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"Yesterday macht Geschichte"

Das Formel 1 Forum früherer Tage...

Beitrag Freitag, 30. März 2001
Tom Tom

Beiträge: 2713
Hi,

bei "Yesterday macht Geschichte" hab Ihr die Möglichkeit, historische Auszüge zu veröffentlichen und diese zu diskutieren, also die Zeit,
als noch keine Weltmeisterschaften ausgetragen wurden. Zur Einführung, folgender Text:

Das (inoffiziell) erste Rennen wurde 1887 in Paris ausgeschrieben, fand aber nur einen Teilnehmer, den De Dion -Bouton -Dampfwagen.

Entscheidend aber war das Jahr 1894, als die Zeitschrift \"Le Petit Journal\" einen Wettbewerb ausschrieb. Wagensysteme ohne Pferde von Paris nach Rouen (126 km). Als erster kam Graf de Dion in 6 Stunden und 48 Minuten ins Ziel,(damals entsprach sein Dion -Bouton nicht der Ausschreibung und die Siegerprämie von 5000 Franc wanderte zu Peugeot und Panhard - Levassor, die mit einem Zweizylindermotor von Daimler unterwegs waren) der auch Veranstalter des ersten offiziellem Automobilrennes am 11.06.1895 von Paris - Bordeaux- Paris war.

1895 benötigte man für die knapp 1200 Kilometer lange Strecke 48 Stunden und 47 Minuten, also eine Durchschnittsgeschwindigkeit von ca. 24 km/h. Emile Levassor, der gleichzeitig Konstrukteur, Hersteller und Rennfahrer war, erreichte diese Zeit.

1896 in Avingnon mußte er bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h ! einen Hund ausweichen und hatte einen fürchterlichen Abflug.
Marquis de Chasseloup stellte 1898 mit 63,1 km/h den damals offiziellen Geschwindigkeitsrekord auf. [br]----------------[br]Gruß

Tom
Ansprechpartner Yesterday
Herzliche Grüße

Tom

Beitrag Sonntag, 01. April 2001

Beiträge: 1477
Über Tazio Nuvolari, einem der grössten Fahrer der Vorkriegszeit, ist bereits an anderer Stelle vieles geschrieben worden, ich möchte deshalb hier keinesfalls eine weitere Biographie zum Besten geben, sondern mich auf die Geschichte seines letzten grossen Rennens beschränken.

Bereits kurz nach dem Krieg in 1946 fuhr Nuvolari wieder die ersten Rennen. Er war damals bereits 53, und ersthaft krank, die Auspuffdämpfe der methanolbetriebenen Rennmotoren hatten über die Jahre seine Lunge verätzt. Auch privat musste er immer wieder Schicksalsschläge hinnehmen, bereits 1937 starb sein ältester Sohn Giorgio an den Folgen einer Krankheit, und 1946 verstarb auch sein anderer Sohn im Alter von 18 Jahren. Sicherlich war er nicht mehr der alte, unbesiegbare Tazio, trotzdem schaffte er es immer wieder auf unterlegenem Material den einen oder anderen Sieg herauszufahren.

Die Mille Miglia war Italiens berühmtestes Rennen, zwar „nur“ ein Strassenrennen für Sportwagen, aber ein Sieg bei den „Tausend Meilen“ von Brescia nach Rom und zurück war für Hersteller und Fahrer immer schon etwas Besonderes. Nuvolari hatte die MM bereits in den 30er Jahren zweimal gewonnen, aber als krönenden Abschluss seiner Karriere wollte er unbedingt noch ein letztesmal siegen. Pierro Dusio hatte für Tazio einen der neuen Cisitalia genannt, aber der Wagen wurde kurz vor dem Rennen beschädigt und konnte nicht mehr rechtzeitig repariert werden. Alles sah danach aus, dass Nuvolari die Mille Miglia bereits vor dem Start verloren hatte, und er wusste genau, dass es für ihn die letzte Chance war.

Im letzten Moment hatte sein alter Freund Enzo Ferrari eine Lösung anzubieten. Für alle die mit der älteren Rennsporthistorie nicht so vertraut sind, Ferrari und Nuvolari waren Teamkollegen bei Alfa-Romeo in den 20er Jahren, und als die Scuderia Ferrari in den 30ern das Werkteam von Alfa war, war „Nivola“ Ferraris Fahrer Nummer 1. Ferrari hatte 1947 die ersten eigenen Autos gebaut, und für 1948 eine Serie von 8 Tipo 166 Spyder Corsa für die eigene Scuderia und für Kunden gebaut. Die Werkswagen waren für die Mille Miglia alle in festen Händen, aber Chassis No. 010I stand gerade in Maranello. Der Wagen gehörte Prinz Igor Troubetskoy, einem weissrussischen Emigranten mit französischem Pass, Ehemann von Barbara Hutton, der milliardenschweren Woolworth-Erbin. Troubetskoy musste kurzfristig nach Paris reisen, da seine Frau erkrankt war, und # 10I liess er bei Ferrari zurück (viele Privatfahrer liessen ihre Ferrari-Rennwagen durch die Scuderia betreuen). Kurzentschlossen stellte Enzo Ferrari Troubetskoys Wagen Nuvolari zur Verfügung, obwohl er dazu nicht authorisiert war.

Im Ferrari des Prinzen fand sich Nuvolari schnell da wo er hingehörte – an der Spitze. Obwohl er laufend von Hustenanfällen geschüttelt wurde und Bluck spuckte, lag er in Pescara weiterhin in Führung. Beim Umkehrpunkt in Rom betrüg sein Vorsprung 12 Minuten, in Livorno 20, und bis Florenz schaffte er es, 29 Minuten (!) auf den Zweiten herauszufahren. Eine Taktik hatte er nicht, er fuhr so wie er es gewohnt war – Vollgas und immer am äussersten Limit. Langsam löste sich der Ferrari in seine Bestandteile auf, erst flog die Motorhaube davon, und dann der linke Vorderkotflügel. Dann löste sich der Fahrersitz aus seiner Verankerung, und wurde kurzentschlossen über Bord geworfen und durch einen Sack Orangen ersetzt. Und „Nivola“ fuhr weiter Bestzeiten, er wusste, dass er nicht mehr lange leben würde, und dass dieses Rennen seine letzte grosse Chance war, er wollte nicht – er konnte nicht aufgeben!

Bild

Bei der Durchfahrtskontrolle in Maranello war Ferrari schockiert über Tazios Zustand, er bat ihn eindrücklich aufzugeben, auch auf die Gefahr hin, den ersten Mille-Miglia-Sieg für Ferrari zu verlieren. Er versprach ihm ein Auto für das folgende Jahr, aber Nuvolari antwortete „Für Männer in unserem Alter sind Rennen wie dieses selten geworden, und nächste Jahre noch seltener“. Viele glaubten damals, er wolle Selbstmord begehen, er wollte lieber am Lenkrad eines Rennwagens sterben als in einem Krankenhausbett.

Und weiter ging es über die langen geraden Landstrassen der Po-Ebene Richtung Ziel in Brescia, und selbst als die Bremsen ihre Funktion einstellten, war das noch lange kein Grund um aufzugeben. Erst als kurz vor dem Ziel die Hinterachsaufhängung des Ferrari brach, war es vorbei! Er hatte den kleinen Ferrari so schnell und so lange gefahren wie er konnte, und wenn das Auto ihn nicht im Stich gelassen hätte, hätte es nichts – aber auch nichts – auf dieser Welt gegeben, das ihn davon abgehalten hätte, diesen letzten grossen Sieg zu ergreifen! Sein Rennen war vorbei, er hielt am Strassenrand an, zu erschöpft um auszusteigen. Einer der Zuschauer, ein Pfarrer, hob ihn aus dem Auto, trug ihn in sein Haus, und legte ihn in ein Bett.

Einige Tage später erfuhr Prinz Troubetskoy, dass Enzo Ferrari sein Auto an Nuvolari ausgeliehen hatte, und er war nicht gerade erfreut, als ihm die Überreste präsentiert wurden. Er soll auch nicht begeistert gewesen sein, als die grossen italienischen Zeitungen ihm öffentlich dafür dankten, dass er Nuvolari für sein wahrscheinlich letztes grosses Rennen sein Auto geliehen hatte. Der Prinz hat Enzo Ferrari diese Aktion niemals vergeben, und selbst als er # 010I vollständig repariert und überholt zurückbekam, war er immer noch verbittert.

Die Mille Miglia 1948 war leider Nuvolaris letztes grosses Rennen. Dieser kleine schmächtige Mann hatte das Herz eines Giganten, und alle, die auf den Rennstrecken Europas gegen ihn angetreten waren, wussten, dass es einen wie ihn nie wieder geben würde. Es wurde immer gesagt, dass Nuvolari hoffte, dass ihn das Schicksal bei seinem so geliebten Sport ereilt, aber dieser Wunsch wurde ihm versagt. Er starb am 11. August 1953, 9 Monate nachdem ihn ein Schlaganfall lähmte. Die italienische Nation und die gesamte Motorsportgemeinde trauerte um den grössten Fahrer den die Welt jemals gesehen hatte.

http://www.tazionuvolari.it/

Beitrag Donnerstag, 21. Juni 2001

Beiträge: 1076
Servus Michael,

fein, daß Du wieder da bist !

Was die Zeit vor dem offiziellen F1-Start 1950 betrifft, sind wir leider noch unbeleckt(er), weshalb wir uns (auch) auf Deine Beiträge (wie den ersten hervorragenden über Tazio Nuvolari) in eben dieser Rubrik sehr freuen !

Als kleinen "Anreger" solltest Du aber vielleicht auch noch einen Blick auf die aktuelle "Frage des Tages" werfen; wahrscheinlich kostet sie Dich nur ein müdes Lächeln, uns aber doch einige Zeit zum Nachschlagen ...

Viele Grüße Hans

Beitrag Donnerstag, 21. Juni 2001

Beiträge: 1477
Hallo Hans, war einige Zeit nicht im Forum, zum einen gab es nichts (für mich) interessantes, zum anderen hatte ich geschäftlich viel zu tun.

Noch einmal zu "offizieller Start der F1". Sorry, aber ich kann das so nicht stehen lassen. Richtig ist, dass die FIA erstmalig für 1950 eine "Fahrer-Weltmeisterschaft" ausgeschrieben hatte. Das hatte direkt nichts mit F1 zu tun, sondern die 7 wichtigsten Rennen des Jahres wurden zur Bewertung herangezogen. Das waren neben den GP Belgien, Frankreich, England, Italien, Monaco und Schweiz aber eben auch die 500 Meilen von Indianapolis. Neben den WM-Läufen gab es aber noch unzählige weitere Grand Prix für F1-Autos. In 1952 und 1953 waren 7 der 8 WM-Rennen sogar F2-Läufe wie du ja weisst, obwohl es in beiden Jahren auch F1-Rennen gab, die aber nicht zur WM zählten.
Auch den Begriff "F1" gab es nicht erst seit 1950, sondern bereits etwas früher. 1947 definierte die FIA die Rennformeln mit "Formel A" und "Formel B", wobei "A" die echten Grand-Prix-Wagen mit 4.5-Ltr-Saugmotoren bzw. 1.5-Ltr-Kompressor waren, und "B" die neue Voiturette-Klasse mit nicht aufgeladenen 2-Ltr-Motoren. 1948 oder 1949 wurden die Bezeichnungen dann geändert in F1 und F2, vermutlich weil sich in der Formel B wegen der 2-Ltr-Motoren bereits sehr schnell die Bezeichnung "Formel 2" durchgesetzt hatte.
Bis weit in 70er Jahre gab es F1-Rennen, die nicht zur WM zählten, aber da weisst du wahrscheinlich mehr drüber, weil das nicht mehr meine favorisierte Zeit ist.
Noch verwirrender ist es, wenn man den Begriff "Grand Prix" verwendet. Den ersten GP gab es bereits 1906 mit dem "Grand Prix de l'ACF" in Frankreich, und selbst heute gibt es noch den "Grand Prix of Macao" für Tourenwagen und Formel 3.
Wenn man also von der F1 oder von GP im Sinne von WM-Läufen redet, dann sollte man das auch so ausdrücken.

Die Nuvolari-Frage ist heavy, selbst für mich als Tazio-Fan. Er zählte damals sicherlich zu den bestbezahltesten Rennfahrern, er hatte bereits ein eigenes Flugzeug, mit dem er zu den Rennen anreiste. Viele Board-Members hier können sich wahrscheinlich nicht vorstellen, dass es im Motorsport auch eine Zeit ohne Sponsoren und Fernsehrechte hab, darum eine (doch nicht so) kurze Erklärung.

Die Verstalter hatten ausschliesslich Einnahmen aus Eintrittsgeldern, Programmverkauf, Bandenwerbung, und Stiftungen/Spenden. Von diesen Einnahmen wurde ein Startgeld- und ein Preisgeldbudget aufgestellt. Die Startgelder wurden individuell ausgehandelt, und dienten dazu, möglichst viele bekannte und gute Teams und Fahrer anzulocken, denn je hochkarätiger das Starterfeld, desto mehr Zuschauer kamen zum Rennen. Das Preisgeld wiederum war in der Ausschreibung festgelegt, soundsoviel für den Ersten, den Zweiten, usw. Die Kunst für einen Veranstalter war es nun, Einnahmen und Ausgaben in Balance zu halten, waren Start- und Preisgeld zu hoch, dann schrieb man rote Zahlen, und waren sie zu niedrig, dann blieben die Top-Teams und -Fahrer weg, und damit auch die Zuschauer und die Einnahmen. Viele grosse Rennen der Vergangenheit sind in der Versenkung verschwunden, weil sich die Veranstalter finanziell übernommen hatten.

Teams und Fahrer mussten also Präferenzen setzen in Sachen Teilnahme. Das waren in erster Linie natürlich die Meisterschaftsläufe, also ab 1950 die WM, und in den 30er Jahren die EM aber auch die nationalen Meisterschaften. Dann wurde anhand der Start- und Preisgelder entschieden, an welchen Rennen man zusätzlich teilnimmt.

Die Teams wiederum handelten mit ihren Fahrern individuelle Verträge aus, meistens - aber nicht immer - wurde ein Grundgehalt gezahlt, das Haupteinkommen musste aber aus anteiligen Start- und Preisgeldern kommen. Gute Fahrer konnten also nur Geld verdienen, wenn sie im richtigen Auto sassen, und die Teams brauchten bekannte Fahrer, um hohe Startgelder auszuhandeln, und gute Fahrer, um am die teilweise recht hohen Preisgelder zu kommen. Und je höher die ausgeschütteten Gelder bei einer Veranstaltung, desto stärker die Konkurrenz.

Dieses System führte aber dazu, dass man sich nicht mit einigen wenigen Meisterschaftsläufen zufrieden geben konnte, um die Kosten zu decken, musste man so oft antreten wie es nur ging. Das waren dann nicht zur Meisterschaft zählende Grand Prix, Voiturette bzw. F2-Läufe, natürlich auch Sportwagen-Rennen und selbst Bergrennen und Rallyes. Manche Fahrer hatten selbst Verträge mit verschiedenen Teams, z.B. einen für die F1, und einen anderen für die Sportwagen-WM. Auch der "Legionärs-Status" war durchaus üblich, d.h. die Teams verpflichteten Fahrer immer nur für einzelne Rennen.

Und eine Winterpause gab es auch nicht, im November packten viele alles ein und zogen nach Südamerika, Südafrika, oder Australien und Neuseeland, um die Kasse aufzubessern. Legendär ist die "Temporada" in Argentinien-Brasilien, wo zwischen 1946 und 1950 teilweise utopische - durch die Regierungen subventionierte - Startgelder gezahlt wurden, oder auch die "Tasman-Serie" in Australien-Neuseeland. Bekannte Fahrer brachten es teilweise auf über 40 Rennen pro Jahr, nicht nur weil man fast jedes Wochenende unterwegs war, sondern weil man manchmal auch in verschiedenen Klassen am Start war, z.B. Samstag F2 und Sonntag F1.

Das alles war ein sehr ausgeklügeltes und funktonierendes System, mit dem alle leben konnten - auch ohne Sponsoren und TV-Rechte. Sicherlich gab es Ausnahmen, grosse Werksteams konnten bzw. mussten rote Zahlen schreiben, die wurden dann der Werbeabteilung zugeordnet. Und sicherlich gab es auch Privatfahrer, die sich oder ihre Familie mit ihrer Rennleidenschaft an den Bettelstab brachten.

Aber zurück zur Auto-Union. Wie gesagt, das Nuvolari-Gehalt kenne ich nicht, aber zur Anschauung einige Zahlen zu Rudolf Hasse, einem anderen AU-Fahrer.
Für 1936 erhielt Hasse als Nachwuchs- und Reservefahrer ein Gehalt von RM 500 per Monat, plus RM 500 für jeden GP-Start und RM 250 für jedes Bergrennen.
Sicherlich keine riesigen Summen, aber ungefähr das Gehalt eines Direktors, von dem man sehr gut leben konnte. Für 1937 wurde das Startgeld für GP-Rennen auf RM 1200 erhöht, und für 1938 gab es ein Grundgehalt von RM 1000 pro Monat in der Rennsaison bzw. RM 1250 für die rennfreie Zeit, sowie RM 2000 pro GP-Start und RM 1000 für jedes Bergrennen, mit einer garantierten jährlichen Mindestsumme von RM 20.000. Umgerechnet auf heute waren das ca. DM 500.000, also für einen Fahrer der „2. Kategorie“ durchaus beachtlich.
Zum Vergleich, der Sieger des Grossen Preises von Deutschland 1936 erhielt ein Preisgeld von RM 20.000, das natürlich an den Bewerber, also das Team, ging. Wieviel hiervon dem Fahrer zustand wurde intern und individuell vereinbart. Ein Platz auf der Nürburgring-Haupttribüne kostete RM 20,20, und ein Stehplatz irgendwo am Ring RM 1,10.

Ich glaube kaum, dass die Nuvolari-Frage noch beantwortet wird, es sei denn, irgendjemand hat eben genau das Buch, in dem die Antwort steht. Ich vermute „Männer, Frauen und Motoren“ von dem legendären Mercedes-Rennleiter Alfred Neubauer, aber das habe ich vor über 20 Jahren ausgeliehen und nie mehr zurück bekommen. Wird wohl Zeit für eine Neuanschaffung! Also Hans, lass’ uns die Antwort wissen.

Beitrag Freitag, 22. Juni 2001

Beiträge: 1076
Servus Michael,

vielen Dank für Deinen tollen und ausführlichen Beitrag; auch mit den RM 2000 auf Tom's Frage (siehe Frage des Tages) hast Du ja voll ins Schwarze getroffen. Ich hätte auch nur schätzen können, da für's Neubauer-Buch die Zeit in dieser Woche nicht reichte und im Grand-Prix-Report nichts dazu zu finden war.

Entschuldige bitte unseren etwas leichtfertigen Umgang mit den Bezeichnungen Grand Prix bzw. WM-Lauf, aber im Prinzip meinen wir dabei schon die offizielle F1-Weltmeisterschaft ab 1950.

Nichtsdestotrotz freue ich mich aber auf weitere Beiträge von Dir, hoffe aber auch, demnächst selber mehr auf die Zeit vor 1950 eingehen zu können - auch wenn wir da - ehrlich gesagt - nicht so beschlagen sind.

Als ersten Versuch möchte ich dazu wieder ein Quiz basteln, mehr dazu bitte im entsprechenden Thema.

Viele Grüße Hans

Beitrag Freitag, 02. November 2001
Tom Tom

Beiträge: 2713
Der Skandal um Tripolis 1933 !

Zitieren wir wieder aus von Brauchitschs "Ohne Kampf kein Sieg":

Mussolinis Gouverneur von Libyen (Marshall Balbo) ruf eine Lotterie ins Leben. Alle Italiener konnten für 7 Lire bzw. 11 Lire (Stück) Lose kaufen und es wurden viele Millionen umgesetzt. Für die Gewinner (30 Fahrer = 30 Gewinner) ging es per Flugzeug nach Tripolis.

Eine Zusatzlotterie ermittelte durch Los die Startnummer eines Wagens. Ein Holzhändler aus Pisa (Enrico Riva)bekam Varzis Nummer und schlug dem Italiener (am Vorabend mit einem notariell beglaubigten Vertrag) vor, das Rennen für 3 Millionen Lire zu gewinnen. 7,5 Millionen Lire (= weit über 1 Millon RM) brachte die Ausspielung.

Bei einer eilig einberufenen Besprechung zwischen Varzi und den Mitfavoriten Campari, Borzacchini, Nuvolari, Chiron (?) wurde vereinbart: Die ersten Drei teilen sich den Betrag, wenn Varzi gewinnt.

Das Rennen verlief weitgehend nach Plan. Die Favoriten zogen gleich am Start davon, nur Varzi hielt sich zurück.
Campari schied (fürchterlich schimpfend) aus, Chiron wurde überrundet (?)......und plötzlich hatte Varzi Kerzenschaden..........konnte sich aber nicht erlauben an die Box zu fahren......so wurde das Rennen immer langsamer und es kam sogar zum "Stillstand", Nuvolari blieb wenige 100 Meter vor dem Ziel stehen und schrie "verzweifelt" nach Benzin.........Varzi stotterte mit seiner Maschine vorbei und gewann !

Die Rennleitung war misstrauisch geworden, witterte einen Skandal (Absprache). Disqualifikation und Lizenzentzug drohte, da aber viele Spitzenfahrer verwickelt waren schlug man das Verfahren nieder. Im nächsten Jahr wurden die "Fahrerlose" erst kurz vor dem Start verteilt......

In Tripolis feierten an diesen 7.Mai "einige Spitzenfahrer" zurückgezogen und ausgelassen mit Champagner in einem kühlen Hotelzimmer !

Ich habe mich in den letzten Zeilen schon teilweise bei Neubauers "Männer, Frauen und Motoren" bedient. Er geht etwas näher auf das Rennen ein und hat seine Informationen von Borzacchini ("Ihnen kann ich es ja sagen, Signiore Neubauer") wenige Tage vor Monza erhalten. Manfred von Brauchitsch ("Ohne Kampf kein Sieg") lehnte ein ähnliches Angebot in Monaco 1937 ab und gewann ohne fremde Hilfe den GP !






[br]----------------[br]Gruß

Tom
Herzliche Grüße

Tom

Re:

Beitrag Sonntag, 23. Januar 2011

Beiträge: 45834
Michael_Mueller hat geschrieben:
Und sicherlich gab es auch Privatfahrer, die sich oder ihre Familie mit ihrer Rennleidenschaft an den Bettelstab brachten.


Gibt es Beispiele von Fahrern, die durch den Motorsport Pleite gegangen sind? Heute ist das ja kaum noch vorstellbar...

Re:

Beitrag Sonntag, 23. Januar 2011

Beiträge: 45834
Tom hat geschrieben:
Der Skandal um Tripolis 1933 !

Zitieren wir wieder aus von Brauchitschs "Ohne Kampf kein Sieg":

Mussolinis Gouverneur von Libyen (Marshall Balbo) ruf eine Lotterie ins Leben. Alle Italiener konnten für 7 Lire bzw. 11 Lire (Stück) Lose kaufen und es wurden viele Millionen umgesetzt. Für die Gewinner (30 Fahrer = 30 Gewinner) ging es per Flugzeug nach Tripolis.

Eine Zusatzlotterie ermittelte durch Los die Startnummer eines Wagens. Ein Holzhändler aus Pisa (Enrico Riva)bekam Varzis Nummer und schlug dem Italiener (am Vorabend mit einem notariell beglaubigten Vertrag) vor, das Rennen für 3 Millionen Lire zu gewinnen. 7,5 Millionen Lire (= weit über 1 Millon RM) brachte die Ausspielung.


Ich kapier das Ganze irgendwie nicht. Kann das einer nochmal mit anderen Worten erklären?

Aber interessante Geschichte, auch früher wurde also schon beschissen.

Re:

Beitrag Sonntag, 23. Januar 2011

Beiträge: 45834
Übrigens, wäre cool, wenn es hier in diesem Thread mit Geschichten von vor 1950 weitergehen würde...

Die Zeit ist sehr interessant, aber wenn man nicht die Kohle für Fachliteratur hat, auch ziemlich schwer zugänglich.

Beitrag Sonntag, 23. Januar 2011

Beiträge: 10785
MichaelZ hat geschrieben:
Gibt es Beispiele von Fahrern, die durch den Motorsport Pleite gegangen sind? Heute ist das ja kaum noch vorstellbar...

:D) Im Gegenteil, heute ist das Gang und Gebe - allerdings in den "unteren" Klassen, wo es der Öffentlichkeit weitgehend verborgen bleibt. Aber beim Versuch, den Traum vom Profirennfahrer durch die verschiedensten teuren Nachwuchsklassen zu verwirklichen haben das schon einige geschafft... Aber da sind wir raus aus'm "YESTERDAY"
"Wir sind beide tolle Fahrer, nur dass der eine mehr Glück hatte, so lange Zeit in einem so guten Auto zu sitzen."

"I'm just trying to race and this sport these days is more about penalties than about racing. "

Beitrag Sonntag, 23. Januar 2011
AWE AWE

Beiträge: 13287
MichaelZ hat geschrieben:
Tom hat geschrieben:
Der Skandal um Tripolis 1933 !

Zitieren wir wieder aus von Brauchitschs "Ohne Kampf kein Sieg":

Mussolinis Gouverneur von Libyen (Marshall Balbo) ruf eine Lotterie ins Leben. Alle Italiener konnten für 7 Lire bzw. 11 Lire (Stück) Lose kaufen und es wurden viele Millionen umgesetzt. Für die Gewinner (30 Fahrer = 30 Gewinner) ging es per Flugzeug nach Tripolis.

Eine Zusatzlotterie ermittelte durch Los die Startnummer eines Wagens. Ein Holzhändler aus Pisa (Enrico Riva)bekam Varzis Nummer und schlug dem Italiener (am Vorabend mit einem notariell beglaubigten Vertrag) vor, das Rennen für 3 Millionen Lire zu gewinnen. 7,5 Millionen Lire (= weit über 1 Millon RM) brachte die Ausspielung.


Ich kapier das Ganze irgendwie nicht. Kann das einer nochmal mit anderen Worten erklären?

Aber interessante Geschichte, auch früher wurde also schon beschissen.



Die Geschichte vom Lotteriebetrug in Tripolis kommt aus der gleichen Quelle wie die Abkratzstory der Silberpfeile ,vom dicken und seinem Märchenbuch . Gerade in dem Fall sollte man Geschichtenbuch nicht mit Geschichtsbuch verwechseln .
Wenn man Neubauers "biografisches" Werk aufmerksam liest und die dort als Fakt hinterlegten Belege mal auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft ,kann man z. Bsp. feststellen ,das der dort mehrfach erwähnte L.Chiron in Tripolis überhaupt nicht anwesend war so wie Neubauer im übrigen auch nicht . Der ominöse Gouverneur Italo Balbo ,der den Rennkurs incl. der Lotterie damals eröffnet haben soll trat den Posten erst 1934 an .Und in dem Stil kann man die komplette Story zerpflücken ,wenn man sich die Zeit nimmt .

Beitrag Sonntag, 23. Januar 2011

Beiträge: 45834
Mav05 hat geschrieben:
:D) Im Gegenteil, heute ist das Gang und Gebe - allerdings in den "unteren" Klassen, wo es der Öffentlichkeit weitgehend verborgen bleibt. Aber beim Versuch, den Traum vom Profirennfahrer durch die verschiedensten teuren Nachwuchsklassen zu verwirklichen haben das schon einige geschafft... Aber da sind wir raus aus'm "YESTERDAY"


Natürlich ist das auch Yesterday - also schieß los:)

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AWE hat geschrieben:
Die Geschichte vom Lotteriebetrug in Tripolis kommt aus der gleichen Quelle wie die Abkratzstory der Silberpfeile ,vom dicken und seinem Märchenbuch . Gerade in dem Fall sollte man Geschichtenbuch nicht mit Geschichtsbuch verwechseln .
Wenn man Neubauers "biografisches" Werk aufmerksam liest und die dort als Fakt hinterlegten Belege mal auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft ,kann man z. Bsp. feststellen ,das der dort mehrfach erwähnte L.Chiron in Tripolis überhaupt nicht anwesend war so wie Neubauer im übrigen auch nicht . Der ominöse Gouverneur Italo Balbo ,der den Rennkurs incl. der Lotterie damals eröffnet haben soll trat den Posten erst 1934 an .Und in dem Stil kann man die komplette Story zerpflücken ,wenn man sich die Zeit nimmt .


Wobei das ja nicht nur im Buch von Neubauer stand, wie ich oben lesen durfte. Aber stimmt schon, der Neubauer hätte ein viel besseres Märchenbuch schreiben können als die Brüder Grimm :wink:

Trotzdem, ich hab die wirkliche Theorie/Idee dieser Lotterie nicht wirklich verstanden. Wie soll das gewesen sein?
Zuletzt geändert von Helmpflicht99 am Sonntag, 23. Januar 2011, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: Doppelpost

Beitrag Sonntag, 23. Januar 2011
AWE AWE

Beiträge: 13287
MichaelZ hat geschrieben:
Mav05 hat geschrieben:
:D) Im Gegenteil, heute ist das Gang und Gebe - allerdings in den "unteren" Klassen, wo es der Öffentlichkeit weitgehend verborgen bleibt. Aber beim Versuch, den Traum vom Profirennfahrer durch die verschiedensten teuren Nachwuchsklassen zu verwirklichen haben das schon einige geschafft... Aber da sind wir raus aus'm "YESTERDAY"


Natürlich ist das auch Yesterday - also schieß los:)

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AWE hat geschrieben:
Die Geschichte vom Lotteriebetrug in Tripolis kommt aus der gleichen Quelle wie die Abkratzstory der Silberpfeile ,vom dicken und seinem Märchenbuch . Gerade in dem Fall sollte man Geschichtenbuch nicht mit Geschichtsbuch verwechseln .
Wenn man Neubauers "biografisches" Werk aufmerksam liest und die dort als Fakt hinterlegten Belege mal auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft ,kann man z. Bsp. feststellen ,das der dort mehrfach erwähnte L.Chiron in Tripolis überhaupt nicht anwesend war so wie Neubauer im übrigen auch nicht . Der ominöse Gouverneur Italo Balbo ,der den Rennkurs incl. der Lotterie damals eröffnet haben soll trat den Posten erst 1934 an .Und in dem Stil kann man die komplette Story zerpflücken ,wenn man sich die Zeit nimmt .


Wobei das ja nicht nur im Buch von Neubauer stand, wie ich oben lesen durfte. Aber stimmt schon, der Neubauer hätte ein viel besseres Märchenbuch schreiben können als die Brüder Grimm :wink:

Trotzdem, ich hab die wirkliche Theorie/Idee dieser Lotterie nicht wirklich verstanden. Wie soll das gewesen sein?



Es stand in Brauchitschs " Ohne Kamof kein Sieg" ,genau dem 1964 .also weit nach Neubauers "Männer,Frauen und Motoren" entstandenen Buch ,in dem der gute Manfred auch die Abkratzstory wieder "eingefallen " ist

Was die Lotterie betrifft so ist das ganz einfach . von den paar millionen Losen die verkauft wurden und die durchnummeriert waren ,wurden 30 gezogen ,genau so viele wie Starter bei dem Rennen antraten . Dann wurde jedem Gewinner eine St.-Nr. bzw. ein Fahrer zugelost und der der das Glück hatte dem späteren Sieger zugelost geworden zu sein ,gewann den Jackpot .

Re:

Beitrag Sonntag, 23. Januar 2011

Beiträge: 45834
Okay danke.

Gabs noch mehr Skandale vor 1950?

Beitrag Sonntag, 23. Januar 2011
AWE AWE

Beiträge: 13287
MichaelZ hat geschrieben:
Okay danke.

Gabs noch mehr Skandale vor 1950?



Du meinst richtige Skandale und nicht nachträglich erfundene ?

Ist immer die Frage, wann der kleine Beschiss aufhört und der Slandal anfängt . Gerade Mercedes und AU haben ja gelegentlich auch mal in die trickkiste ,insbsondere auch neben der Strecke gegriffen .

Re:

Beitrag Sonntag, 23. Januar 2011

Beiträge: 45834
Na können ja auch kleinere Skandale oder Griffe in die Trickkiste sein.


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