Holger_Merten hat geschrieben:
Was hälst Du denn von der Autania "Geschichte"?
Hatte ja bereits früher in diesem Thread über den Versuch der Autania berichtet, den Namen "Auto Union" zurückzuerlangen. Sicherlich ist die Autania juristisch gesehen die Rechtsnachfolgerin der Auto Union AG, aber sie hat weder etwas mit Autos noch mit der Tradition der AU das geringste zu tun. Seit den 50er Jahren war das nur noch eine Art Briefkastenfirma, die ihren Zweck erfüllt hatte, und - wie es aussieht, genaueres müsste man recherchieren - in den 70er Jahren als AG-Mantel verkauft wurde.
Die Autania ist weniger ein echtes Unternehmen, sondern eher eine Art Abschreibungsgesellschaft. Zitate aus verschiedenen Börsenporträts bzw. Pressemeldungen:
"Die Auto Union AG veräußerte hingegen 1979 die Namensrechte an die Audi-NSU Autounion AG. Sie änderte daraufhin den Firmennamen in Autania Verwaltungs- und Beteiligungsgesellschaft AG (Essen). Diese Firma verlegte 1990 den Sitz nach Frankfurt und nannte sich in Autania Aktiengesellschaft für Industriebeteiligungen um."
"Autania, mehrheitlich im Besitz der Familie Rothenberger und geführt von Helmut Rothenberger, streicht heraus, dass (... ). Die Rothenberger AG, ebenfalls von Helmut Rothenberger geführt und über eine Holding auch knapp mehrheitlich von ihm gehalten, sieht in dem Erwerb die Basis für den beabsichtigten Ausbau als Immobilienholding gelegt. Mit dem Erwerb der durchfinanzierten und mit einem deutlich positiven Cash-flow versehenen Immobiliengesellschaften habe Rothenberger mittelfristig die Grundlage für eine Aufnahme von Dividendenzahlungen gelegt. Rothenberger war bisher in der Umwelttechnik tätig."
"Die AUTANIA AG für Industriebeteiligungen fungiert als Managementholding für einen Verbund von mittelständischen Unternehmen, die in den Branchen Technologie, Maschinenproduktion, Werkzeuge und Services tätig sind. Als ihre wesentliche Aufgabe sieht es die AUTANIA dabei an, den Beteiligungsgesellschaften einen Zugang zum Kapitalmarkt zu bieten. Diese könnten sich dann von der Sorge um die Finanzierung befreit, wie es heißt, um die Marktbearbeitung und die Betreuung der Kunden kümmern. Außerdem ermöglicht diese Struktur die Gewinne der operativen Gesellschaften mit dem steuerlichen Verlustvortrag der AUTANIA zu verrechnen."
"Im Zuge der Neuausrichtung unter dem Leitmotiv ADVANCED TECHNOLOGIES Mitte 2000 hat sich der AUTANIA-Konzern von den im Immobilienbereich tätigen Unternehmen ELTEK Verwaltungsgesellschaft mbH und Konrad-Adenauer-Ufer B.V. getrennt."
"Hervorgegangen ist die Gesellschaft aus der ehemaligen Auto-Union AG. Mit dem Einstieg der Gebrüder Rothenberger im Jahre 1990 hat sich das Erscheinungsbild der Gesellschaft erheblich gewandelt. Eine Holding für Minderheitsbeteiligungen zu bilden, so lautete das erste Ziel. Die Grundlage wurde mit einer Kapitalerhöhung von 4 Mill. auf 64 Mill. DM gelegt. Diese erfolgte gegen Sacheinlage..."
"Die in der HV vom 26. August 1999 beschlossene Kapitalherabsetzung im Verhältnis 10 : 1 auf TDM 11.332 wie die anschließende Umstellung auf
nennwertlose Stückaktien mit einem rechnerischen Anteil am Grundkapital von je DM 5,--,wurde am 26.10.1999 in das Handelsregister des Amtsgerichtes Frankfurt am Main eingetragen."
"Daneben erwarb die AUTANIA selbst im Geschäftsjahr 1991 eine Reihe von Beteiligungen, vorwiegend in Ostdeutschland. Von den anfänglichen Plänen konnte aber nahezu nichts realisiert werden. Zahlreiche Firmen des Beteiligungsportefeuilles mussten im Verlauf der Jahre Konkurs anmelden."
"Der Treuhandnachfolgerin BVS droht ein Debakel. Auf die Anstalt komme ein Verlust in einer Größenordnung von rund 100 Mill. DM zu, berichtet die Tageszeitung "Die Welt" in ihrer Montagausgabe unter Berufung auf interne Dokumente der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben. Forderungen in dieser Höhe, die gegenüber der angeschlagenen Maschinenbau-Gruppe der hessischen Industriellenfamilie Rothenberger bestünden, seien nicht eintreibbar und müßten deshalb fast vollständig abgeschrieben werden.
Nach Darstellung des Blattes handelt es sich bei dem Fall um eine der teuersten und größten Pannen in der Geschichte der Berliner Anstalt. Nach der Wende hatte die Treuhand zahlreiche Betriebe an Gesellschaften des Rothenberger-Konzerns veräußert. Fast alle übernommenen Firmen seien bald darauf in Konkurs gegangen. Aus den fehlgeschlagenen Privatisierungen resultierten mindestens noch Ansprüche der BVS "in Höhe von mehr als 100 Mill. DM", heißt es der Zeitung zufolge in einer vertraulichen BVS-Bestandsaufnahme. Etwa 16 Mill. DM entfallen demnach auf die Rothenberger-Gesellschaft Pittler Tornos SA, Moutier/Schweiz, der Rest auf die Autania AG, Frankfurt. Nach dem BVS-Papier ist die Rothenberger-Gruppe lediglich zur Zahlung von 5,4 Mill. DM bereit. "Wir führen äußert konstruktive Gespräche mit der BVS und sind einer einvernehmlichen Lösung nahe", sagte Autania-Vorstand Helmut Rothenberger."
"Die Autania AG ist eine Management-Holding für Industriebeteiligungen. Entstanden ist sie 1990, nachdem die Gebrüder Rothenberger in die Gesellschaft eingestiegen waren. Ursprünglich als Holding für Minderheitsbeteiligungen konzipiert, richtete sich Autania 1992 neu aus und übernahm Beteiligungen an zunächst rund zwei Dutzend Industrieunternehmen. 1995 und 1996 jedoch musste sich die AG von dem überwiegenden Teil dieser Beteiligungen trennen. Heute gehören nur mehr drei Gesellschaften zur Gruppe, die im operativen Geschäft tätig sind: neben zwei Immobiliengesellschaften mit Liegenschaften in Köln und Chemnitz halten die Frankfurter eine 100-prozentige Beteiligung an der WFL-Werkzeugmaschinenfabrik Linz GmbH."
"Geht es nach den Analysten der EURO AM SONNTAG, ist das Schattendasein der Autania AG bald beendet. Die Management Holding, unter deren Dach heute vier Spezialwerkzeug-Maschinenbauer vereint sind, gehört zu den traditionsreichsten deutschen Unternehmen. Die ehemalige Auto Union brachte unter anderem den legendären NSU auf den Markt. Doch den goldenen Zeiten folgten bittere Jahre, die 1993 fast zum Aus geführt hätten."
"An den nachfolgenden Zeitungsartikeln kann man die Sanierungserfolge bei einer Gesellschaft nachlesen, die eigentlich schon konkursreif war. Der Verlustvortrag konnte von 133 Mio auf knapp 100 Mio abgebaut werden. Die meisten Verbindlichkeiten sind ebenfalls abgetragen.
Allerdings kann es nach wie vor zu negativen Überraschungen kommen, insbesondere der schlechte Ruf der Brüder Rothenberger hat eine positive Presse in der Vergangenheit erschwert.
Durch die verbleibende einzige operative Gesellschaft ist die weitere Entwicklung stark von der Konjunktur der Spezialmaschinenbaubranche und den Plänen der Fam. Rothenberger abhängig."
Einiges interessantes kann man auch hier lesen:
http://www.fortunecity.de/boerse/otc/39/autani.html
Okay, vielleicht zu viel "off topic material", aber notwendig, wenn man die Autania und ihren Anspruch auf den Namen "Auto Union" bewerten soll...! Die Rückforderung des Namens "Auto Union" dürfte nicht markttechnisch begründet sein, sondern einzig und allein den Zweck haben, diesen Namen gewinnbringend wieder zu verkaufen. Am besten zurück an die Volkswagen-Gruppe, sollte sie denn einen eventuellen Prozess verlieren...! Oder als Lockvogel um dem mittlerweile in Verruf gekommenen Namen "Autania" neuen Glanz zu verleihen.
Was ist den die Autania überhaupt, wenn man alle obigen Zitate analysiert? Erst Umwelttechnik (= Müll, in den 80er Jahren der Profitrenner überhaupt), dann DDR-Privatisierungsübernahmen (= Treuhand-Abzocke), zwischendurch Immobilienspekulation im grossen Stil, und heute seriöser Maschinenenbauer...?! Auahauahaua...
Was mir bei der ganzen Autania-Geschichte auffällt, ist das Riesenloch zwischen 1949 (Verkauf aller Rechte, Marken und Patente an die Auto Union GmbH) und 1990 (Einstieg der Rothenbergers), nur unterbrochen von der Meldung "Nach Verkauf der verbliebenen Namens- und Warenzeichenrechte an die AUDI-NSU Autounion AG erfolgte 1979 die Umbenennung in AUTANIA Verwaltungs- und Beteiligungsgesellschaft AG, Essen."
Die AU AG war zu 92 % im Besitz der Sächsischen Staatsbank, und deshalb muss sich die "Reaktivierungsgesellschaft" im Westen ebenfalls zu 92 % im Besitz der neu gebründeten DDR als Rechtsnachfolger des Landes Sachsen befunden haben. Die AU AG war so gut wie "leer", bis Ende 1954 bekam man noch Lizenzgebühren von der GmbH, und darüberhinaus besass man Genußscheine im Gegenwert von DM 500.000 an der GmbH (Genußscheine sind Aktien ohne Stimmrecht). War der einzige Zweck der Firma die jährliche Entgegennahme von Dividenden aus diesen Genußscheinen?
Und Essen als Firmensitz, da klingeln bei mir einige Glocken, dort hatte nämlich die DDR einen Grossteil ihrer Westfirmen konzentriert...! Und der "Einstieg" der Rothernbergers in 1990 deckt sich genau mit den ersten Privatisierungsverkäufen der Treuhand! Reine Hypothese, aber der Kauf eines AG-Mantels für einen symbolischen Betrag von z.B. 1 Mark wäre natürlich ein Supergeschäft gewesen. Das oben erwähnte Stammkapital von DM 60 Mio zu diesem Zeitpunkt stand wahrscheinlich nur auf dem Papier, bei einem Firmenmantel durchaus normal. Möglich ist aber auch, dass die Autania AG sich bereits in Westbesitz befand, dann kauft man eben für 'nen Appel und'n Ei diese AG, fährt nach Berlin, legt den Treuhand-Fuzzies Papiere einer 60-Mio-Aktiengesellschaft auf den Tisch, und macht Shopping im grossen Stil...! Nachdem vieles selbst an 50.000-DM-GmbHs verscherbelt wurde (ich weigere mich, das Wort "verkauft" zu benutzen!), wird man bei einer solchen AG sicherlich den roten Teppich ausgerollt haben. Habe einiges an Literatur über die Treuhand und ihre Superprivatisierungen, muss demnächst man suchen, ob ich was über Autania finde.
Und jetzt wollen diese Leute den Namen "Auto Union" zurück, weil sie der Ansicht sind - ich zitiere - "dass die Geschichte der Auto-Union der Autania gehöre". Leute, ich fall' vom Glauben ab...!