@ Holger:
Ich weiss, dass du AU-Spezialist bist, und darum gehe ich davon aus, dass du weißt, dass Porsche 1936 eigentlich keinen Einfluss mehr hatte, und AU alles tat, um ihn loszuwerden. Ich bezweifle, ob er diesen Verkauf hätte durchsetzen können, und auch politisch hätte das sicherlich ein Veto gegeben. Über Seaman meine ich gehört zu haben, dass er für die Saison 1939 Gespräche mit AU geführt hat oder zumindest führen wollte.
Das Manko in Sachen Fahrern bei der AU kann man im Prinzip in wenigen Stichworten zusammenfassen: Caracciola - Neubauer - Rosemeyer - Heckmotor. Aber nun etwas genauer.
Theoretisch begann für beide 1934 - oder besser 1933 - die Stunde Null, aber eben nur theoretisch. Mercedes-Benz war eine eingespielte Organisation, vom Vorstand bis zum Mechaniker, und man verfügte bereits über ausreichend Rennerfahrung. Hinzu kam Alfred Neubauer, der nicht nur sehr erfahren war, sondern auch eine Persönlichkeit. Er verstand es nicht nur, die Interessen der Rennabteilung bis hin zum Vorstand durchzusetzen, sondern auch sein Team "hart aber herzlich" zu leiten und zu motivieren. Die AU war ein Konglomerat aus 4 verschiedenen Firmen, wo sich das Management erst einmal untereinander zusammenraufen musste. Wenn man die Kirchberg-Akten liest, bekommt man das Gefühl, dass Kompetenzüberschneidungen, interne Querelen und Animositäten, sowie Umorganisationen an der Tagesordnung waren. Erschwert wurde diese Struktur sicherlich noch durch die Eingliederung der externen Porsche-Mannschaft. Weder Walb noch Feuereissen dürften die Qualitäten eines Neubauers gehabt haben, was noch dadurch belastet wurde, dass man wirklich bei Null anfangen musste.
1933 gab es in Deutschland nur einen wirklichen Spitzenklassefahrer, und das war Rudi Caracciola, und MB hatte das Glück, auf diesen Fahrer zählen zu können. Nicht nur zum Neubeginn 1934, sondern sondern auch für die Folgejahre, dank Leuten wie Neubauer, Uhlenhaut, Nibel und Kissel.
Der zweite Fahrer im MB-Team war Manfred von Brauchitsch, der dem Team ebenfalls über die ganzen 6 Jahre treu blieb. Der Dritte im Team war Luigi Fagioli, aber ob die 3 Jahre mit ihm wirklich eine gute Entscheidung war, muss ernsthaft angezweifelt werden. Ab 1935 kam dann Hermann Lang als Reservefahrer hinzu, der dann ab 1937 die Position von Fagioli übernahm. Und nicht zu vergessen Richard Seaman, der sich vom Reservefahrer 1937 durch gute Leistungen zum 4. "Vollmitglied" hocharbeitete. Die Reservefahrer wie Henne, Geier, Kautz, Zehender, Bäumer, Hartmann und Brendel spielten immer nur eine untergeordnete Rolle, entweder weil sie nicht gut genug waren, oder weil es keine Nachrückmöglichkeit gab. Der Vorteil des Mercedes-Teams war seine Kontinuität, die zum einen durch eine gute Personalpolitik, zum anderen aber auch durch keine Todesfälle - mit Ausnahme Seaman gegen Ende der Ära - gewährleistet wurde.
Bei der Auto Union gab es von Anfang an nur eine Konstante, und das war Hans Stuck. Er war Teil des Porsche-Hitler-Deals, aber mit Sicherheit trotzdem erste Wahl, da Caracciola nicht zur Verfügung stand. Momberger und zu Leiningen waren sicherlich zweite Wahl, und Sebastian ein definitiver Fehlgriff durch Walb (Freundschaft hin - Freundschaft her).
Für 1935 war die Fahrerauswahl mit Sicherheit erstklassig, Varzi war ein echter Coup, Rosemeyer als Reservefahrer ein absoluter Glücksgriff, und auch Paul Pietsch als Reserve eine logische Entscheidung. Diese Fahrerkonstellation hätte AU auf Dauer nicht nur ebenbürtig zu Mercedes, sondern wahrscheinlich sogar überlegen gemacht. Wenn - ja, wenn nicht Rosemeyer tödlich verunglückt wäre, wenn Varzi nicht morphinsüchtig gewesen wäre (und Pietsch's Frau in Ruhe gelassen hätte), und wenn man die Probleme mit Stuck mit etwas mehr Taktik und Geschick gelöst hätte. Zum Jahreswechsel 1937/38 hatte sich das "Dreamteam" in Luft aufgelöst, Fagioli war sowieso ein Fehlgriff, und von Delius tödlich verunglückt.
Nun, das meiste hiervon war durch die Teamleitung nicht beeinflussbar, der Krach mit Stuck hätte allerdings vermieden werden können, und Fagioli nach den Erfahrungen bei Mercedes erst gar nicht verpflichtet werden dürfen. Und ein Neubauer hätte das Doppelproblem Varzi-Pietsch vielleicht gelöst. Vielleicht war es auch ein Fehler, dass man Nuvolari nicht bereits für 1935 engagiert hatte, gegen den Widerstand von Stuck und anstelle von Varzi. Aber hinterher ist man natürlich immer schlauer.
Man war also gezwungen, die Saison 1938 mit den Reservefahrern Rudolf Hasse und HP Müller anzugehen, und dringend Ausschau nach neuen Spitzenfahrern zu halten. Stuck wurde zurückgeholt, und mit Nuvolari hatte man endlich wieder einen echten Siegfahrer. Und mit dieser Fahrerkonstellation beendete man auch die Ära in Belgrad 1939.
Im grossen und ganzen glaube ich kaum, dass man der Auto Union eine schlechte Fahrerpolitik vorwerfen kann, wobei einige krasse Fehler durchaus zu erkennen sind. Aber mit Rosemeyer und Varzi (oder noch besser Nuvolari von Anfang an) hätte man ein unschlagbares Team gehabt.
Unbedingt zur Sprache bringen sollte man aber auch eine mögliche Internationalierung des Teams. Wie bekannt, waren hier politische Grenzen gesetzt, Italien galt als befreundete Nation, war also theoretisch kein Problem, und England war immer des GRÖFAZ liebstes Kind gewesen. Weshalb man auch die Verpflichtung von Seaman in Berlin als politisches Goodwillzeichen gesehen hatte. Sicherlich hätte es auch in England und Italien noch den einen oder anderen Topfahrer gegeben, aber zum einen mussten die erst einmal wollen, und zum anderen waren dem finanzielle Grenzen gesetzt. Bereits die Verplichtung der Italiener hatte riesengrosse Probleme mit sich gebracht, weil die natürlich in Devisen bezahlt werden mussten, die immer nur unter grossen Schwierigkeiten genehmigt wurden. Ich glaube kaum, dass ein weiterer Ausländer bei Mercedes oder AU genehmigt worden wäre, aus politischen und finanziellen Gründen.
Und dann war da eben auch noch das Problem mit dem Heckmotor - oder korrekt gesagt Mittelmotor. Viele gute und erfahrene Fahrer kamen mit den Fahreigenschaften der Auto Union einfach nicht zurecht und schieden deswegen aus. Bemerkenswert ist, dass vor allem ehemalige Motorradfahrer wie Rosemeyer, Nuvolari, und Müller sich in den AU auf Anhieb wohl fühlten, und mit der Heckschleuder bestens auskamen. Ob das bereits damals erkannt und entsprechend berücksicht wurde, kann ich leider nicht sagen.