Was sagt ihr?
Hier mal ein kleiner Info-Text:
Die Ära der großen Comebacks geht weiter: Nach Michael Schumachers Comeback in der Formel-1 zieht die so genannte amerikanische Formel-1, die IndyCars nach: Jean Alesi wird 2012 das Indy 500 bestreiten! Der Franzose ist eine tragische Figur in der Formel-1, gilt bis heute als einer der besseren Fahrer seiner Zeit, obschon nur mit einem GP-Sieg gesegnet. Nun will er zurück in den Formel-Sport – und hat sich die IndyCar dafür ausgesucht. Seit 2010 arbeitet Alesi als Berater der Lotus-Gruppe, die nicht nur das F1-Team Renault unterstützt, sondern zusammen mit dem Motorenpartner Judd einen eigenen IndyCar-Motor für die Saison 2012 entwerfen wird. Ab Dezember wird das neue Triebwerk auf Herz und Nieren geprüft – von Alesi persönlich.
Die Tests will der sympathische Alesi auch zur persönlichen Vorbereitung für die Indy-500 heranziehen. Denn für Alesi wird der Klassiker, der seit 1911 (nur durch die beiden Weltkriege unterbrochen) ausgetragen wird (von 1950 bis 1960 sogar als Teil der Fahrerweltmeisterschaft in der Formel-1!), das erste IndyCar-Rennen überhaupt. Er muss sich also erst auf die Ovalkurse einschießen, denn beim Indy 500 wird wirklich nur im Kreis gefahren. Keine Schikanen, keine komplizierten Kurven, sondern ganz schlicht ein in die Länge gezogener Kreis. Jim Clark gewann 1965 nicht nur die F1-Weltmeisterschaft, sondern auch das Indy 500. Er sagte nach seinem Sieg: „Ich bin halt einfach 800 Mal links rum gefahren.“ Die Schmach für die Amerikaner war perfekt.
Solche Äußerungen gehören aber zum normalen Wortgebrauch von Clark. So einfach sind Ovalrennen nicht, das spürt seit zwei Jahren auch Will Power. Der Australier kämpft derzeit für die Penske-Mannschaft, die in den 70er Jahren auch in der Formel-1 unterwegs war, um die Meisterschaft. Auf den Rundkursen, also auf Strecken, die auch von der Formel-1 besucht werden oder zumindest werden könnten, ist Power besonders im Qualifying nicht zu schlagen. Er ist quasi der Ayrton Senna der IndyCar, bezogen au das Quali. Auf Rundkursen muss Power sich aber klar Dario Franchitti beugen. Der Schotte, Cousin von F1-Senkrechtstarter Paul di Resta, wurde die vergangenen zwei Jahre IndyCar-Meister mit dem Ganassi-Team, dieses Jahr kämpfen wieder er und Power um die Krone. Franchitti mit Vorteilen auf den Ovalkursen, Power mit Vorteilen auf den Rundkursen. Es ist ein spezielles Duell dieser beiden Fahrer.
Die Schlüsselfrage zum möglichen Indy-500-Sieg von Jean Alesi, sein klar erklärtes Ziel dieses Projekts, ist also: Kommt Alesi auf den Ovalkursen zurecht? Denn alle anderen Probleme sind lösbar. Da wäre die Frage nach dem Team. Die Topteams Penske, Ganassi und Andretti haben ihre Motorenpartner für die Saison 2012 bereits bekannt gegeben, der Name Lotus ist aber nicht dabei. Die besten für Lotus möglichen Optionen sind jetzt Newman Haas und Sam Schmidt. Newman Haas, jenes Team von Carl Haas, das Mitte der 80er Jahre auch eine Randnotiz in der Formel-1 war, hat bereits mehrere Meisterschaften gewinnen können (zuletzt vier in Folge mit Sébastien Bourdais), nie aber das Indy 500. Und: Seit der Spaltung der Serie 1996 und der Wiedervereinigung 2008 fährt Newman Haas auf Ovalkursen großen Erfolgen hinterher. Das Team von Sam Schmidt wächst und gedeiht und konnte 2011 vor allem mit Alex Tagliani die großen Teams ärgern: Der Routinier aus Kanada holte sich 2011 beim Indy 500 auch die Pole Position. Eine Zusammenarbeit von Lotus mit einem dieser beiden Teams würde Alesi helfen, denn die Zusammenarbeit mit dem KV-Team von Jimmy Vasser wird mit dem Ende dieses Jahres zu Ende gehen. Aber selbst das braucht es nicht: Dan Wheldon hat das diesjährige Indy 500 mit einem Team gewonnen, das nur zum Indy 500 angetreten ist – und noch dazu wesentlich kleiner ist als die Topteams von Penske, Ganassi und Konsorten. Wheldon gewann de facto mit einer Indy-Lights-Mannschaft, zusammengestellt von Ex-IndyCar-Frontrunner Bryan Herta.
Das zweite lösbare Problem: Fahrerfeld. Jacques Villeneuve übertreibt vielleicht etwas, bringt es aber auf den Punkt: „Die IndyCars interessieren mich nicht, da haben manche Fahrer nicht einmal F3-Niveau!“ Der Kanadier muss es wissen: Der F1-Weltmeister von 1997 gewann 1995 das Indy-500. Villeneuve spricht dabei die Problematiken einiger Hinterbänkler an, ansonsten ist das Fahrerfeld durchaus stark, aber für Alesi sicherlich bezwingbar. Meist finden wir in der IndyCar Fahrer vor, die den Sprung in die Formel-1 knapp verfehlt haben, wie etwa Wheldon (Honda-Test 2005), Franchitti (McLaren- und Footwork-Tests 1993), Power (Minardi-Tests 2004) oder Ryan Briscoe (Toyota-Freitagstestfahrer 2003); oder auch Fahrer, die sich in der Formel-1 nur kurz halten konnten, wie Sébastien Bourdais (2007/2008 bei Toro Rosso), Justin Wilson (2003 Minardi und Jaguar) oder Takuma Sato (2002 Jordan, 2003-2005 BAR, 2006 und 2007 Super Aguri), oder auch ein paar amerikanische Stars, die nie wirklich die Formel-1 im Sinn hatten oder haben, wie Paul Tracy, Graham Rahal oder Marco Andretti.
Bleibt das dritte Problem: Kann Jean Alesi mit 47 Jahren das Indy 500 noch gewinnen? Die IndyCar-Rennen sind nicht so anstrengend wie F1-Rennen, bei weitem nicht. Ein Profisportler kann mit 47 Jahren durchaus das Rennen noch für sich entscheiden und die Statistik unterstreicht das. Nun mag es Einwände geben, dass auch in der Formel-1 Fahrer über 45 Jahre schon F1-Rennen gewonnen haben, das aber in den 50er Jahren war – also lang, lang ist’s her. In der IndyCar ist das aber anders: Der Altersrekord kommt immerhin erst aus dem Jahre 1987, als Al Unser mit einem March Cosworth des Penske-Teams und vor allem mit fast 48 Jahren das Indy 500 für sich entschied. Alesi wäre bei einem Sieg 2012 um ein paar Tage jünger als Unser 1987, damals aber nicht sein erster Sieg und eine feste Größe bei den IndyCars. Zehn Jahre später war Arie Luyendyk aus den Niederlanden nur drei Jahre jünger als Al Unser. Und was auch für Alesi spricht: Auch aus der Formel-1 abgetretene Größen trumpften im hohen Alter beim Indy 500 nochmals auf: Emerson Fittipaldi war bei seinem Sieg 1993 in einem Penske Chevrolet auch 47 Jahre alt – so alt, wie Alesi bei seinem Start 2012 auch sein wird.
Die zehn ältesten Indy-500-Sieger:
1. Al Unser (USA) 1987 (Penske; March Cosworth): 47 Jahre
2. Bobby Unser (USA) 1981 (Penske; Penske Cosworth): 47 Jahre
3. Emerson Fittipaldi (BRA) 1993 (Penske; Penske Chevrolet): 47 Jahre
4. Gordon Johncock (USA) 1982 (Patrick; Wildcat Cosworth): 44 Jahre
5. Arie Luyendyk (NED) 1997 (Treadway; G Force Oldsmobile): 43 Jahre
6. Sam Hanks (USA) 1957 (George Salih; Salih Offenhauser): 42 Jahre
7. Emerson Fittipaldi (BRA) 1989 (Patrick; Penske Chevrolet): 42 Jahre
8. AJ Foyt (USA) 1977 (Foyt; Coyote Foyt): 42 Jahre
9. Johnny Rutherford (USA) 1980 (Chaparral; Chaparral Cosworth): 42 Jahre
10. Mauri Rose (USA) 1948 (Lou Moore; Deidt Offenhauser): 42 Jahre