederholen. Dieses Problem brachte noch einige Entwicklungsabteilungen in unzähligen Versuchen an den Rand der Verzweiflung.

Die Pioniere von GM-Chaparral tüftelten auch aus, dass große Frontspoiler den Luftwiderstand verringern, Heckflügel ihn aber vergrößern. Am Wagenhintern mußte also die knifflige Entscheidung zwischen viel Abtrieb und genügender Höchstgeschwindigkeit gefällt werden. Hall dachte sich als erfahrener Pilot natürlich prompt ein verstellbares "Höhenruder" für viel Anpreßdruck in Ecken und wenig Widerstand auf den Geraden aus. Stand der Flügel auf der Karosserie, so drückte der Abtrieb die relativ weichen Federn des Fahrwerks ganz zusammen, die Straßenlage ging zum Teufel. Also war es ideal, den Anpreßdruck direkt auf die Radträger zu bringen, damit auf die Räder. Das Verfahren ließ die gefederte Masse des Wagens unberührt.

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Bridgehampton 1966 sah das Debüt der verstellbaren Stelzenflügel an Jim Halls Chaparral

Die Gedanken drehten sich so in schnellem Fortschritt zunächst um aerodynamische Hilfen an der Aufhängung, dann um strebengestützte Flügel über dem Renner - und schließlich: Warum zum Teufel sollte dieser Flügel nicht reichlich hoch über dem Wagen im ungestörten Luftstrom stehen?

Im April 1966 wurde der erste Flügel aus solider Kiefer geschnitzt und zwei Fuß über dem Hinterteil eines Chevrolet Stingray getestet. Hierauf folgte ein schaumgefüllter Monocoque-Leichtsgewicht-Flügel für die Chaparral 2E CanAm-Sportwagen. Wenn die Streben einmal hielten, arbeiteten die Abtriebshilfen gut. Der Fahrer konnte sie noch vom Cockpit aus verstellen, für Kurven stand das Flügelwerk relativ steil, auf den Geraden flach.

Gegen Ende 1969 bollerte in Kalifornien - wo auch sonst? - ein Chaparral 2H (von der Fehlkonstruktion hatten wir's gerade ein paar Posts weiter vorne) mit einem Flügelmonster von noch nie gesehenen Ausmaßen mittschiffs über die Strecke.

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Das gewaltigste Flügelmonster aller Zeiten (man beachte die Dimensionen vorne, hinten & oben): Jim Halls Chaparral 2H von 1969

Die Flügel erreichen die Formel 1... recht spät

In der Formel 1 hatten mittlerweile Flügel auf hohen Streben auch schon von sich reden gemacht. Lotus-Weltmeister Jim Clark schlug, dem Chaparral-Vorbild folgend, seinem Mechaniker Leo Wybrott und den Porteous-Brüdern vor, was ganz ähnliches in der neuseeländischen Tasman-Meisterschaft 1968 zu versuchen. Clark fuhr beim Rennen in Teretonga, auf der Südinsel, einen Lotus 49T. Die Porteous-Brothers hatten ihr Wissen um die Fliegerei aktiviert, und auf Streben stand zeitig zum Training über dem Getriebe des Lotus ein kleiner Flügel. Improvisation ist alles: Das revolutionäre Stück war der Rest eines Rotorblattes und stammte vom Schrottplatz. Fürs Rennen wollte man den Flügel lieber wieder runternehmen. Wenn mit dem Ding was schiefgegangen wäre, hätte Colin Chapman nämlich alle zum Teufel gejagt. Habe leider nie ein Bild von der Konstruktion gesehen und kann Euch leider nicht damit beglücken - würde mich selbst brennen interessieren...

Beitrag Montag, 02. Januar 2006

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...weiter geht's:

Unglaublich: Ferrari setzt aerodynamische Trends

Jetzt kommt erst mal Ferrari ins Spiel: Gianni Marelli, als junger Ingenieur mit Amons Ferrari 246T ebenfalls in Sachen Tasman-Serie auf Neuseeland unterwegs, war fasziniert von dem Flügel an Clarks Auto (auch wenn er nach dem Trainign wieder verschwand). Er fotografierte ihn aus allen Perspektiven. Zum Großen Preis von Belgien in Spa 1967, dem schnellsten Rennen im Kalender der Formel 1-Teams, kamen ja Lotus und Brabham bereits mit kleinen Frontspoilern, um den Auftrieb an der Vorderachse auszuschalten. Jetzt, 1968, präsentierten Ron Tauranac und Ray Jessop ihren Brabham mit einem Heckflügel auf Streben für Spa. Sie staunten nicht schlecht, dass Ferrari und Forghieri sichtlich gleiches ausgebrütet hatten und ihren 312 V12 ebenfalls beflügelt aus dem Transporter rollten. Der Trend kam fast überall zeitgleich.

Forghieri besteht darauf, daß die Idee bei einer Unterhaltung mit Michael May kam. May war Motorenspezialist und 1960 -63 für Ferrarl als Berater tätig, vorher hatte er ja schon am Ring mit seinem Experimental-Porsche für Aufsehen gesorgt. Na ja, es war schon ein irrer Zufall, daß nach Marellis Rieseninteresse am Lotus in Neuseeland die Renner aus Maranello prompt mit Flügeln auftauchten...

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Welchem F1-Team gebührt denn nun die Ehre der ersten Stelzenflügel in Spa 1968?! Brabham oder Ferrari? Ich tendiere zu Ferrari...

Jetzt wird's wild...

1968 und 69 wuchsen, ja wucherten die Flügel ziemlich wild. Kurz: Sie wurden größer, höher, mehr. Für Konstrukteure auf der Suche nach Abtrieb und damit besserer Beschleunigung, höheren Kurvengeschwindigkeiten und optimalem Bremsverhalten waren die Flügel auf Streben ein Gottesgeschenk. Sie wogen ein paar Pfund, aber der dynamische Abtrieb brachte zusätzlich ein paar hundert Kilo auf die Räder, die Rundenzeiten wurden deutlich besser.

Zum Formel 2-Training in Albi kreuzte das Winkelmann-Brabham-Team mit einem gigantischen Doppeldeckergerät auf, das an der Westfront '14-'18 einen prima Eindruck hinterlassen hätte.

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Schockschwerenot - dieser Flügel verlangt beinahe nach einem Waffenschein: der Winkelmann Brabham in Albi 1969

Feste und verstellbare Flügel wurden so bis zum GP Spanien 1969 entwickelt. Die Konstruktionen wurden immer gewagter und zerbrechlicher. Schließlich brachen die Dinger auf dem Lotus in Spanien zusammen, die Rennwagen verunglückten. Das rief endlich die CSI auf den Plan: Höhe, Breite und Befestigung der aerodynamischen Hilfen wurden reglementlert. Trotzdem hatte gerade der Bereich der Aerodynamik noch ungeahnte Überraschungen zu bieten. Aber das ist eine andere Geschichte.

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Das Ende der Stelzenflügel kam abrupt nach dem ersten Training in Monaco 1969 - nach diesem Bild aber auch verständlich!

Beitrag Montag, 02. Januar 2006

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So, das war's erst mal für heute...

:arrow:

Beitrag Montag, 02. Januar 2006

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@Alfalfa,sind die Beurteilungen zur Funktion der Flügelwerke teilweise oder ganz von dir?
Denn ich kann stellenweise die Beurteilung nicht nachvollziehen.
Der Opel Rekordwagen mag auf den ersten Blick in seiner Flügelanordnung verwundern.Doch bei genauerer Betrachtung ergeben sich interessante Dinge.So ist die Fläche stark negativ angestellt,was die Druckverteilung an der Fläche deutlich verändert.So kann auch eine solche Fläche für Abtrieb sorgen.
Mag sein,daß man damals die Anordnung von einem Front-und Heckflügel für undenkbar hielt um das aerodynamische Gleichgewicht einzustellen.Manchmal kommt man ja nicht auf die einfachsten Lösungen.So musste man sich mit der Einstellung an einem Flügel begnügen und diesen dann noch,obwohl wir uns im eigentlich simplen subsonischen Bereich befinden, für unterschiedliche Geschwindigkeiten einstellen.Da es sich hier auch um ein geradeausfahrendes Rekordfahrzeug handelt,welches nur geringe Querkräft übertragen muss und von Raketen vorgetrieben wird,kann man den Anpressdruck soweit minimieren,daß die Spurstabilität gewährleistet ist.
Das kann beim Opel-Rekordwagen eine gewünschte Erhöhung vorne bedeuten,die den mit steigender Geschw. zunehmenden Auftrieb verringert und eine minimale Lenkfähigkeit und Querkraftübertragung inklusive durch Störimpilse(Seitenwind) gewährleistet.Und am Heck durch eine hohe Hecklastigkeit eine gewünschte Reduzierung des Gewichts mittels Auftriebserzeugung,um den Anteil der Reibung auf ein notwendiges Restmaß zu minimieren.Denn die Räder müssen ja durch den Raketenantrieb keine Antriebskräfte,sondern nur Führungskräfte übertragen.
Vorne also eine Belastung hinten Entlastung.Dieses erreicht man bei einem Flügel,nur mittels eines Drehimpuls.Diesen kann man mit einem negativ angestellten "Auftriebsprofil" erreichen.Ein umgekehrter Flügel wäre die Negation und würde nicht das gewünschte Ziel darstellen.
Vergleichbar wäre hier auch bsphaft Michael Mays Porsche von 1956,der weder Front- noch Heckflügel kennt.
Ein abtrieberzeugender Heckflügel bedingt abtriebfördernde Maßnahmen an der Front.Sei dieses nun durch die Frontfom selber,wie beim 1966er Chaparral oder durch die uns bekannten Flügel selbst in kleinster Form,wie am 1970er Granatelli-March.
Der 1956 May-Porsche ist in der Rohform als aerodynamisch neutral einzuschätzen.Da man wohl 1956 noch immer nicht auf das Konzept Front- und Heckflügel gekommen war, machte bei der abtrieberzeugenden Einflügelversion nur die Anordnung von diesem im Bereich des vorhandenen aerodynamischen Schwerpunkt Sinn.
Im folgenden mal ein Link,der die Druckverteilung über dem Profilausschnitt bei verschiedenen Anstellwinkeln gut darstellt.
http://www.rengels.de/misc/auftrieb.de.html
Wer richtig bremst ist schneller!

Beitrag Montag, 02. Januar 2006

Beiträge: 8060
@Cobra; danke für die Anmerkungen - das meiste habe ich in der Tat aus Literatur zusammengesucht. Die Fakten natürlich zu 100%. Und wie ich bereits am Anfang geschrieben habe - ich bin kein Spezialist.

Klingt so, also ob Du Ahnung von der Materie hast. Für Deine fachkundige Posts bin ich sehr dankbar. Schau' doch öfter bei Yesterday vorbei...

Der von Dir erwähnte Opel-Raketenwagen ist ein interessantes Beispiel. Wir kennen die Schilderung von Fritz von Opel, der die Fahrt mit dem Wagen als die schrecklichste Erfahrung seines Lebens schilderte, die er um keinen Preis wiederholen möchte - also war das sicher ein sehr kritisches Gefährt. Und wir haben bei dieser Fahrt mehr zu berücksichtigen als die Aerodynamik, denn Opel bewegte sich in Geschwindigkeitsbereiche, bei der die Aerodynamik - besonders bei einer reinen Geradeausfahrt - nicht die entscheidenende Rolle gespielt hat, oder anders forumliert; wahrscheinlich wäre die Rekordfahrt ohne die Flügel genauso verlaufen - der entscheidende Faktor war hier sicher der absolut unpassende & gefährliche Raketenantrieb. Es gibt interessante, detaillierte Schilderungen dieser Fahrt (bei Interesse kann ich sie einstellen).

Insofern kann die Flügelstellung für seinen Zweck passend gewesen sein. Trotzdem würde mich interessieren wie dieser 'mittschiffs' angebrachte Flügel mit umgekehrten Profil gewirkt hätte - wir haben ja z.B. den Fall Rathmann, der mit auch mit einem einzelnen deratigen Flügel mittschiffs fuhr. Sicher würde man so einen Versucht heute nicht mehr wiederholen, ich denke aber man müsste es doch auch berrechnen können, oder?

Beitrag Montag, 02. Januar 2006

Beiträge: 2995
cobra hat geschrieben:
Vorne also eine Belastung hinten Entlastung.Dieses erreicht man bei einem Flügel,nur mittels eines Drehimpuls.Diesen kann man mit einem negativ angestellten "Auftriebsprofil" erreichen.Ein umgekehrter Flügel wäre die Negation und würde nicht das gewünschte Ziel darstellen.


Wir hatten zwar bislang noch nicht viele Vorlesungen zum Thema Aerodynamik, aber ein kleines bisschen Ahnung habe ich davon auch.
Ich habe im Solid CFD jetzt mal zwei Flügel mit ähnlichem Anstellwinkel wie dem am Opel gezeichnet, einen mit dem Flugzeug- und einem mit dem umgedrehten Profil. Das Ergebnis bei hor. Anströmung ist aber fast gleich. Eine negation des Effektes vom Opel erreiche ich erst, wenn ich den Flügel komplett spiegele, also auch den Anstellwinkel umdrehe.

Beitrag Montag, 02. Januar 2006

Beiträge: 8060
@shoemaker: Vielen Dank für die Auskunft. Das Thema ist sehr interessant. Opel/Sander/Valier haben ja in den 20er Jahren eine ganze Reihe von solchen Versuchen gemacht, nicht nur mit Autos sonsern auch mit Motorrädern, Gleitschlitten und Flugzeugen - und viele davon auch mit Flügel ausgestattet. Werde das mal bei Gelegenheit etwas zusammenstellen. Muss aber jetzt erst mal wieder ein bisschen Geld verdienen... :)

Beim Opel RAK2 fällt natürlich die komplette Hecklastigkeit auf. Die Antriebsquelle (24 Pulverraketen mit einem Schub von je 250 kg) saßen hinter der Hinterachse und auch Fahrer Fritz Opel saß relativ weit am Heck. Der Flügel mag also durchaus seine Berechtigung gehabt haben - gestoppt wurden nämlich ca. 228 km/h.

Beitrag Montag, 02. Januar 2006

Beiträge: 0
Alfalfa hat geschrieben:
... der entscheidende Faktor war hier sicher der absolut unpassende & gefährliche Raketenantrieb. Es gibt interessante, detaillierte Schilderungen dieser Fahrt (bei Interesse kann ich sie einstellen).

Wenn du grad so fragst... :)

Beitrag Montag, 02. Januar 2006

Beiträge: 45834
Ja wäre echt super!!! :!:

Beitrag Montag, 02. Januar 2006

Beiträge: 1313
Ein Erfahrungsbericht über den Opelwagen würde mich näher interessieren.Vielleicht würde man dann etwas besser das Verhalten verstehen und auch warum es wohl so war.
Kann es mir im Moment nur so vorstellen:
Ich vermute mal der Raketenwagen hatte seinen Schwerpunkt durch die Raketenaggregate sehr weit hinten.Denn es wird sich noch um Festbrennstoffraketen gehandelt haben.So wie wir sie von Silvester kennen.
Da der Brennstoff nahe dem Brenneraustritt plaziert werden muss,hat man viel Masse konzentriert vorliegen.Deshalb wird der Wagen recht hecklastig gewesen sein.
Moderne Raketen haben ja die Treibstoffbehälter und Brennkammer deutlich getrennt und so eine günstigere Schwerpunktlage.
Aber nun back to topic.
Eine flügelstabilisierte Rakete hat ein stabiles Flugverhalten,wenn ihr Masseschwerpunkt möglichst weit in Richtung Kopf liegt.Also sehr weit von den Stabilisierungsflächen und somit vom Druckpunkt entfernt.
Der Opel-Raketenwagen war nun imho tendenziell hecklastig und der Flügel zudem noch mittig am Fzg angebracht.Somit lagen Stabilisierungsfläche (Flügel wirkt als solcher) und Masseschwerpunkt zu nah beieinander,wenn nicht sogar die Stabilisierungsfläche und somit der Druckpunkt vor dem Schwerpunkt lag.So wird eine Rakete instabil.
Opel wollte hier wahrscheinlich mit dem Flügel,das von mir angesprochene aerodynamische Gleichgewicht ändern,hat darüber aber den Einfluß auf den Raketenantrieb vernachlässigt.
Mag sein,daß so eine Vernetzung aus Raketentechnik und Fzg-Aerodynamik zum damaligen Zeitpunkt einfach nicht zu überschauen war.
Die Interdisziplin stellt ganz neue Anforderungen in der es vorallem negative Wechselwirkungen zu erkennen gilt.
Und dieses mag eine gewesen sein.Was auch zu dem schrecklichen Fahrverhalten führte.

So,welche Wirkung hätte ein umgekehrter Tragflügel am Opel-Raketenwagen?
Das hängt wieder mit vom Anstellwinkel ab.
Bild oben:
Verbaut man den Flügel leicht negativ bis negativ ,so erhält man einen Flügel der vorwiegend für Abtrieb sorgt.Also das aerodynamische Gewicht sowohl an Vorder-als auch Hinterachse erhöht.Welche Gründe es imho gehabt haben könnte,das Opel an der H-Achse lieber eine Erleichterung gehabt hätte,hatte ich ja im vorigen Beitrag schon beschrieben.
Bild unten:
Ein solcher Flügel der ungefähr in Neutralstellung angebaut wird,bewirkt ein Moment,durch die verschiedene Druckverteilung am Flügelprofil.
Dieses Moment würde für eine Erleichterung der V-Achse und Erschwerung der H-Achse sorgen.Also genau das was imho Opel für den Raketenwagen nicht wollte.Denn man will ja für Höchstgeschwindigkeit Reibung und Anpressdruck soweit minimieren,daß gerade noch eine Langsstabilität gewährleistet ist .Dieses Erreicht man mit dem Flügel,wie er am Opelwagen angebaut war in negativer Flügelstellung(Flügelnase deutlich tiefer als Endkante).Es baut sich dann ein Moment auf,welches dem aerodynaischen Auftrieb an der V-Achse entgegenwirkt und das schwere Heck aerodynaisch etwas erleichtert.
Der instabilisierende Einfluß der mittigen Flügelposition auf den Raketenantrieb wurde anscheinend nicht erkannt.

Rot:Überdruckseite
Grün Unterdruckseite
schwarze Pfeile:wirkende Kraftrichtungen bzw. Momente

Bild
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Beitrag Montag, 02. Januar 2006

Beiträge: 1313
shoemaker hat geschrieben:
cobra hat geschrieben:
Vorne also eine Belastung hinten Entlastung.Dieses erreicht man bei einem Flügel,nur mittels eines Drehimpuls.Diesen kann man mit einem negativ angestellten "Auftriebsprofil" erreichen.Ein umgekehrter Flügel wäre die Negation und würde nicht das gewünschte Ziel darstellen.


Wir hatten zwar bislang noch nicht viele Vorlesungen zum Thema Aerodynamik, aber ein kleines bisschen Ahnung habe ich davon auch.
Ich habe im Solid CFD jetzt mal zwei Flügel mit ähnlichem Anstellwinkel wie dem am Opel gezeichnet, einen mit dem Flugzeug- und einem mit dem umgedrehten Profil. Das Ergebnis bei hor. Anströmung ist aber fast gleich. Eine negation des Effektes vom Opel erreiche ich erst, wenn ich den Flügel komplett spiegele, also auch den Anstellwinkel umdrehe.


Mit Negation meinte ich nicht nur eine einfache Umkehrung des Flügelprofils,sondern auch eine Negation des Anstellwinkels.
Man müsste vielleicht mal eine gute Seitenansicht des Opelwagen haben.Dann könnte man besser spekulieren.
Ich habe noch eine ganze Weile Urlaub und komme deshalb nicht in die Firma,aber du kannst ja mal,wenn du Lust hast mal weiter etwas mit CFD-Software experimentieren in verschiedenen Flügelstellungen und mal die Positionen ermitteln,ab denen das Verhalten des Flügels sich ändert.
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Beitrag Montag, 02. Januar 2006

Beiträge: 8060
cobra hat geschrieben:
Man müsste vielleicht mal eine gute Seitenansicht des Opelwagen haben.Dann könnte man besser spekulieren.

Das müsste zu machen sein - die Fahrt ist relativ gut dokumentiert. Ich schaue mal nach...

Beitrag Montag, 02. Januar 2006

Beiträge: 8060
Ich sitze jetzt leider nicht an der Quelle (und habe auch noch zu arbeiten), aber vielleicht könnt ihr mit folgenden Details etwas anfangen:

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Beitrag Montag, 02. Januar 2006

Beiträge: 1313
Hab noch ein größeres Bild gefunden.
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Den Anstellwinkel der Tragfläche würde ich auf -8° bis -10° schätzen.Macht sich in der Perspektive zwar etwas schlecht,habs aber mal mit den Mittel der KT versucht etwas zu entzerren und einen Winkelmesser drangehalten.
Dann habe ich noch diese schöne Animation im Netz gefunden.
Wie gehabt; Rot: Überdruck,Grün: Unterdruck.
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Hier kann man etwas rumspielen.Mit AngleDeg von -9°,Camber 8.15 und Thick von 3% bin ich im Bereich wo ich keinen Auftrieb(Lift Force) erzeuge,durch die spezielle Druckverteilung aber ein vorteilbringendes Moment erzeuge.
http://www.grc.nasa.gov/WWW/K-12/airplane/foil2.html
Zuletzt geändert von cobra am Montag, 02. Januar 2006, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag Montag, 02. Januar 2006

Beiträge: 2995
Obwohl der Flügel sehr weit vorne liegt kann er aber doch nur den von cobra angesprochenen Effekt der Momentenerzeugung gehabt haben. Denn wenn ich die Sehne nach hinten hin abfallend mache ist der Gesamtanpressdruck dises Flügels dem eines mit umgedrehten Profils klar unterlegen.
So wie ich das dann bei mir sehe ist der Flügel in seinem Wirkungsberecih sogar sehr flach eingestellt . Man kann ihn kaum flacher stellen um weiterhin den gewünschten Effekt zu erzielen, da er dann sehr schnell insgesamt einen Auftrieb erzeugt.

Beitrag Montag, 02. Januar 2006

Beiträge: 1313
Genauso meinte ich es shoemaker.
Habe mal mit dem Online-Programm der NASA etwas experimentiert.
1. die Situation am Opel.
Kaum Lift-force aber das geschilderte Moment tritt, wie auch in der obigen Animation zu sehen durch die Druckverteilung auf.
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2. Der Flügel als uns bekannter Abtrieberzeuger.
Negative Lift-Force (Downforce) von ca 23kN,aber kein bedeutendes Moment.
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3.Situation,die von mir bereits erwähnte Negation sowohl im Profil,wie auch im Anstellwinkel.
Lift-Force ca 0 aber ein Moment,welches anderen Drehsinn hat.
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Beitrag Montag, 02. Januar 2006

Beiträge: 8060
Klasse Thema. Ich bin beeindruckt von Eurem Fachwissen. Hättet Ihr mal Lust die Chaparral-Konstruktionen von Jim Hall etwas auseinanderzunehmen? Er gilt ja als Godfather der Aerodynamik im Motorsport - nachdem ich mich am Wochenende aber mal etwas ins Thema eingelesen habe ist mein Glaube an Hall etwas geschwunden - ich glaube er hat einfach ziemlich viel und wild durcheinander ausprobiert (das meiste von GM unterstütz & finanziert).

Beitrag Montag, 02. Januar 2006

Beiträge: 1313
Alfalfa hat geschrieben:
...
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Das gewaltigste Flügelmonster aller Zeiten (man beachte die Dimensionen vorne, hinten & oben): Jim Halls Chaparral 2H von 1969
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Kannst du zu dem Bild etwas sagen?Ist es aus dem Rennen?

Ich finde die Kombinationen und Flügelstellungen recht interessant,die man zu diesem Auto findet.
Mal ein flacher oder steiler Heckflügel,mit oder ohne Flaps an der Front,mit oder ohne brachialem Mittelflügel.
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Ich kenne Jim Halls Konstruktionen jetzt nicht wirklich.Ich habe da nicht den Überblick was an seinen Autos aerodynamisch auftauchte und neu in der Szene war.
Sicherlich kann man aber sagen,daß das bloße Anbauen von Flügeln noch keinem zum Godfather macht.
Da sind doch die Entwicklung eines Front-Splitters größere Leistungen,da es sowas vorher nicht vergleichbar gab und nicht einfach adaptiert werden konnte.
Ein Flügel ist ja nunmal aus der Fliegerei bekannt,man muss ihn nur noch richtig verstehen und einbauen.
Zuletzt geändert von cobra am Montag, 02. Januar 2006, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag Montag, 02. Januar 2006

Beiträge: 8060
@cobra: gerade dieser 2H ist ein sehr interessantes Auto. John Surtees, einer der technisch versiertesten Piloten seiner Zeit, schaffte es nicht dem Auto Manieren beizubringen und zerstritt sich heillos mit Hall, der ständig an dem Auto herumbastelte. Ich denke aber der Grundfehler im Auto ist im Chassis (viel zu kurzer Radstand, Starrachsen) zu suchen, die Aerodynamik konnte da auch nicht mehr viel helfen, bzw. kaputt machen. Ich werde mal Material darüber zusammenstellen. Ist wirklich sehr interessant.

Beitrag Montag, 02. Januar 2006

Beiträge: 454
Ob nun die Aerodynamik-Auswüchse etwas gebracht haben oder nicht - es ist auf jeden Fall ein bemerkenswertes Renn-Auto aus der Zeit. Nicht schön, eher skurril.

Dass das Reglement solche Auswüchse überhaupt zuliess...

Beitrag Montag, 02. Januar 2006

Beiträge: 8060
Wenn ich mich recht erinnere sollte das Auto ursprünglich OHNE diesen Mittelflügel und mit einer Art Flugzeugkanzel fahren. Surtees mochte die Kanzel nicht, weil er das Fahrverhalten des Autos darin zu wenig beobachten konnte. Und der Mittelflügel wurde aufgepflanzt um das Fahrverhalten zu verbessern(!) - also dürfte das Bild mit dem Flügel eine später Variante sein, die Flügellosen frühe.

Beitrag Montag, 02. Januar 2006

Beiträge: 8060
Peterson78 hat geschrieben:
...es ist auf jeden Fall ein bemerkenswertes Renn-Auto aus der Zeit. Nicht schön, eher skurril.

White Whale oder Moby Dick waren die Spitznamen dafür. Passt ja ziemlich gut... :lol: :lol:

Beitrag Montag, 02. Januar 2006

Beiträge: 454
Alfalfa hat geschrieben:
White Whale oder Moby Dick waren die Spitznamen dafür. Passt ja ziemlich gut... :lol: :lol:


Köstlich ! Kann mich erinnern, dass auch eine Le Mans - Version des Porsche 935 "Moby Dick" genant wurde (weil die Porsche damals auch weiss waren).

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