Hallihalloundsowieso!
Ihr macht es euch aber auch wirklich nicht leicht... Tag für Tag sucht Ihr nach den Besten, Genialsten, Schnellsten, Tollsten, Dümmsten, Unglücklichsten...(wie viel Platz hab' ich eigentlich zum Schreiben?) ...und so fort.
Und ich mach da auch noch mit...
Naja, was soll's...
Bei all Euren Aufzählungen zieht Ihr es nicht in Betracht, dass man schon sehr gut, innovativ, bisweilen gar genial sein muss, um überhaupt in der Formel 1 als Konstrukteur arbeiten zu dürfen.
Außerdem finde ich, dass den kleinen Genialitäten zuwenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Ein etwas aktuelleres Beispiel: das Getriebegehäuse aus Titan, entwickelt und erstmalig eingesetzt vom Minardi Team im Jahre (lasst mich nicht lügen...) 1998. Neben einer deutlichen Gewichtsersparnis ist dieses Getriebe auch wesentlich kompakter als seine Pendants aus Alu und Magnesium-Stahl-Legierungen. Zu dieser Zeit arbeitete ein gewisser Herr Gustav Brunner bei Minardi, der einige Jahre später in nur knapp 5 Wochen ein anständig funktionierendes Fahrzeug entwickeln sollte und dass mit knappsten Mitteln.
Das hat für mich etwas von Genialität! Aus den gegebenen Umständen das Beste und Maximale rauszuholen. Als Gegenbeispiel hierzu, seien die späten 80er und frühen 90er der Scuderia Ferrari genannt. Dort lag das wirklich Geniale darin, aus möglichst viel Geld - man hatte das höchste Budget aller Teams seit Jahren, quasi aus Tradition - doch recht wenig herauszuholen. Es gab wohl ein paar Lichtblicke, wie z.B. die Einführung des semiautomatischen Getriebes (1989 - John Barnard - Ferrari 639), das mit dazugehörigem Restfahrzeug das Auftaktrennen in Brasilien (unvergessen: Nigel Mansell) mit zeitweise überirdischem Vorsprung gewann; die abfallenden und lang herumgezogenen Seitenkästen (dito), die 1991 von McLaren kopiert werden sollten; die Wiedereinführung der Airbox bzw. Lufthutze über der Motorhaube (dito); die Umlenkmechanik für liegende Stossdämpfer, push-rod genannt (dito); die pfeilartige Aerodynamik (1984 - Mauro Forghieri - Ferrari 126 C4), wiederaufgenommen 1998 bei Front- und Heckflügel; die hochgesetzte Nase (1986 - Mauro Forghieri - Prototypenzeichnung und Modellfahrzeug), die bei Ferrari nie zum Einsatz kam, wohl aber in vereinfachter Form 1991 bei Tyrrell (Dr. Posthlewhaite).
Dagegen stehen Flops, wie der doppelte Unterboden (1992 - John Barnard - F 92A und 1996 - John Barnard - F 310), der verspätete Umstieg auf Kohlefaser (Einführung 1980 - John Barnard - McLaren MP4 - Umstieg Ferrari: 1983/84) und Saugmotoren; die nie zustande gebrachte Beherrschung des elektronischen Fahrwerks (1993 - John Barnard - F 93A); Katastrophen umfassender Art wie die o.g. F 92A und F 93A (1992 u. 1993), der störrische 642 (1991 - John Barnard), der das ganze Jahr über langsamer blieb als sein Vorgänger 641/2.
Über die Zuverlässigkeitsseuche der damaligen Zeit hüllen wir am besten den Mantel des Schweigens und Vergessens, ganz zu schweigen, von den Intrigen um Macht und Politik, die in diesem Rennstall vorherrschten und Abermillionen von Dollar bzw. Abermilliarden von Lire verschlangen.
Doch auch andere blieben von solchen Peinlichkeiten nicht verschont, man denke an den McLaren von 1995, der u.a. eine Nummer zu klein ausfiel (bei Rückfragen bitte an Nigel Mansell wenden...), das gesamte Abenteuer Andrea Moda (1992), ebenso wie der Dallara-Scuderia Italia von 1993 (oder wars doch 1992?), der Versuch eines F1-Rennfahrzeugs von Lamborghini (1992) und um ein bisschen weiter zurückzugehen, der Ferrari von 1980: mit dem Vorgänger wurde Jody Scheckter noch Weltmeister bei Fahrern und Konstrukteuren und dann der Absturz auf den 10.Rang bei den Konstrukteuren und die Schmach einer Nichtqualifikation, man stelle sich vor!
Aber zum Glück bleiben die guten Dinge zumindest in Sachen Formel 1 etwas länger haften:
Die Ausnutzung des Ground-effects durch Fahrzeuge mit Unterböden, die einer umgedrehten Flugzeugtragfläche glichen (Colin Chapman - 70er Jahre - Lotus); die Einführung der Flügel zur Abtriebserzeugung (Colin Chapman - 60er Jahre - Lotus); das Kohlefaserchassis (1980 - John Barnard - McLaren MP4), dem viele Fahrer ihr Fortbestehen auf dieser Welt verdanken, auch heute noch; der hochgesetzte Auspuff (1998 - Rory Byrne - Ferrari), der das Problem der Beeinflussung der Abgase auf den vom Unterboden erzeugten Abtrieb beseitigte und die heute gängigen Drehzahlen erst ermöglichte; die Interpretation des Reglements und dessen Auslotung, z.B. beim seitlichen Kopfschutz (1996 - Gary Anderson und Adrian Newey - Jordan J196 und Williams FW 16).
Genau da liegt heute der Hund begraben. Aufgrund der detaillierten Reglementierung der Formel 1 (nicht immer und überall... s. Reifen), wird der Wagen prinzipiell vom Reglement "gebaut"; den Spielraum für Neues und Bahnbrechendes, zumindest aber Charakteristisches muss man in den berühmten Grauzonen der FIA-Regeln suchen. Vor einiger Zeit waren Neuerungen noch mit dem blossen Auge sichtbar, sie sprangen einen quasi an; heute muss man sehr genau hinschauen und überlegen, warum ein Teil jetzt so gebaut ist und nicht so wie bei den andern.
Dass diese Aufgabe nicht mehr mit einem einzigen Konstrukteur zu bewältigen ist, müsste eigentlich klar sein, dafür sind die heutigen Wagen einfach zu komplex. Ab und an hört man Namen wie Rory Byrne, Adrian Newey, Gary Anderson, Mike Gascoyne, um nur ein paar zu nennen. Man vergisst aber leider allzu schnell, dass hinter diesen Leuten eine mittlerweile sehr grosse Zahl von Spezialisten tätig ist, deren Namen wir wohl nie erfahren werden. Das verehrte Publikum mag's halt gern schön einfach in appetitlichen Häppchen und da werden dann eben einzelne Namen genannt, damit es was zu Knabbern gibt...
Grosse Konstrukteure, die ein ganzes Fahrzeug noch allein erdachten, zeichneten, bauten und probefuhren (z.B. Colin Chapman, auf dem Hof vor seiner Werkstatt) wird es wohl nicht mehr geben, genausowenig wie die EINE zündende Idee, auf einen Bierdeckel dahingekritzelt und effektiv F1-weltverändernd und auf Jahre hinaus bestimmend.
Schade...
Lebt flott und erfolgreich!