So, endlich Feierabend. Muss mich jetzt doch noch einmal zu diesem Thema äussern. Holger, deine Kompetenz in dieser Sache steht ausser Frage, aber trotzdem verstehe ich vieles immer noch nicht.
Du schreibst, es habe damals keine Rechtsstaatlichkeit gegeben, was sicherlich auch zu einem gewissen Teil richtig ist. Trotzdem galten sowohl in West als auch in Ost weiterhin ein Grossteil der alten Gesetze aus der Vor-Nazizeit, vor allem das HGB, das auch von den neuen Staaten BRD und DDR erst einmal unangetastet übernommen wurde. Ich würde dir ja trotzdem gerne glauben, aber die Verwendung der Richter GmbH als Auffanggesellschaft zeigt doch deutlich, dass man sich auch in der SBZ strikt an die Regeln des HGB hielt. Wenn man willkürlich gehandelt hätte, dann wäre die AU ganz einfach von den Sowjets per Dekret aufgelöst und aller Firmen-Besitz in der SBZ in einer Art Kombinat zusammengefasst worden. Der Umweg über Richter lässt den Schluss zu, dass man sich trotz der chaotischen Umstände an das HGB gehalten hat, um die Streuaktionäre kaltzustellen. Die Sächsische Staatsbank galt sowieso als Reichseigentum, und ihr Vermögen war beschlagnahmt, einschliesslich der 95 % Anteile an der AU.
Im Internet habe ich einen interessanten Artikel über die Auto Union GmbH gefunden, der leider nur noch in Cache-Form existiert, so dass ich ihn hier komplett einfüge.
DKW und Audi im Westen - Arno von Buschmann
Die Geschichte des Namens und der Marke Audi ist wesentlich mit der Geschichte der in den damaligen westlichen Besatzungszonen gelegenen Teile der alten Auto Union und deren Wieder- bzw. Neugründung als Auto Union GmbH verbunden.
Ausgangspunkt für diese Neugründung der Auto Union war die Tatsache, dass die alte Auto Union AG zwar bis auf das Berliner Werk sämtliche Produktionsstätten und ihre Zentrale in Chemnitz. verloren hatte, es aber in den damaligen westlichen Besatzungszonen nahezu 65 000 DKW-Wagen gab, die - wie früher schon erwähnt - wegen ihrer Holzkarosserie nicht beschlagnahmt worden waren, daher gebrauchsfertig zur Verfügung standen und der Ersatzteilversorgung bedurften. Außerdem existierten noch einige Filialen der Auto Union mit ihren Ersatzteilbeständen, so dass durchaus die Möglichkeit gegeben war, wenigstens im Westen Deutschlands die im Osten gelöschte Firma wiederzubeleben und eine neue Firma mit dem Namen Auto Union ins Leben zu rufen.
Nach komplizierten Überlegungen und Verhandlungen, an denen vor allem die ehemaligen Vorstandsmitglieder der alten Auto Union Dr. Carl Hahn und Dr. William Werner sowie später Dr. Richard Bruhn, der langjährige Vorstandsvorsitzende der alten Auto Union AG, beteiligt waren, gelang es auch tatsächlich, zwei Ersatzteildepotfirmen zu gründen, die als Keimzellen der späteren Neugründungen angesehen werden können, nämlich die »Zentraldepot für Auto Union Ersatzteile GmbH« in Ingolstadt (für die ehemalige amerikanische Besatzungszone) und die »Zentraldepot für Auto Union Ersatzteile GmbH in Oldenburg i. 0. (für die britische Besatzungszone).
Nachdem sich darüber hinaus vor allem in Ingolstadt eine Anzahl leitender Mitarbeiter der verschiedenen Werke der alten Auto Union eingefunden hatte, begannen bereits im Jahre 1947 erste Überlegungen und Planungen für den Wiederaufbau einer Automobilproduktion der Auto Union, die jedoch erst konkretere Formen annahmen, als Dr. Bruhn, der zwischenzeitlich von der britischen Besatzungsmacht ohne Angabe von Gründen verhaftet worden war, wieder freikam und auch das Berufsverbot, das ihm auferlegt worden war, im Jahre 1948 aufgehoben wurde.
Noch bevor eine Aufnahme der Automobilproduktion ernsthaft ins Auge gefasst werden konnte, hatten sich jedoch auf Betreiben von Dr. Hanns Schüler, der nach Kriegsende zum stellvertretenden Vorstandsmitglied der Auto Union AG bestellt worden war, die im Westen verbliebenen Filialen der Auto Union AG zu einer Handelsgesellschaft, der (ersten) Auto Union GmbH mit Sitz in Ingolstadt, zusammengeschlossen.
Zur eigentlichen Gründung der (zweiten) Auto Union GmbH in Ingolstadt als Produktionsgesellschaft kam es erst, als sich Dr. Bruhn, Dr. Hahn und weitere leitende Herren der alten Auto Union AG zu einer »Arbeitsgemeinschaft Auto Union« zusammenschlossen, deren erklärtes Ziel es sein sollte, die Wiederaufnahme der Produktion von Fahrzeugen vorzubereiten und die Fortführung des Programms der alten Auto Union in die Wege zu leiten. Auf Initiative dieser Arbeitsgemeinschaft und unter maßgeblicher Beteiligung des renommierten Kölner Bankhauses Sal. Oppenheim &Cie. gelang es im September 1949, diese (zweite) Auto Union GmbH zu errichten, die von der (ersten) Auto Union GmbH das gesamte Filialgeschäft und den Ersatzteildienst übernahm und nunmehr Handelsgeschäft, Ersatzteildienst und Produktionsvorbereitung in einer Gesellschaft vereinigte. Die (erste) Auto Union GmbH firmierte gleichzeitig in Industrie-Aufffang-GmbH um, so dass das Nebeneinanderbestehen von zwei Firmen gleichen Namens vermieden wurde.
Schwieriger als diese Um- und Neugründungen einer neuen Auto Union gestaltete sich das Verhältnis dieser neuen Auto Union GmbH zur alten, inzwischen im Handelsregister des Amtsgerichts Chemnitz gelöschten Auto Union AG. Zunächst musste jede gesellschaftsrechtliche Verbindung der neuen Auto Union GmbH mit der alten Auto Union AG vermieden werden, da die alte Auto Union AG als eine maßgeblich im Staatsbesitz befindliche Gesellschaft — Großaktionär war die Sächsische Staatsbank — zum Vermögen des Deutschen Reiches gerechnet wurde und daher auch in den westlichen Besatzungszonen der Gefahr einer Beschlagnahme durch die Besatzungsmächte unterlag. Nur eine neue Firma, die unabhängig von der alten bestand, bot daher einigermaßen Sicherheit gegen Beschlagnahmeverfügungen der alliierten Militärregierung. Auf der anderen Seite war die alte Auto Union AG nach wie vor Inhaber sämtlicher produktionsbezogenen Rechte, Patente, Fabrikationsrechte, Warenzeichen- und Markenrechte, nicht zuletzt aber des Namensrechtes, das die neue Gesellschaft keineswegs usurpieren durfte, sondern nur auf vertraglichem Wege übernehmen konnte.
Die Einzelheiten der komplizierten Rechtsvorgänge mögen hier auf sich beruhen; jedenfalls erhielt die neue Auto Union GmbH noch im Jahre 1949 von der alten Auto Union AG sämtliche Rechte einschließlich des Namensrechtes, so dass endlich der Weg frei war für die Aufnahme der Produktion, zumal sich die Bayerische Staatsbank bereit erklärt hatte, ein beträchtliches Kreditengagement bei der neuen Gesellschaft einzugehen.
Die Produktion begann in Ingolstadt in behelfsmäßig hergerichteten Gebäuden unter äußeren Bedingungen, die geradezu abenteuerlich anmuten und die heute kaum mehr vorstellbar erscheinen. Es war wie in der Pionierzeit des Automobils zu Horchs Zeiten, in der gleichsam aus dem Nichts durch den tätigen Einsatz aller Beteiligten Fertigungsstätten, Konstruktionen und die Organisation aus dem Boden gestampft wurden. Grundlage für die neu eingerichtete Produktion war allerdings zunächst nicht die Fertigung von Fahrzeugen unter der von Horch geschaffenen Marke Audi, sondern unter Jörgen Skafte Rasmussens alter Marke DKW. Produziert wurden Motorräder, deren Fertigung nach dem Muster einer von einem Regensburger Händler zur Verfügung gestellten Vorkriegsmaschine aufgenommen wurde, und bald auch Lieferwagen, deren Konstruktion eine Nachkriegsenfwicklung darstellte und ganz auf den Bedarf an Geschäftsfahrzeugen in der Zeit des Wiederaufbaus abgestellt war. Auch sie wurden unter der Markenbezeichnung DKW hergestellt, waren mit DKW-Frontmotoren ausgerüstet und waren reine DKW-Erzeugnisse.
Dennoch war von Anfang an klar, dass die Produktion der wiedererstandenen Auto Union nicht auf diese Fahrzeuge - Motorräder und Lieferwagen — beschränkt bleiben sollte. Vielmehr bestanden schon in der Vorbereitungsphase zur Wiedergründung des Unternehmens Pläne zur Aufnahme der Produktion auch von Personenkraftwagen, die nach Aufnahme der Geschäftstätigkeit der (zweiten) Auto Union GmbH sofort weiterverfolgt wurden und durch den Verkaufserfolg der ersten Fahrzeuge der neuen DKW-Fertigung weiteren Auftrieb erhielten.
Da im Ingolstädter Raum keine geeigneten Gebäude für eine solche Pkw-Produktion zur Verfügung standen, entschloss sich die Geschäftsführung der GmbH, Werksanlagen des Werkes II der Rheinmetall-Borsig AG in Düsseldorf, die von der Demontage bedroht waren, durch einen Pacht/Kaufvertrag im Jahre 1950 zunächst zu pachten, dann 1954 käuflich zu erwerben und dort eine Pkw-Fertigung einzurichten. Das Werk hatte, wie alle Düsseldorfer Industriebetriebe, schwere Kriegsschäden erlitten, so dass erhebliche Mittel für den Wiederaufbau aufgewandt werden mussten.
Noch während des Wiederaufbaus im Verlauf des Jahres 1950 begann bereits die Produktion der Personenkraftwagen, wiederum zunächst der Marke DKW, und zwar im Anschluss an ein schon während des Krieges entwickeltes Modell vom Typ »Meisterklasse«, das mit einem Fronttriebwerk und einem Zwei-Zylinder-Zweitaktmotor, zum Unterschied der bis Kriegsende gebauten Fahrzeuge jedoch bereits mit einer Ganzstahlkarosserie ausgestattet war. Die Ganzstahlkarosserie wurde mit Werkzeugen hergestellt, die noch während des Krieges von Sachsen nach Westdeutschland ausgelagert worden waren und nunmehr zur Fertigung des ersten Nachkriegsmodells verwendet werden konnten.
Eine Reaktivierung von Horchs alter Marke Audi unterblieb zunächst. Der Erfolg der Fahrzeuge, die unter der Markenbezeichnung DKW produziert wurden, ließ einen Wechsel zunächst nicht angezeigt erscheinen. Erst als um die Mitte der fünfziger Jahre der Motorradabsatz, später auch der Absatz der Lieferwagen und Personenkraftwagen der Marke DKW stark zurückging, war die Zeit für einen Markenwechsel gekommen. Inzwischen, d. h.
im Jahre 1958, waren die Geschäftsanteile der Auto Union GmbH von den bisherigen Inhabern auf die Daimler-Benz AG übergegangen und eine Umstellung und Bereinigung des Produktionsprogramms in Angriff genommen worden.
Die Motorradfertigung wurde auf die neu gegründete Zweirad Union AG, Nürnberg, übertragen, in der sich eine Anzahl von Zweirad-Herstellern zusammengeschlossen hatten und deren Mehrheit später von der Fichtel-& Sachs AG in Schweinfurt übernommen wurde. Die Fertigung der Lieferwagen wurde eingestellt und in Ingolstadt ein neues Werk errichtet, in dem bereits ein Jahr nach Übernahme der Auto Union durch die Daimler-Benz AG mit dem Bau verbesserter DKW-Modelle, des Kleinwagens DKW-Junior und des letzten DKW-Frontwagens mit der Typenbezeichnung F 102, begonnen wurde. Sechs Jahre später wurde jedoch auch diese Fertigung wegen ständig zurückgehenden Absatzes eingestellt.
Mit der Einstellung der letzten Produktion von Fahrzeugen der Marke DKW im Jahre 1965 begann zugleich die Wiederbelebung der alten Horch-Marke Audi, deren letzte Wagen 25 Jahre zuvor im Werk Horch der Auto Union in Zwickau montiert worden waren, und damit die Anknüpfung der neuen Auto Union GmbH an Namen und Markentradition eines der ältesten Gründerwerke der alten Auto Union, des Werkes Audi. Sie dauert bis auf den heutigen Tag an und stellt die Verbindung her zwischen dem Ursprung der Auto Union und der heutigen, inzwischen zu einer Tochtergesellschaft des Volkswagenwerkes AG gewordenen Audi NSU Auto Union AG und schlägt damit die Brücke von den ersten Anfängen der Auto Union-Automobile, ja den ersten Automobilen überhaupt und ihrem Schöpfer und Urheber, bis in unsere Zeit und Gegenwart.
Hier werden viele Fragen beantwortet, aber nicht alle, und eben auch einige, welche ich gestern bereits gestellt habe, und die von Holger (sorry!) nicht schlüssig beantwortet wurden.
Zum einen wird auch hier bestätigt, dass die Auto Union AG im Handelsregister Chemnitz gelöscht war, aber zum anderen "war die alte Auto Union AG nach wie vor Inhaber sämtlicher produktionsbezogenen Rechte, Patente, Fabrikationsrechte, Warenzeichen- und Markenrechte, nicht zuletzt aber des Namensrechtes, das die neue Gesellschaft keineswegs usurpieren durfte, sondern nur auf vertraglichem Wege übernehmen konnte". Ich weiss, ich wiederhole mich, aber noch einmal: eine liquidierte und gelöschte Firma ist nicht mehr existent, und kann damit auch nichts mehr besitzen, auch keine Rechte!
Wer also besass dieses immaterielle Eigentum nach der Liquidation? Und warum erwähnt der Auto nicht ein einziges Mal die AU AG "West"? Die gab es sicherlich, denn irgendwo muss die "Autania AG" ja ihre Wurzeln haben, aber in welcher Form und mit welcher rechtlichen Grundlage ist mir immer noch nicht klar.
Ich möchte die Diskussion hier nicht ausufern lassen, weil sie ja auch mit Motorsport nichts mehr zu tun hat, aber selbstverständlich bin ich hochinteressiert, mich in die von Holger angeschnittete Literatur zu vertiefen. Wenn du mir die entsprechenden Daten gibst, kann ich ja mal im Internet schnüffeln, ob antiquarisch etwas zu bekommen ist. Ansonsten gäbe es ja noch die Möglichkeit des Ausleihens...