Vettel-T-Best hat geschrieben:
Also so wie ich das verstanden habe, werden die Hinterräder auf zwei Arten gebremst: klassisch über die Bremsscheiben, und über den ERS Generator, wobei die Kraft über die Antriebswellen übertragen wird.
Da die Menge an kinetischer Energie, die der Generator dabei abzweigt nicht bei jedem Bremsvorgang die gleiche sein wird, muß die Bremskraft die dann noch über die Bremsscheiben erzeugt wird dieser angeglichen werden. Somit hängt die Dosierung des hydraulischen Drucks der hinteren Bremskolben erstmals nicht direkt am klassischen Bremskraftsytem über Hauptbremszylinder und dem Bremspedal, sondern wird elektronisch dem Bedarf des ERS Generators angepaßt um einen konstanten Verzögerungswert gewährleisten zu können.
Ich fürchte jedoch, daß sich dadurch neue Probleme ergeben werden. Bei erhöhtem Ladebedarf durch den Generator zum Beispiel, wird die Scheibenbremse weniger bis garnicht genutzt. Die Folge wäre, daß sie daraufhin auskühlen könnte, und bei der nächsten Betätigung nicht in dem Maße verzögert, wie gedacht. Folge wäre ein Verbremser, für den der Fahrer nicht mal was könnte...
Ich denke über kurz oder lang, werden die Bremsscheiben an der Hinterachse ganz verschwinden.
Letztlich ist das Prinzip der Regelung garnicht mal so schwer. Man macht das, genau wie die Motorsteuerung, einfach momentenbasiert. Bei der Motorsteuerung bedeutet das, dass aus der Fahrpedalstellung ein Wunschmoment gerechnet wird, dass der Fahrer gerade gerne hätte. Dazu kommen alle möglichen weiteren Momente von Nebenaggregaten wie der Lichtmaschine, dem ERS-K, ERS-H, Traktionskontrolle(OK, haben wir jetzt nicht), Eingriffe beim Schalten usw.
Genau das kann man bei der Bremse letztlich auch machen. Ich gehe davon aus, dass dies nicht über die Bremspedalstellung sondern über den Bremsdruck im vorderen Bremskreislauf oder einen Kraftaufnehmer irgendwo am Bremspedal/an der Hauptbremszylinderanlenkung geschieht. Anders als beim Gaspedal ist bei der Bremse nämlich die Kraft und nicht der Weg die entscheidende Führungsgröße.
Wenn man jetzt diese Wunsch-Bremsmoment hat, geht es daran, wie man das umgesetzt bekommt. Über das ERS-K ist das eine relativ simple Sache, in Abhängigkeit vom Gang kann man das aus Kennfeldern von der E-Maschine einfach bestimmen, kein großes Ding. Dazu kommt dann zunächst einmal die normale Bremse. Bei dieser wird es auch bereits vorhandene Werte von den Bremsenprüfständen geben, wie sich das ganze in Abhängigkeit von der Bremsscheiben-, -belag-, -sattel- und -flüssigkeitstemperatur sowie dem anliegenden Bremsdruck verhält. Eine weitere Rolle spielt da natürlich der Verschleiß. Das sind letztlich zwar Daten die an und für sich bekannt und aus einem Prüfstand bedatbar sind, aber ich bin mir nicht sicher, wie exakt das bislang aufgezeichnet wurde bei den Untersuchungen für das Bremssystem. Rein von der Komplexität ist das auf jeden Fall eine ziemlich große Baustelle, da hat man einige verschachtelte Kennfelder, wenn die Funktionsstruktur der Software da nicht passt hat man schonmal verloren.
Damit hätten wir dann das ERS-K und die normale Bremse, jetzt wird es interessant - denn es gibt noch mehr. Der Motor selber hat je nach Position der Drosselklappen, Drehzahl, Drehzahlgradient, Motortemperatur und geforderter Lichtmaschinenleistung (vll. auch noch ein paar weitere Sachen...) ein bestimmtes negatives Drehmoment im Schiebebetrieb. Das hört sich erstmal hochkomplex an, ist aber eine Sache die immer schon intensiv auf Motorenprüfständen untersucht wurde (ist auch bei Last interessant). Neuerdings kommt aber auch das ERS-H hinzu, dass den Abgasgegendruck deutlich erhöhen kann und damit das Bremsmoment des Motors noch zusätzlich beeinflusst. Da muss man dann zum einen eine exakte Ansteuerung des E-Motors haben, zum anderen muss man die Auswirkungen auf den Motor genau aufgezeichnet haben.
Also, ERS-K, normale Bremse, Motor, ERS-H. Jetzt kommt noch einer der in meinen Augen schwierigsten Teile: Das Schalten. Ich weiß persönlich nicht genau, wie die Formel 1 runterschaltet. Normalerweise ist da zumindest in irgendeiner Form ganz kurz die Kupplung involviert, in jedem Fall gibt es irgendwo im Antriebsstrang ein Element in dem Schlupf auftritt um die Drehzahlen anzupassen. Genau beim Runterschalten ändert sich damit eine ganze Menge: Kurzzeitig steht nur noch ein Teil des Bremsmomentes von ERS-K, Motor und ERS-H zur Verfügung, die hydraulische Bremse muss also weiter zugemacht werden. Dann kommt aber sehr zügig das Bremsmoment von dem ganzen Quatsch wieder hinzu, und das auch noch mit einer anderen Getriebeübersetzung also einem komplett anderen Betrag; aber auch mit einer gewissen Rate. Das halte ich persönlich dann für recht schwierig in Einklang zu bringen bzw. es ist einfach ein deutlich vergrößerter Kalibrieraufwand, der wirklich am Auto stattfinden muss und nicht auf einem Prüfstand.
Inwiefern kurze Bremsmomentspitzen eine starke Auswirkungen auf die Fahrzeugstabilität haben, kann ich auch nicht ganz abschätzen, das kommt doch sehr stark auf die Reifen an und die Attitude mit der das Fahrzeug die Kurve anbremst.
Was mir gerade noch einfällt, da ich ein Auto kenne, dass damit massive Probleme hatte: Der gesamte Antriebsstrang ist prinzipiell ein schwingfähiges System (Drehschwingungen!). Je nach Situation und Verschaltung von den ganzen Aggregaten kann das auch noch einen Einfluss haben. Ich gehe aber eigentlich davon aus, dass Motor- und Getriebehersteller sowie die Leute die sich um Antriebswellen und Radnabe kümmern sich da zusammensetzen und die Eigenfrequenzen des ganzen Pakets austüfteln und in Bereiche verlegen, in denen sie nicht relevant sind.
Wobei ich bei Renault da mittlerweise vorsichtig wäre, wenn die wirklich Motor und Getriebe oder Motor und gesamte HV-Elektrik nicht zusammen auf dem Prüfstand hatten, kann da auch noch was im Argen sein.
[Ich frage mich ja ganz ehrlich, wie die Jungs SO dumm sein konnten. Das sollte wirklich jeder wissen, der mal etwas mit Antriebsstrangentwicklung oder auch nur irgendeiner Systementwicklung (noch nichtmal zwingend an nem Auto) zu tun gehabt hat]