formelchen hat geschrieben:
Naja es gibt ja eigentlich nur drei wesentliche Elemente.
Unterboden, Frontflügel, Heckflügel
Das sind die drei Bereiche in denen die Teams noch halbwegs Spielraum haben.
Die Airbox ist sehr stark reglementiert, die Kühleinlässe in den Seitenkästen sind bei fast allen Teams recht gleichgroß und auf den Seitenkästen darf auch nichts besonderes mehr gebaut werden.
Grundsätzlich richtig, aber wie so oft ist es nicht ganz so einfach.
Der Frontflügel ist mit Abstand das wichtigste Aerodynamik-Teil am gesamten Auto bei einem modernen F1-Auto, da er die gesamte Luftströmung um das Auto beeinflusst bzw. das Konzept vorgibt. Mit geschickt induzierten Wirbeln kann man es schaffen, den Unterboden "abzudichten" (das heißt, dass keine oder weniger Luft von der Seite unter den Unterboden gezogen wird) und damit dessen Performance massiv erhöhen. Ebenso kann der Frontflügel die Anströmung des Heckflügels massiv beeinflussen.
Der Heckflügel selber ist zwar sehr wichtig und sorgt für einen guten Teil des Abtriebs, aber man kann damit nicht wirklich sonderlich abgefahrene Sachen machen. Man sieht immer mal wieder kleinere Spielereien aber abgesehen von unterschiedlichen Anstellwinkeln und Größen der Flaps hält sich das echt ziemlich in Grenzen.
Am Unterboden selber kann man leider heutzutage auch nicht mehr so richtig viel machen, das Verbot des Anblasens (dabei wurden die Auspuffgase ursprünglich unter das Auto geleitet und konnten dort Abtrieb unabhängig von der Fahrzeuggeschwindigkeit erzeugen (super in langsamen Kurven); später wurde das verboten und man hat die Auspuffgase geschickt genutzt um den Unterboden wie oben beschrieben "abzudichten") hat das ganze am Unterboden selber etwas langweiliger gemacht. Verschiedene Luftleitbleche, Wirbel-Erzeuger (wie sagt man das? vortex generators meine ich) und das Anstellen des Fahrzeugs sind die wesentlichen Sachen die man da machen kann. Die Höhe des Diffusors am Heck ist vorgegeben, unterm Auto ist das auch bis kurz vorm Heck alles nahezu vollständig vorgegeben, lediglich im letzten Bereich könnte man kreativ werden, aber was den Winkel bzw. den Verlauf des Winkels angeht gibt es durch die Strömungsmechanik auch nicht mehr wirklich Spielraum, da muss man einfach nur aufpassen, dass die Strömung sich nicht ablöst und keine Wirbel entstehen (bzw. nur da wo man möchte). Da gibt es, genauso wie bei den grundsätzlichen Flügelgeometrien (im Querschnitt) ein paar Profile, die grundsätzlich sinnvoll sind, die aber auch in recht simplen Lehrbüchern nachzulesen sind. Wenn man da aufpasst unterscheidet sich das sowohl bei den Unterböden als auch bei den Flügeln (beim Heckflügel sieht man's am besten) nicht großartig.
Wo heutzutage in meinen Augen die wirkliche Kunst liegt ist in der nicht so offensichtlichen Aerodynamik, also der Geometrie der Motorabdeckung, Nasenunterseite, Seitenkästen usw. Damit kann man die Performance des Unterbodens und des Heckflügels massiv beeinflussen. Dabei geht es auch längst nicht nur um Geradeausfahrt bei Volllast, sondern insbesondere das Verhalten des Abtriebs beim Lastwechsel, bei hartem Bremsen, bei Queranströmung des Autos(in der Kurve oder bei Seitenwind), unter Einfluss mehrerer Lasten (Beschleunigen/Bremsen plus Lenken), beim Fahren im Windschatten oder auch bei Rückenwind.
Gerade bei den neuen Power Units ist da dann die Kühlung bzw. viel mehr das Thermomanagement von existentieller Bedeutung. Man möchte für die optimale Anströmung der Oberseite des Diffusors gerne möchlist schmale Seitenkästen und Heck haben (coke bottle/bottle neck shape), allerdings darf die Power Unit auch nicht zu heiß werden. Zu heiß bedeutet dabei, dass die Lebensdauervorgabe des Reglements beeinträchtigt wird, nicht mehr und nicht weniger. Motoren oder Power Units werden so heiß betrieben wie es das Design auch nur irgendwie zulässt. Nicht ohne Spaß hört man gelegentlich Funksprüche an Fahrer, dass sie etwas Abstand halten sollen oder aus dem Windschatten herausfahren sollen auf der Geraden, um die Power Unit zu kühlen. Neben dem bestmöglichen Packaging ist aber auch das Design der Öffnung am Heck wichtig. Wenn man mehr Kühlluft benötigt, braucht mein eine größere Öffnung. Damit wird der Diffusor nicht mehr optimal angeströmt, der Monkey Seat arbeitet auch nicht mehr optimal und unter Umständen leidet auch die Heckflügel Performance deutlich. Viel hängt dabei auch davon ab, ob man es schafft, die heiße Abluft laminar ausströmen zu lassen oder ob sie eher turbulent austritt und zu Strömungsablösungen am Diffusorende führt (zB).
Mercedes und Ferrari haben beide beim Thermomanagement interessante Ideen gezeigt, wobei Ferrari zeitgleich an einigen Stellen so den Bock abgeschossen hat, dass das garnicht debattiert wurde. Ferrari kühlt die Ladeluft nicht direkt in einem Ladeluftkühler im Seitenkasten sondern direkt am Motor über einen mit Kühlwasser durchströmten sehr kleinen Luft-Wasser Ladeluftkühler. Dieser kann sehr klein sein, da Wasser eine deutlich höhere Wärmekapazität hat und damit auf der gleichen Fläche ein größerer Wärmestrom übertragen werden kann. Das Kühlwasser für den Ladeluftkühler ist dabei nicht mit dem des Motors verbunden, sondern es ist ein eigenständiger Kreislauf, wobei das Wasser in einem (auch ziemlich kleinem) Wasser-Luft Kühler im Seitenkasten gekühlt wird. Das hat, wie man sich denken kann, einen nicht zu vernachlässigenden Gewichtsnachteil. Allerdings ist der Package-Vorteil erheblich und man verkürzt das Volumen des Ansaugsystems, was zu einem besseren Ansprechverhalten führt (das kann man mit den heutigen Motoren aber auch anders bewirken, siehe Mercedes). Zusammen mit extrem effizienten Kühlern von mezzo technologies, ist das in meinen Augen nach wie vor ein äußerst interessantes Konzept.
Mercedes hat wiederum beim Packaging und Thermomanagement den wichtigeren Schritt gemacht, indem sie den Krümmer als Log-Style ausgeführt haben (ein dickes Sammlerrohr quasi direkt am Zylinderkopf in das kurze Runner von den einzelnen Zylindern führen). Damit ist der Auspuff bis zur Turbine so kurz und vom Raumbedarf her so klein wie irgendwie möglich und damit auch die dort durch Strahlung abgeführte Wärme (Wärmeleitung ist bei den Abgastemperaturen nicht sonderlich relevant). Ein weiterer Vorteil ist, dass der Log-Style Exhaust wesentlich leichter zu dämmen ist als ein verwinkelter Krümmer mit möglichst gleichen Runner-Längen. Ferrari hat das Dämmen/Isolieren sogar komplett versäumt (das grenzt wirklich an Dummheit in meinen Augen). Das Dämmen hat neben der geringeren Wärmeabfuhr durch Strahlung den zusätzlichen Vorteil, dass die Abgase heißer an der Turbine ankommen und damit mehr Enthalpie (Energiegehalt) besitzen und damit auch mehr Leistung an die Turbine abgeben können.
Neben dem schlauen Auspuff hat Mercedes aber auch durch das Verschieben des Verdichters vor den Motor einen großen Vorteil. Der Verdichter ist, insbesondere bei Mercedes, nämlich eher riesig und sitzt bei den anderen Teams an einer Stelle, die man normalerweise eher schlank ausführen würde von der Motorverkleidung her. Außerdem rückt so die Turbine weiter nach vorne, wodurch man die Verkleidung nochmal enger anlegen kann.
Damit hat Mercedes auch bei der Aerodynamik einfach erheblich größere Freiheiten als andere Teams das haben, wodurch man weniger Kompromisse eingehen muss und für ein Problem nicht mehr die absolut abgefahrenste Lösung aus dem Hut zaubern muss, sondern oft den Luxus hat, zunächst relativ pragmatisch vorgehen zu können.
Ich bin gespannt, ob Mercedes evtl. über einen Wechsel auf Luft-Wasser Ladeluftkühler nachdenkt. Die Frage ist, ob das in deren Packaging sinnvoll zu integrieren ist. Daneben wundert es mich bislang noch, dass die Teams ihre Auspuffanlagen nicht grundsätzlich doppelwandig (also luftspaltisolierte Abgasanlage) ausführen. Das ist bei manchen Herstellern Serientechnik und insbesondere beim Mercedes Krümmer ziemlich leicht umzusetzen. Aus Sicht des Thermomanagements wäre es aber auch nach der Turbine durchaus noch sinnvoll, da die Verkleidung dann wieder näher dran kann. Ist in Inconel sicherlich der absolute Krampf, das herzustellen, aber dann kostet die Abgasanlage halt nen Faktor 5 von dem was sie jetzt kostet (vielleicht spielte da in 2014 auch noch die Zuverlässigkeit eine größere Rolle).
SO.
Das hatte ich mir schon 2 oder 3 mal gedacht als ich das Thema hier gelesen habe, hatte aber nie die Muße dazu. Habe jetzt nichts 2 mal gelesen und hoffe man kann es nachvollziehen und ich habe nichts wesentliches vergessen
Gruß
Johannes