MotoGP, interessiert das hier jemanden? Nein? Schade...
An mangelndem Diskussionspotenzial kann es ja eigentlich nicht liegen. Über die Saison immer wieder wirklich packende, kontroverse Zweikämpfe, ein wieder erstarkter Valentino Rossi, Jorge Lorenzo, der zwar nicht immer konstant, aber dafür immer wieder unglaublich schnell ist, Marc Marquez, dessen Dominanz zwar gebrochen ist, der aber immer für ein starkes Einzelresultat da ist...
Und dann, vor anderthalb Wochen, der Grand Prix von Malaysia. Selbst wenn man den Zusammenstoß von Rossi und Marquez - der für mich bei jeder Wiederholung weniger eindeutig wird - an sich außer acht lässt, ist so viel passiert. Rossi bekommt für die Kollision drei Strafpunkte, zusammen mit dem einen, den er bereits gesammelt hat, bringt ihn das für Valencia in eine ungleich schlechtere Ausgangslage für das Rennen. Vor allem auch deswegen hat er das Urteil angefochten, bis Freitag soll es eine Entscheidung geben.
Währenddessen schlägt die Geschichte im Internet und bei Fans und Betrachtern allgemein nur immer noch größere Wellen. Zwischen "that's racing" und Aufrufen zur Lynchjustiz in die eine odere andere Richtung ist wohl in etwa alles vertreten, was ein menschlicher Verstand sich ausdenken kann. Von einer spanischen Verschwörung zwischen Marquez und Lorenzo wird geschrieben, der Unfall und die Runden zuvor Frame für Frame auseinandergenommen und analysiert. Die Fanlager provozieren einander, werfen sich gegenseitig höchste Subjektivität und generelles Unverständnis vor. Gerade zu Anfang wurde vehement auf alles eingedroschen, was Valentino Rossi nahe stand oder auch nur den Versuch wagte, die Szene aus seiner Sicht zu rechtfertigen. Bis auf wenige solcher Rundumschläge hat sich die Situation inzwischen wieder auf ein halbwegs konstruktives Niveau beruhigt.
Deswegen wollte ich mich jetzt hier im Forum erkundigen: Wie seht ihr das?
Zum Unfall selbst fällt mir kein wirklich klares Urteil ein. Man muss aber auch sagen, dass er zwischen diesen beiden mit Ansage kam. Valentino Rossi ist seit Jahren für psychologische Kriegsführung bekannt und versucht systematisch, seine Gegner zu schwächen. Und Marc Marquez fährt bereits seit seiner 125er-Zeit Manöver am Rande der Sportlichkeit, bei denen er es doch zumindest billigend in Kauf nimmt, dass der Gegner den Kurvenausgang nicht mehr als aktiver Rennteilnehmer erlebt.
Wenn zwei derartige Persönlichkeiten, noch dazu in unglaublich talentierten Top-Fahrern auf einander treffen, besteht einfach Konfliktpotenzial. Bereits in Assen gerieten die beiden aneinander. Marquez attackierte vor der letzten Schikane in einer Aktion, die das Zurückstecken des Gegners bereits voraussetzt. Rossi machte erst im letzten Moment auf, um einen Unfall zu verhindern, musste neben die Strecke, blieb sitzen und gewann.
Rossi sieht wohl Marquez als seinen insgesamt größten Konkurrenten. Sonst würde er mit Sicherheit nicht ihm, sondern seinem WM-Rivalen Lorenzo derartige Aufmerksamkeit zukommen lassen. Ob das jetzt indirekte Psychologie durch Nichtbeachtung Lorenzos sein könnte, führt vermutlich zu weit, fest steht jedoch, dass sich Rossi und Marquez eindeutig als Hauptrivalen verstehen. Sonst würden sie einen solchen Nebenkrieg, bei dem es letzten Endes um nichts geht, nicht aufflammen lassen. Malaysia kann man von daher auch als vorläufiges Finale dieser Konfrontation betrachten. Beide wollten auf keinen Fall nachgeben, während er in Assen noch zurückgezogen hat, statuierte Rossi jetzt ein Exempel. "Bis hierhin und nicht weiter". Ob das Marquez wirklich eine Lehre sein wird, ist fraglich, schließlich fährt er seit Anfang seiner Karriere so, außerdem wird ihm in der Öffentlichkeit bereits einfrig die Opferrolle zugeschanzt.
Der nächste, strittige Punkt beginnt mit dem System der Strafpunkte in der Motorrad-WM. Der Ansatz dahinter ist sicherlich gut und richtig, nicht unnötig durch Bestrafungen in einen Rennverlauf einzugreifen. Auch ist jedes Vergehen einzeln zu betrachten, mit einem "Vergehen X=Strafe Y"-System würden viele, nicht eindeutige Rennsituationen falsch bewertet werden. Leider entsteht bei so viel Entscheidungsgewalt bei der Rennleitung aber auch schnell der Eindruck von Willkür oder - noch schlimmer - Einflussnahme. Warum bekommt Rossi gerade drei Punkte? Warum nicht zwei? Wäre es nur einer weniger, hätte das auf seine Startposition in Valencia keinerlei Einfluss. Wer einen Bezug zwischen Bestrafung und WM-Situation ziehen will, dem wird es hier wirklich leicht gemacht. Die Entscheidungen der Rennleitung sind nicht immer verständlich und Verständlichkeit ist für einen Sport äußerst wichtig (als Negativbeispiel siehe Formel 1 und DTM aktuell).
Das ist jetzt deutlich länger als erwartet geworden und ich habe immer noch einige Gedanken zum Thema, belasse es aber erstmal dabei.
Was sind eure Gedanken zur Fußstoßlegende?