Gilles Villeneuve war wegen seines wilden Fahrstils ein Publikumsliebling. Auch Jacques Villeneuve hob sich mit seiner Art vom Rest des Feldes ab. Jetzt freuen sich viele Fans, dass er in die Formel-E wechselt.
Die sensationelle Rückkehr des Kanadiers in den Rennsport kommt gut an, weil Villeneuve mit seiner Art einzigartig ist. Er lässt sich nicht verbiegen, er prüft nicht die Worte, die ihm auf der Zunge liegen, nach politischer Korrektheit, er sagt, was er denkt und fühlt. Immer wieder eckte er damit an, er spaltete die Fanmassen, er polarisierte. Aber in Zeiten von plattgebügelten PR-Kaffeekränzchen sind solche Typen wie Villeneuve, oder auch Kimi Räikkönen in der Formel-1, so begehrt und beliebt wie selten davor.
Als Villeneuve 2006 Mitte der Saison von BMW Sauber aus der Formel-1 geworfen wurde, war das keine große Schlagzeile wert. Als Villeneuve danach mehrfach versuchte, zurückzukommen, gab es auch dafür zu wenig Unterstützung. Dabei verlor die Formel-1 2006 mit Jacques Villeneuve und Juan-Pablo Montoya zwei echte Charaktere.
Das Auge fährt mit
Das Problem, das Villeneuve 2006 hatte: Viele hatten nicht mehr das Gefühl, er sei noch richtig konkurrenzfähig. Heute sind sich Historiker einig: Sein Wechsel 1999 ins BAR-Team hat ihm die Karriere zerstört. Denn nach elf Siegen und einem WM-Titel mit Williams wollte Villeneuve zusammen mit seinem Manager Craig Pollock ein eigenes Projekt an die F1-Spitze führen. Doch trotz eines ordentlichen Budgets klappte das nie. Erst wurde Pollock, dann Villeneuve auf die Straße gesetzt.
2004 erfolgte die erste Villeneuve-Rückkehr. Mit den neuen Fahrzeugen kam er aber nicht mehr klar, seine Leistungen 2004 bei Renault und 2005 bei Sauber waren mangelhaft. 2006 ging es gerade wieder bergauf, aber Villeneuve war für BMW nur ein Sauber-Überbleibsel und daher eher ein Dorn im Auge. Die Entlassung kam nicht überraschend, für Villeneuve aber zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt.
Danach hatte er einige Pläne, Projekte und Ideen, aber so recht Fuß fassen konnte er nirgends mehr. Er beobachtete aber die Rennszene nach wie vor, er bewertete und kommentierte sie mit gewohnt scharfer Zunge und ohne Blatt vor dem Mund. Villeneuve machte sich so natürlich nicht zu viele Freunde, das hatte er auch noch nie.
Er war immer extravagant. Was öfter wechselte, seine Haarfarbe oder sein Haarschnitt – er wird es wohl selbst nicht wissen. Villeneuve ist aber nicht nur für seinen einzigartigen Charakter bekannt geworden, sondern auch durch sein WM-Duell mit Michael Schumacher 1997. Es war kein Duell, es war eine Rivalität. Beide standen kein einziges Mal gemeinsam auf dem Podium, aber sie führten abwechselnd die WM an. Die Entscheidung fiel in Jerez und sie war kein Ruhmesblatt für Schumacher. Mit einem Rammstoß wollte er eine Entscheidung per Kollision herbeiführen (so gewann er 1994 gegen Damon Hill), doch er scheiterte daran – und wurde auch noch aus der WM-Wertung genommen.
Der Mut fährt mit
Villeneuve stand unterm Strich trotzdem im Schatten von Schumacher. Der Williams Renault hatte auch gewisse Vorzüge im Vergleich zu Schumis Ferrari. Aber Villeneuve stand nicht nur im Schatten von Schumacher – sondern auch im Schatten seines Vaters Gilles Villeneuve. Trotz seines eigenwilligen Charakters und obwohl er 1997 das nachholte, was sein Vater nicht schaffte – Jacques konnte nie den Heldenstatus seines Vaters Gilles Villeneuve erreichen.
Gilles Villeneuve absolvierte von 1977 bis ’82 insgesamt 67 F1-Rennen, gewann davon deren sechs – aber noch viel wichtiger: Er eroberte die Herzen der Fans. Optisch wirkte er zurückhaltend, ja fast schon schüchtern, aber wehe denn er saß in seinem feuerroten Ferrari – dann gab es einen motorsportlichen Leckerbissen, einen offensichtlichen Augenschmaus für alle Fans.
Keiner nahm eine F1-Kurve mit so viel Mut, mit so viel Risiko, mit so viel Spektakel wie Gilles Villeneuve. Wenn er nicht im wilden Drift aus der Kurve kam, dann war was nicht in Ordnung, aber das gab’s eh selten. Villeneuve gab nie nach. Sein Duell mit René Arnoux beim Frankreich GP ist bis heute legendär. Es ging nur um Platz zwei, aber sie fuhren, als gäbe es kein Morgen und würde die an diesem Tag die WM zwischen beiden entschieden werden. Keiner gab nach, jeder erfand die Grenzen der Strecken neu, beide schreckten auch vor Berührungen nicht zurück. Wer sehen will, wie es wirklich aussieht, wenn zwei F1-Fahrer am Limit kämpfen, dem sei es wärmsten empfohlen, bei „Youtube“ mal die Szenen zu suchen – das geht schnell und man wird es nicht bereuen. Und nach dem Genuss dieses Videos kann man auch gerne nochmal über DRS-Systeme und schnell abbauende Pirelli-Reifen nachdenken…
Gilles Villeneuve wird immer mit Ferrari in Verbindung gebracht werden. Auch wenn er sein erstes Rennen noch für McLaren absolvierte. Schon bei seinem zweiten F1-Auftritt 1977 in Japan saß er aber im Ferrari – und hatte seinen ersten schweren Crash. Er stieg über den Tyrrell Ford von Ronnie Peterson auf und überschlug sich mehrmals. Er landete in einer Absperrzone, wo zwei Zuschauer getötet wurden. Sie hätten sich da aber nie aufhalten dürfen.
Villeneuve und seine Ferrari-Teamkollegen – auch das ist eine besondere Geschichte. Gegen Jody Scheckter verlor er 1979 den Titel im direkten Duell, wenn auch nur knapp. Scheckter war einfach konstanter. 1982 hatte Villeneuve wohl die besten Chancen auf den Titel. Aber er überlebte das Qualifying in Zolder nicht: Nach einer Kollision mit dem Deutschen Jochen Mass überschlug er sich, er wurde aus dem Cockpit und gegen einen Fangzaun geschleudert. Dabei zog er sich tödliche Verletzungen zu.
Sein Teamkollege war damals Didier Pironi. Auch der Franzose verunglückte später in der Saison schwer. Noch mehr belastet hat ihn aber das am Schluss zerrüttete Verhältnis mit Villeneuve. Ausgangspunkt war das Rennen in Imola, das Ferrari nach Belieben dominierte. Pironi missachtete einen Nichtangriffspakt, Villeneuve tobte und war sauer.
Ein dritter fährt mit
Es gab auch noch einen dritten Villeneuve. Jacques, der Ältere. Er ist der jüngere Bruder von Gilles Villeneuve. Mit Arrows und RAM versuchte er sich von 1981 bis ’83 vergeblich für ein F1-Rennen zu qualifizieren. In der IndyCar war er später besser. Er schrieb 1985 in Elkhart Lake sogar Geschichte, als erster Kanadier, der ein IndyCar-Rennen für sich entschied. In den GP-Meldelisten taucht sogar noch ein vierter Villeneuve auf: Louis Villeneuve fuhr in den 30er Jahren mit Bugatti und Delahaye bei GP-Rennen mit, kam aber aus Frankreich und hatte mit der kanadischen Villeneuve-Dynastie nichts am Hut.