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Willy Mairesse

Das Formel 1 Forum früherer Tage...
Beitrag Dienstag, 28. Februar 2006

Beiträge: 8060
Es wird mal wieder Zeit für eines meiner Fahrerportraits; nach Masten Gregory und Alberto Ascari ist diesmal 'Wild' Willy Mairesse dran - ein Fahrer der mich schon lange beschäftigt & fasziniert hat:

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©Christophe A. Gaascht/Willy Mairesse - Le Chevalier Meurtri, 2003

Der belgische Allrounder

Mairesse war ein hochtalentierter Rennfahrer, zu Lebzeiten von vielen als Belgiens #1 bezeichnet. Als Allrounder wurde er von vielen Werks- und Privatteams angeheuert wurde um Rennen zu bestreiten. Anders als heute fuhren fast alle Fahrer sowohl Sportwagen, Prototypen als auch Monoposti - Mairesse sass bei Rallys (Lüttich-Rom-Lüttich, Tour de France, u.s.w.) genauso am Steuer wie bei Langstreckenrennen (Nürburgring 1000 km, Paris 1000 km, Targa Florio, 24 Stunden von Le Mans, 24 Stunden von Spa-Francorchamps, u.s.w.) und eben beim Grand Prix.

Er war das, was man heute als kompletten Fahrer bezeichnen würde - ein Typ Fahrer wie es ihn heute nicht mehr gibt. Vor allem aber die vielleicht tragischste Figur in der Geschichte des Rennsports.

Seine Karriere begann im Jahre 1953, als er und sein Freund Dr. Henry Misonne mit einer Porsche 356 die Rallye Lüttich-Rom-Lüttich zusammen bestritten. Nach einigen Jahren bei lokalen Rennen stieg er 1956 auf einen Mercedes 300 SL um. Er bestritt eine Reihe von Rallyes und erste Rundstreckenrennen. Während der Jahre 1957 und 1958 vertraute ihm die ENB einige ihrer Rennwagen an. 1958 bestritt Mairesse sein erstes 1000 km Rennen auf dem Nürburgring (Aufgabe durch technischen Defekt) sowie die 24 Stunden von Le Mans (Aufgabe durch Unfall). Seine Bemühungen produzierten mehr zerbeultes Blech als positive Resultate, da in Mairesse ein Feuer brannte, das er erst bändigen musste, bevor er auf den Rennstrecken dieser Welt erfolgreich in Erscheinung treten konnte.

Trotz eines schwierigen Jahres 1959, dass mit dem unvergesslichen Kampf gegen Olivier Gendebien während der Tour de France endete, kam schließlich der große Durchbruch.

Die Duelle zwischen Gendebien und Mairesse auf den Bergpässen der Tour de France hatten Enzo Ferraris Aufmerksamkeit auf den belgischen Heisssporn gelenkt. So wurde er von 1960 bis 1963 Werksfahrer bei Ferrari, zunächst als Langstreckenfahrer, dann auch im Formel 1. Die grossartigen Siege bei der Tour de France 1960 und 1961, der Targa Florio 1962 und der 1000 km Nürburgring 1963 verstärkten die Position Mairesse innerhalb der Scuderia. Abgesehen davon war er ein ausgezeichneter Testfahrer, unter anderem war er wesentlich an der Entwicklung des GTO beteiligt.

Kamikaze Willy

Jedoch überschatteten eine Reihe von katastrophale Unfälle diese Periode. In Monaco stiftete er am Start komplette Verwirrung, als er einen Frühstart produzierte, an die Spitze des Feldes schoss - und dort eine Massenkollison verursachte.

Eine Woche danach kam es in Spa zur Kollision mit Lotus-Werksfahrer Trevor Taylor, als beide um die Spitze kämpfte. Eine leichte Berührung der Nase des Ferrari mit dem Heck des Lotus entfachte eine Flammenhölle. Taylor landete in einem Graben und kam mit einigen blauen Flecken davon. Mairesse hatte weniger Glück - sein Ferrari überschlug sich mehrfach und landete schließlich an einen Telegrafenmast, wo er Feuer fing. Mairesse, bewusstlos und ins Cockpit eingeklemmt wurde von einer am Unfallort anwesenden Krankenschwester namens Paula Heysecom mutig aus dem Wrack gezogen.

Angesichts des fürchterlichen Unfalls kam Mairesse noch glimpflich davon: er trug Verbrennungen im Gesicht und an den Beinen davon, verlor seine gesamten Vorderzähne(!) und wurde durch ausslaufendes Kühlwasser verbrüht. Außerdem verletzte er sich am Fuß. Das Jahr war so gut wie gelaufen, aber Ende des Jahre konnte er noch den GP von Monza (wo er erstaunlicher 4. wurde) für Ferrari fahren.

Die nächste Katastrophe folgte 1963 in Le Mans; der Brand seines in Führung liegenden Ferrari, als dieser nach einer von seinen Mechanikern verursachten Panne beim Tanken während der Fahrt Feuer fing. Mairesse entkam dem Wrack brennend, konnte sich auf durch Wälzen auf der Erde löschen und fuhr - so unglaublich das klingt - eigenhändig(!) mit einer Ambulanz zu den Boxen zurück, wo er rasend vor Zorn auf seine Mechaniker losging! Nur mühsam konnte man den Tobenden beruhigen und dazu bewegen sich in ärztliche Behandlung zu begeben.

Kaum war er wieder genesen, passierte der nächste fatale Unfall beim Deutschen Grand Prix 1963 auf dem Nürburgring. Offensichtlich durch einen Materialfehler überschlug sich sein Ferrari am Streckenteil Flugplatz, Mairesse wurde aus dem sich überschlagenden Wagen geschleudert. Ein Streckenposten wurde von einem davonfliegenden Rad erschlagen, einige Zuschauer wurden verletzt, etliche geparkte Wagen verschrottet!

Seine Frau Dorine lies ihn - trotz seine kritischen Zustands - sofort nach Belgien überführen. Mairesse hatte inzwischen den Ruf eines gemeingefährlichen Kamikaze-Piloten. Allgemein machte man ihn für den Tod des Streckenpostens verantwortlich. Seine Angehörigen hatte Angst um seine Sicherheit in Deutschland! Dieser letzte Unfall bedeutete das Ende seiner Karriere bei Ferrari und hielt ihn für mehr als ein Jahr von den Rennstrecken fern.

Nach langer Genesungspause begann er nach ein paar Jahren wieder mit GT-Rennen ein Comeback; für die Ecurie Francorchamps, seinem Freund Jean Blaton und der Scuderia Filipinetti, ja und sogar mit der BMW-Werksmannschaft. 1965 und 1967 fuhr er ganz erstaunliche Rennen in Le Mans. Sein letzter Sieg bleibt die Targa Florio von 1966 mit dem Porsche 906 der Scuderia Filipinetti.

Tragisches Ende

1968 startete Mairesse in Le Mans auf Beurlys' Ford GT40 und verunglückte auf der Mulsanne-Geraden, als er versuchte, die nach dem traditionellen Le-Mans-Start nicht richtig eingerostete Fahrertür zu schließen. Der Wagen wurde ein Raub der Flammen und Mairesse schwer verletzt. Zwei Wochen lag er im Coma. Danach musste er zu seinem Entsetzen festellen, dass an eine Wiederaufnahme seiner Rennkarriere nicht zu denken war - sein Gleichgewichtssinn war dauerhaft gestört. Er zog sich völlig von der Außenwelt zurück und wurde immer agressiver - seine Frau (und seine beiden Söhne) verließen ihn, weil es mit ihm nicht mehr auszuhalten war.

Er verfiel immer mehr in Depressionen und nahm sich schließlich - nach zwei mißglückten Versuchen - in seinem Haus in Oostende mit einer Überdosis Schlaftabletten das Leben. Auf seinen Nachttisch hinterließ Mairesse drei Abschiedsbriefe, einen an seine Mutter, einen an seine Frau Dorine und einen an seinen Freund Jacques Swaters - 'Vergib' mir, aber es war der einzige Ausweg.'

Beitrag Mittwoch, 01. März 2006

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Vielen Dank Alfalfa. Ein tragisches Ende für so einen vielfältigen Fahrer.

Beitrag Mittwoch, 01. März 2006

Beiträge: 759
Der Bericht ist einfach nur Bild

Ich habe mich bis jetzt wenig bis gar nicht mit Mairese beschäftigt, dieser unsägliche wenn auch spannende Le Mans Start scheint ja mehrere Opfer gefordert zu haben, als ich dachte.
Gegen fanatische und engstirnige Rotkäppchen im yesterday-Forum!

Euer pironi

Beitrag Mittwoch, 01. März 2006

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Freut mich, wenn ich Euch mit meinen Fahrerportraits etwas unterhalten kann. Und Euch die alten Fahrer etwas näher bringen kann...

Beitrag Mittwoch, 01. März 2006

Beiträge: 4967
Ich möchte noch anfügen, dass Willy Mairesse zusammen mit
Herbert Müller 1966 die Targa Florio gewann.

Beitrag Mittwoch, 01. März 2006

Beiträge: 45812
@Alfalfa: Super Bericht, kommt gleich auf meinen Rechner :wink:

Ich werde wohl den Teil von seinem Unfall in Belgien zu meiner Belgien GP Zusammenfassung verwenden, die ich noch machen werde, weil es dieses Rennen ja nicht mehr gibt. Das braucht aber noch.

Beitrag Mittwoch, 01. März 2006

Beiträge: 8060
Ja, in Belgien gab es (leider) viele schwere Unfälle. Wenn ich nur die 60er Jahre durchgehe, gab's eigentlich jedes Jahr (außer 1964) viele und schwere Unfälle: 1960 gab's gleich vier (davon zwei tödliche), 1961 der Unfall der die Karriere von Cliff Allison beendete, 1962 der Mairesse/Taylor-Unfall, 1963 und 1966 die Massencrashs im Regen (als Stewart sein Aha-Erlebnis hatte), 1967 der schlimme Unfall von Parkes, 1968 Vic Elford...

Beitrag Mittwoch, 01. März 2006

Beiträge: 454
@ Alfalfa:

Mann, der Willy Mairesse scheint aber ein echtes Stehaufmännchen gewesen zu sein, ein echter Racer. Schade, dass er so ein trauriges Ende fand...

Toller Bericht !

Beitrag Mittwoch, 01. März 2006

Beiträge: 0
@Alfalfa: Super Bericht über meinen Landsmann. :wink:

Ich möchte aber noch anfügen, als am schwarzen Wochenende von Belgien 1960 Chris Bristow den Zweikampf mit Mairesse suchte hatte er keine Zeit mehr zur Reue.

Beitrag Mittwoch, 01. März 2006

Beiträge: 8060
Ja, ich erinnere mich, da war irgend etwas mit Bristow. Soweit ich weiss kam es aber bei dem Duell mit ihm in Spa 1960 zu keiner Berührung - Bristow verschätze sich einfach, als er von Mairesse unter Druck gesetzt wurde. Mairesse pflegte einen furcheinflösenden Fahrstil (Graham Hill soll ziemlichen Respekt vor ihm gehabt haben)...

Wobei man sagen muss das Bristow wohl auch ein sehr wilder Hund gewesen sein muss.

Beitrag Mittwoch, 01. März 2006

Beiträge: 8060
Hier liegen die beiden gerade im Clinch - muss kurz vor um Unfall aufgenommen worden sein:

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Beitrag Mittwoch, 01. März 2006

Beiträge: 0
Mit einer Berührung habe ich auch nichts gefunden, ich weiss nur das er ziemlich brutal starb. Jedenfalls schliesse ich dass aus dem Bericht, den ich habe :!:

Beitrag Mittwoch, 01. März 2006

Beiträge: 8060
Der Unfall passierte - soweit ich weiss - bei Malmedy. Bristow kam (weil wohl zu schnell) von der Idealline ab und raste in einen Zaun. Dabei wurde er aus dem Fahrzeug geschleudert und starb. Das Auto überschlug sich fahrerlos und wurde völlig zerstört. Auf Bilder von dem Unfall verzichte ich an dieser Stelle.

Beitrag Mittwoch, 01. März 2006

Beiträge: 8060
Enzo Ferrari war ein großer 'Fan' von Willy Mairesse (nicht umsonst war er ja 4 Jahre im Werksteam) - in seiner Biografie erwähnt er vor allem seine ausgezeichneten Fähigkeiten als Testfahrer. Nicht so sehr, weil er viel von Technik verstand (das war eher weniger der Fall), sondern wegen seines material-fordernden Fahrstils. Während seine technisch versierten Testfahrer Schetty, Parkes oder Ginther oft einen ganzen Tag brauchten um ein Schwachstelle am Auto zu finden, genügten bei Mairesse 2-3 Runden! Für die rasche Entwicklung eines Autos (und das war heute wie damals das wichtigste) war Mairesse & seine Fahrweise Gold wert.

Ich glaube Mairesse wäre in der heutigen Zeit (mit den unkaputtbaren Autos) wohl glücklicher geworden...

Beitrag Mittwoch, 01. März 2006

Beiträge: 8060
Ein Bild das mehr sagt als viele Worte (kurz vor dem Crash aufgenommen): Bristow - wenige Zentimeter hinter dem Ferrari von Mairesse - durch Eau Rouge durch...!!

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Beitrag Dienstag, 21. März 2006

Beiträge: 4967
Ich bin gestern Abend noch auf dieses Bild gestossen:

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Beitrag Dienstag, 21. März 2006

Beiträge: 759
Was ich vergessen hab zu fragen: Wie kam der Unfall in Le Mans zustande. Du hast geschrieben, er versuchte die Wagentuer zu schließen und danach ging der Wagen in Flammen auf, aber warum?
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Euer pironi

Beitrag Mittwoch, 08. Mai 2013

Beiträge: 58
Die Antwort kommt zwar 7 Jahre zu spät, aber sie kommt.

Mairesse hatte die Fahrertür nicht richtig geschlossen und auf der langen Geraden öffnete sie sich dann.

Das mit Bristow ist schon grausam, aber er hätte damit rechnen müssen (Bristow) das wenn er sich mit Willy einlässt, etwas passieren wird. Bristow wurde soweit ich weiß in der Burnenville in einen Stacheldraht geschleudert und enthauptet. :(
Rennsport ist Geschwindigkeit !!!


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