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Umstieg vom Saug- zum Turbomotor

Das Formel 1 Forum früherer Tage...
Beitrag Montag, 07. August 2006

Beiträge: 4967
Nachdem Renault 1977 in der F1 den Turbomotor eingeführt hatte,
mussten auch die anderen Teams (manchmal zähneknirschend) merken,
dass die Zeit für die Saugmotoren abgelaufen war.

Wir sollten einmal eine Aufstellung machen, wer wann auf einen
Turbomotor umgestiegen ist.

1981 war eigentlich das 1. Jahr, das mehrere Turbomotoren sah.
Ferrari probierte auch den Comprex Lader aus, eine Art Turbo, der
schweizer Firma BBC. Es war ein Mittelding zwischen Kompressor
und Turbo. Dieser Lader wurde allerdings nie im Rennen eingesetzt.

Weiters trat Toleman mit einem Hart 415 T Motor an, der gegen Ende
der Saison ca. 540 PS leistete.

Brabham trat beim GP von England im Training mit dem BT50
mit BMW-Turbo Motor an. Piquet erreichte die 3. Trainingszeit.
Doch beim Rennen griff man wieder zum bewährten Sauger zurück.

Beitrag Montag, 07. August 2006

Beiträge: 8060
Die Briten wehrten sich ja hartnäckig gegen den Turbo - und sogar erfolgreich. Es dauerte ewig bis der Turbo einen Titel gewann. Ich würde sogar boshaft schreiben; 1982 war er die teuerste Möglichkeit einen Titel zu verpassen. Selbst 1983 kam man noch zu einigen Siegen mit dem Saugern.

Beitrag Montag, 07. August 2006

Beiträge: 4967
Alfalfa hat geschrieben:
Die Briten wehrten sich ja hartnäckig gegen den Turbo - und sogar erfolgreich. Es dauerte ewig bis der Turbo einen Titel gewann. Ich würde sogar boshaft schreiben; 1982 war er die teuerste Möglichkeit einen Titel zu verpassen. Selbst 1983 kam man noch zu einigen Siegen mit dem Saugern.


Irgendwie war es eine Verlängerung des Krieges Frankreich gegen England. :?

Beitrag Montag, 07. August 2006

Beiträge: 8060
Renault ist irgendwie ein tragischer Fall. Man leistete mit dem Turbo Pionierarbeit, aber die beiden möglichen Titel 1982 und 1983 versaute man total. Zum Schluss gab's nur noch gegenseitige Beschuldigungen. Als dann die speziell entwickelten TAG-Motoren kamen und ab Mitte 1985 Honda mächtig aufrüstete, war der (eigentlich nicht für diesen Zweck entwickelte) Renault schon lange am Ende seiner Möglichkeiten und der Titel wäre ohnehin nicht mehr möglich gewesen. Aber 1982 und 1983 - das muss ich schon sagen - war man zu dumm für den Titel.

Beitrag Montag, 07. August 2006

Beiträge: 4967
Ja, das ging eindeutig auf deren Kappe, wobei Renault sich 1983
schon zu sicher war, und dann die ganze Schuld Prost in die Schuhe
schob. An das "Theater" Ende Saison 83 kann ich mich nur allzugut
erinnern.

Beitrag Montag, 07. August 2006

Beiträge: 8060
Inzwischen ist man ja 6 x Fahrer- und 7 x Konstrukteurs-Meister, letzte Jahr sogar unter eigenem Namen (Chassis) - da ist der Fall 'Prost 1983' bestimmt längst vergessen.

Beitrag Montag, 07. August 2006

Beiträge: 8060
torino hat geschrieben:
1981 war eigentlich das 1. Jahr, das mehrere Turbomotoren sah. Ferrari probierte auch den Comprex Lader aus, eine Art Turbo, der schweizer Firma BBC. Es war ein Mittelding zwischen Kompressor und Turbo. Dieser Lader wurde allerdings nie im Rennen eingesetzt.

Ferrari war das zweite Team das es mit einem Turbo probierte. Villeneuve trainierte damit 1980 beim GP von Italien. Es war ein merkwürdig umgebauter T5 für den es (soweit ich weiss) gar keine richtige Bezeichnung gibt - sah aus wie ein Zwischending zwischen T5 und 126C. Man sah von einem Renneinsatz ab.

Beitrag Montag, 07. August 2006

Beiträge: 4967
Alfalfa hat geschrieben:
torino hat geschrieben:
1981 war eigentlich das 1. Jahr, das mehrere Turbomotoren sah. Ferrari probierte auch den Comprex Lader aus, eine Art Turbo, der schweizer Firma BBC. Es war ein Mittelding zwischen Kompressor und Turbo. Dieser Lader wurde allerdings nie im Rennen eingesetzt.

Ferrari war das zweite Team das es mit einem Turbo probierte. Villeneuve trainierte damit 1980 beim GP von Italien. Es war ein merkwürdig umgebauter T5 für den es (soweit ich weiss) gar keine richtige Bezeichnung gibt - sah aus wie ein Zwischending zwischen T5 und 126C. Man sah von einem Renneinsatz ab.


Ich glaube, wir hatten dieses Foto mal hier im Forum. :?

Es scheint mir, dass die Teams Angst hatten vor dem Turbo.
Eigentlich kein Wunder, wenn man die Anfänge von Renault anschaut.

Ich komme jetzt noch zum Team Williams, das sich auch schon sehr
früh über den Einsatz eines Turbomotors Gedanken machte.
Bereits 1981 streckte man die Fühler zu Matra aus. Das war für ein
englisches Team meiner Ansicht nach sehr früh, mal abgesehen von
Brabham. Zu dieser Matra Geschichte gibt's von mir dann später im
Jahr noch einen Beitrag, ich warte immer noch auf zwei Mails aus
Frankreich. :roll:

Beitrag Montag, 07. August 2006

Beiträge: 1862
@ Alfalfa:

inwiefern meinst du, dass die renault- und tag-motoren für andere zwecke entwickelt wurden?
"When you're racing, it's life. Anything that happens before or after is just waiting."

Michael Delaney (Steve McQueen), Le Mans

Beitrag Montag, 07. August 2006

Beiträge: 8060
Ich schreib' mal ein paar Worte dazu - gib' mir etwas Zeit zum recherchieren...

Beitrag Montag, 07. August 2006

Beiträge: 4967
Alfa Romeo rüstete sein Werksteam mit dem V8 Turbo 1983 aus.
1984 kamen Osella und Benetton in den Genuss dieses Triebwerks.
Osella wurde bis 1988, Benetton bis 1985 ausgerüstet. Wobei Benetton
in diesem Fall das Werksteam war, ab 1984 war man inoffiziell dabei,
unter dem Namen Euracing-Alfa Romeo, 1985 hiess das Team dann
Benetton Euroracing-Alfa Romeo.

Auf den Turbomotor von 1987, der für Ligier bestimmt war, gehe
ich nicht ein, da er in diesem Thread nicht von Belangen ist.

Alfa Romeo 890T 1983 bis 1988

Die Leistung wuchs von 1983 bis 1988 von 640 PS bis ca. 700 PS.
Soviel ich weiss, rüstete Alfa Romeo den Motor manchmal auch mit
eigenen Turboladern aus anstelle der KKK Ladern. Wäre gut, wenn
das jemand bestätigen, oder dementieren könnte.


Bild

Beitrag Montag, 07. August 2006

Beiträge: 8060
Benway hat geschrieben:
Inwiefern meinst du, dass die renault- und tag-motoren für andere zwecke entwickelt wurden?

So nach ein bischen Recherche hier mein Bericht. Der Unterschied vom Renault oder BMW (den frühen Turbos) zu den späteren TAG Motor war, dass der TAG speziell für die F1 entwickelt wurde. Als man mit der Entwicklung von Turbomotoren begann, lautete die Devise nämlich: Man nehme einen vorhandenen Motor und lade ihn einfach auf. Diesen Weg gingen alle, die mehr Leistung wollten, egal ob für den Rennsport oder auch für Straßenfahrzeuge. Der Anreiz, keinen völlig neuen Motor entwicklen zu müssen, war sowohl technisch als auch strategisch sehr groß, und ihm verdankt die Turbotechnologie einen großen Teil des Erfolges. Es genügte also (zumindest am Anfang) vorhandene Motoren zu modifizieren und aufzuladen.

Aber bleiben wir mal im speziellen Fall bei Renault (obwohl torino vielleicht dazu noch mehr beitragen kann). Hier nahm man den von der F2-Europameisterschaft bekannten 2-l-Sechszylinder-V90-Motor. In der F2 wurde der Motor ab 1973 eingesetzt. Erste Höhepunkte erlebte er 1976 und 1977 durch den Gewinn dieser damals wichtigen Rennserie. Ein weiterer Glanzpunkt war der Gewinn der 24 Stunden von Le Mans im Jahre 1978 in einer aufgeladenen Zweiliter-Version.

Schon zu diesem Zeitpunkt hatte sich Renault der F1 zugewandt und dafür einen eigenen Monoposto entwickelt. Ein erster Versuchsmotor mit Hub 49,4 mm und Bohrung 80,0 mm lief bereits 1975 und gab ziemlich bald über 503 PS bei 10.800 U/min ab. Man hatte also schnell die Höchstleistung der etablierten, doppelt so großen Saugmotoren erreicht, aber den Technikern war klar, dass das niemals reichen würde, um die Sauger auch auf der Piste zu schlagen. Von den ersten Eckdaten ausgehend versuchte man augenblicklich das Drehmoment zu erhöhen und es gleichzeitig in niedrigeren Drehzahlen zu verlagern, nachdem bei den ersten Versuchsauslegungen die Höchstleistungsdrehzahl und die Drehzahl, bei der sich das maximale Drehmoment einstellte, fast zusammengefallen waren.

Ein wesentlicher Entwicklungsschritt war die Erweiterung der Bohrung auf 86 mm und die Reduktion des Hubes auf 43 mm. Die Überlegungen, die zu diesem Schritt führten, versteht man besser, wenn man sich das Einzelzylindervolumen beim Sechszylinder 1,5 Liter-Motor vergegenwärtigt: Ganze 250-ccm oder schlicht & ergreifend, ein 1/4 Liter. Durch das neue Hub-Bohrungs-Verhältnis erreichte man praktisch denselben Zylinderdurchmesser wie der Cosworth-Saugmotor. Damit konnten die Ventildurchmesser etwas vergrößert und gleichzeitig die Kolbengeschwindigkeit abgesenkt werden. Dem Renault-Motor kommt noch der sehr kleine Winkel entgegen, den die Ein- und Auslaßventile einschließen. Damit ergibt sich eine sehr kompakte, wenig klopfempfindliche Brennraumform, die gerade beim aufgeladenen Motor besonders wichtig ist.

In der zweiten Version wurden dann 510 PS bei 10.500 U/min gemessen. Wichtiger war aber das für damalige Begriffe enorme Drehmoment von 400 Nm bei 8.200 U/min. Von solchen Werten konnten die Saugmotoren nur träumen, hier waren nie mehr als 340 Nm zu holen.

Bis dato hatte der aufgeladene 1,5 Liter Renault-Motor nur einen großen Abgasturbolader, für den alle sechs Auspuffleitungen hinter dem Motor zusammengeführt wurden. Der erste Einsatz in dieser Form fand am 14.07.77 in Silverstone statt. Jabouille gelang es, das vielbestaunte Auto für den 21. Startplatz zu qualifizieren. Das Rennen mußte er in der 9. Runde, an 17. Stelle liegend, mit Problemen am Motor beenden.

Darauf folgt eine lange, schwierige Entwicklungsphase. Wohl ließ der Renault Turbo hin und wieder durch Trainingsbestzeiten und sogar Führung zu Beginn des Rennens sein Potential aufblitzen, aber es dauerte noch zwei Jahre, bis der erste Sieg da war. Am 01.07.79 gewann der Jabouille den Französischen GP. Es war der wahre Beginn des Turbozeitalters.

Renault hatte inzwischen am Motor hart weitergearbeitet und dabei sehr viele Erfahrungen gesammelt. Für andere Firmen war es nun viel einfacher, den Weg über die kleinen aufgeladenen Motoren zu gehen, weil Renault ja bewiesen hatte, dass es überhaupt geht. Zur damaligen Zeit hatte Renault einen Entwicklungsvorsprung von knapp zwei Jahren. Gegen die nachfolgenden Turbomotoren konnte dieser Vorsprung aber nie in eine deutliche Überlegenheit umgesetzt werden. Vielleicht hatte man sich zu sehr darauf verlassen, dass die anderen dieselben Schwierigkeiten bei der Entwicklung ihrer Triebwerke bekommen würden - was sich aber als Irrtum erwies.

Neben der bereits beschriebenen Veränderung von Hub und Bohrung war der Übergang von einem auf zwei Abgasturbolader besonders wichtig. Man kam so zu einer völlig symmetrischen, strömungsgünstigen und kurzen Anordnung von Auspuffrohren, Abgasturboladern, Ladeluftkühlern und Ansaugsystemen. Alle Teile waren natürlich zweifach vorhanden.

Die beiden nun kleineren Abgasturbolader wurden nun seitlich neben den beiden Zylinderreihen des V90 angeordnet. Ursprünglich waren die Auspuffrohre zwischen den Zylinderköpfen und den Abgasturboladern ziemlich lang. Später wurden sie dann immer kürzer, wobei die Turbolader näher zum Motor rückten, was das Ansprechverhalten verbesserete. Man betrat Neuland und experimentierte eben ständig herum. Aber so tief möchte ich jetzt wirklich nicht in die Materie einsteigen...

Beitrag Montag, 07. August 2006

Beiträge: 4967
@Alfalfa: Vielen Dank für Deinen exakten Bericht. Ich kann die
Entwicklungsschritte, die Du über Renault beschreibst bestätigen.

Zu der Zeit als Renault noch mit dem Turbo fuhr bauten sie auch
Traktoren und Triebwagen, nicht zu vergessen die LKWs. Dort kamen
die Erkenntnisse des Turbos schon zum Tragen. Die Materie ist sehr
kompliziert, ich habe schon technische Zeichnungen, leider bin ich aber
kein Ingenieur.

Bei TAG wollte man den Motor auch für Flugzeuge und Boote benutzen.
Ich hatte das mal gelesen, aber nie ein solches Gerät gesehen.

Beitrag Dienstag, 08. August 2006

Beiträge: 232
torino hat geschrieben:
Nachdem Renault 1977 in der F1 den Turbomotor eingeführt hatte...
War Fred Agabashian, Kurtis Cummins, Indianapolis 1952 nicht der erste mit einen Turbo?

Beitrag Dienstag, 08. August 2006

Beiträge: 45834
1984 kamen Osella und Benetton in den Genuss dieses Triebwerks.
Osella wurde bis 1988, Benetton bis 1985 ausgerüstet. Wobei Benetton
in diesem Fall das Werksteam war, ab 1984 war man inoffiziell dabei,
unter dem Namen Euracing-Alfa Romeo, 1985 hiess das Team dann
Benetton Euroracing-Alfa Romeo.


Ich bin etwas verwirrt: Benetton stieg doch erst 1986 in die Formel-1 ein (also als eigenes Team, als Sponsor war man schon bei Tyrrell und Toleman), davor hieß das Team Toleman und die fuhren aber zu der Zeit mit Hart Motoren.... :?: :? :?:

Beitrag Dienstag, 08. August 2006

Beiträge: 4967
edelweiss hat geschrieben:
torino hat geschrieben:
Nachdem Renault 1977 in der F1 den Turbomotor eingeführt hatte...
War Fred Agabashian, Kurtis Cummins, Indianapolis 1952 nicht der erste mit einen Turbo?


Ich nehme hier die moderne F1 in den Thread bzw. die 80er Jahre,
als die englischen Garagenteams von ihrem geliebten Cossie auf
Turbo Power umsteigen "mussten".

Beitrag Dienstag, 08. August 2006

Beiträge: 8060
torino hat geschrieben:
Ich nehme hier die moderne F1 in den Thread bzw. die 80er Jahre, als die englischen Garagenteams von ihrem geliebten Cossie auf Turbo Power umsteigen "mussten".

Na ja, ein bisschen abschweifen darf man in Yesterday immer. Wobei der Cummins-(LKW)-Diesel keinen Turbolader hatte, sondern einen Kompressor - wenn ich mich recht erinnere.

Es begann Mitte der sechziger Jahre, als sich der stets experimentierfreudige amerikanische Rennsport auf die Idee mit der Aufladung besann: Vierzylinder Reihenmotoren, die Monopostos bei Oval-Rennen (wie Indianapolis) antrieben, wurden von der Firma Drake-Offenhauser mit Turboladern bestückt. Der Vierzylinder war von der Bauweise her fast so alt wie die Idee der Aufladung. Und folglich vertrugen sich Aggregate und Lader auch prompt gut miteinander. Der Drake Offy-Motor verfügt über einen Vierventil-Zylinderkopf mit zwei obenliegenden Nockenwellen. Es wurden 1966 auch Versuche mit Kompressoren gemacht, aber der Turbo erwies sich als das bessere Konzept, vor allem da es dem Motor deutlich weniger Leistung wegnahm als der PS-fressende Kompressor.

Der Offy-Motor ist übrigens ein Motorsport-Methusalem: Schon 1930 wurden Kompressor-Version des Vierzylinders in Indianapolis eingesetzt, 1934 gewann das Aggregat erstmals mit der Bezeichnung Drake-Offenhauser das berühmteste Oval-Rennen, bis 1976 sammelte der simple Vierzylinder-Reihenmotor 31 Indianapolis-Siege. 1979 stellte die Firma Drake-Offenhauser in Kalifornien die Produktion des Indy-Triebwerks ein, aber noch Jahre später gingen Teams mit den bewährten Aggregaten an den Start der 500 Meilen-Schlacht.

An die 900 PS hatte der Turbo-Offy mittlerweile erreicht (bei einem Hubraum von 2605 Kubikzentimetern betrug die Verdichtung 8,1:1, die Bohrung 111, der Hub 67,3 Millimeter). Die Offy-Techniker erkannten außerdem, dass nur die abgasseitige Regelung Chancen zum Überleben im Rennsport hatte. Rund 20 Jahre vor den Siegeszügen der Turbomotoren in der F1 entschieden sich die Amerikaner deshalb für das einzig richtige Prinzip der Ladedruck-Regelung. Während andere Turbo-Lösungen eine einlaßseitige Begrenzung des Ladedrucks propagiert hatten, bei der bereits verdichtete Luft abgeblasen wurde, regelte Drake den Ladedruck über ein Bypaß-Ventil (waste gate) auf der Abgasseite.

Beim Einsatzgebiet Oval-Rennen kam der Turbo-Aufladung allerdings ein positiver Begleit-Umstand zustatten: Der vorgeschriebene Treibstoff war ein Alkohol-Gemisch und hatte wesentlich bessere Kühleigenschaften für den Motor parat als der bei Rennen hierzulande vorgeschriebene handelsübliche Kraftstoff. Die mutigen Amis in den Cockpits der turbobefeuerten Indy-Autos praktizierten ihre rasante Fortbewegung außerdem auf besondere Art und Weise: Sie fuhren im Oval prinzipiell immer mit Vollgas, hatten also stets maximalen Ladedruck und damit auch maximale Leistungsausbeute zur Verfügung. In den Ecken wurde mit dem linken Fuß zaghaft auf die Bremse gestiegen, um die Geschwindigkeit etwas zu drosseln - der rechte Fuß blieb derweil ungerührt auf dem Gaspedal.

Etwas anspruchsvoller sollte die Aufgabenstellung für einen Turbomotor auf europäischen Straßen-Rennkursen sein - wie sich Jahre später herausstellte. Weil einerseits mit Super-Benzin gefahren werden musste, ergaben sich sehr rasch Kühlungsprobleme für aufgeladene Aggregate. Weil andererseits aus engen Kurven herausbeschleunigt werden mußte, galt es dringend Abhilfe bei der turbo-typischen Verzögerung. Das war das eigentlich Problem, warum der Turbo in Amerika schon längst die Pisten eroberte hatte, während man sich in Europa noch zögerte.

Wobei dann ausgerechnet die Königsdisziplin Formel 1 so ziemlich die letzte Rennserie war, die umstellte: CanAm, Sportwagen, Tourenwagen, da war der Turbo schon längst da als Renault die ersten zaghaften Einsätze fuhr.

Beitrag Dienstag, 08. August 2006

Beiträge: 45834
Die ChampCar fährt ja heute noch mit Turbnomotoren.

Beitrag Dienstag, 08. August 2006

Beiträge: 4967
MichaelZ hat geschrieben:
1984 kamen Osella und Benetton in den Genuss dieses Triebwerks.
Osella wurde bis 1988, Benetton bis 1985 ausgerüstet. Wobei Benetton
in diesem Fall das Werksteam war, ab 1984 war man inoffiziell dabei,
unter dem Namen Euracing-Alfa Romeo, 1985 hiess das Team dann
Benetton Euroracing-Alfa Romeo.


Ich bin etwas verwirrt: Benetton stieg doch erst 1986 in die Formel-1 ein (also als eigenes Team, als Sponsor war man schon bei Tyrrell und Toleman), davor hieß das Team Toleman und die fuhren aber zu der Zeit mit Hart Motoren.... :?: :? :?:


Benetton war ganz einfach der Sponsor von Alfa Romeo. Alfa Romeo
wollte oder konnte nicht mehr mit seinem Namen auftreten.
Alfa Romeo war zu der Zeit mächtig in der Krise. Man musste sehr viele
Arbeiter entlassen. Da war es natürlich nicht gerade förderlich, sich in
der F1 zu engagieren. Ende 1983 trat Alfa Romeo als Werksteam aus
der F1 zurück. Man schob dann einfach Euroracing vor. Diese "Alfas"
waren grün, mit roter Schnauze und ein wenig rot auf der Seite:

1984 = Euroracing-Alfa Romeo
1985 = Benetton Euroracing-Alfa Romeo

Bild

1983 183T
Bild
1984 184T
Bild
1985 185T
Bild
Benetton war 1985 ebenfalls Sponsor bei Toleman, das Team hiess
United Colors of Benetton Toleman. Eine ganz interessante Geschichte
übrigens das Jahr 85 mit Toleman, eigentlich sollte dort Stefan Johansson
fahren, der ja via Tyrrell dann bei Ferrari andockte, um René Arnoux
zu ersetzen.

Toleman hatte anfangs Saison 1985 gar keinen Reifenvertrag, man stand
quasi auf den Felgen. Ted Toleman verkrachte sich 1984 mit Pirelli und
wechselte zu Michelin. Michelin stieg aus der F1 aus, Pirelli und Goodyear
wollten Toleman nicht mit Reifen versorgen. Der Umstand, dass Benetton
Sponsor war rettete Toleman. Benetton kaufte den Reifenvertrag vom
Team Spirit, und so war das eigentlich recht gute Auto bereift. Erst ab
Monte Carlo 1985 kam so das Toleman Team zum Einsatz. Das Team
Spirit zog sich nach dem 3. Rennen in San Marino zurück.

1985 Toleman TG185
Bild

Bild
Zuletzt geändert von torino am Dienstag, 08. August 2006, insgesamt 1-mal geändert.

Beitrag Dienstag, 08. August 2006

Beiträge: 8060
Motorentechnisch war die F1 Mitte der Siebziger Jahre übrigens stinklangweilig. Lediglich Ferrari baute einen konkurrenzfähigen Motor GEGEN den Cosworth. In anderen Serien wurde da viel mehr gebastelt. Es wundert auch nicht dass der Turbo sich in anderen Serien längst eingebürgert hatte. Aber die großen Firmen (Porsche, BMW, Ford, Renault oder diverse Japser) zögerten die Neuentwicklung eines Motors immer wieder raus. Erst als Renault gezeigt hatte wie es geht, zogen andere Firmen nach - weil es ja relativ einfach war, einen vorhandenen Motor aufzuladen (BMW und Honda machten es beispielsweise so - und der Pionier Renault natürlich auch).

Beitrag Dienstag, 08. August 2006

Beiträge: 4967
Alfalfa hat geschrieben:
Motorentechnisch war die F1 Mitte der Siebziger Jahre übrigens stinklangweilig.


Eigentlich konnte damals doch jeder, der zuviel Geld besass einen
F1 Rennstall aufmachen. Ein Chassis von einem Garagenteam kaufen,
und dazu einen Cossie, fertig! :lol: Trotzdem fand ich persönlich die Zeit
mit den Turbos interessanter, aber auch in den 90er Jahren war's doch
auch noch sehr spannend. Die F1 von jetzt möchte ich nicht verdammen,
man kann das Rad der Zeit nicht zurückdrehen. Auf jeden Fall bin ich froh,
dass nicht mehr so viele Fahrer sterben, oder sich übel verletzen.
Das ist bestimmt der heutigen F1 positiv anzurechnen, die doch von früher
gelernt hat.

Beitrag Dienstag, 08. August 2006

Beiträge: 8060
torino hat geschrieben:
Auf jeden Fall bin ich froh, dass nicht mehr so viele Fahrer sterben, oder sich übel verletzen. Das ist bestimmt der heutigen F1 positiv anzurechnen...

Hat den Nebeneffekt dass die Fahrer heute EWIG fahren - manche nerven mich jetzt schon seit den 90er Jahren - und wollen einfach nicht aufhören...

Beitrag Dienstag, 08. August 2006

Beiträge: 4967
Alfalfa hat geschrieben:
torino hat geschrieben:
Auf jeden Fall bin ich froh, dass nicht mehr so viele Fahrer sterben, oder sich übel verletzen. Das ist bestimmt der heutigen F1 positiv anzurechnen...

Hat den Nebeneffekt dass die Fahrer heute EWIG fahren - manche nerven mich jetzt schon seit den 90er Jahren - und wollen einfach nicht aufhören...


:lol: :lol: :lol:

Jede Medaille hat zwei Seiten! :wink: Muss Dir aber Recht geben!

Beitrag Dienstag, 08. August 2006

Beiträge: 8060
Ich habe nun doch etwas zum Turbo recherchiert und schreibe etwas dazu, auch wenn es vielleicht den Rahmen sprengt.

Wenn hier Renault immer gerne als Turbo-Pionier geschildet wird, muss man das natürlich stark einschränken. Das gilt nur für die F1 - und im Prinzip war dieser Schritt schon längst überfällig. Viele andere Hersteller versuchten sich schon vorher in vielen anderen Serien - und der Turbo war 1977 - als Renault kam - in vielen Serien schon längst standfest und siegreich.

Die Ursprünge um 1965/1966 in der Champcar-Serie habe ich bereits erwähnt. Die Europäer sprangen viel später auf den Zug auf, aber wie bereits geschildert hielten sie einige hartnäckige Fragen davon ab. Aber so um 1969/1970 gab's dann kein Halten mehr - auch wenn es viele Probleme gab.

Wundersamerweise war BMW einer der ersten, die es Anfang der 70er Jahre mit dem Turbo probierten - und sie waren auch einer der ersten die an seinen Problemen scheiterten. Ein 2002 mit Turbolader war im Rennbetrieb, vor allem wegen seiner Anfälligkeit, ein Flop. Er glänzte mit toller Leistung (280 PS) und schnellen Zeiten, gab aber meist schon nach wenigen Renn-Runden den Geist auf. BMW verwarf das Projekt wieder, griff aber die Turboidee '73 noch einmal auf, diesmal für ein Straßen-Auto. Aber der 2002 turbo mit 170 PS Leistung schlug seinem Vorgänger von der Rennpiste nach und war sehr störanfällig.

Das Übel waren geplatzte Turbinen-Gehäuse, defekte Auspuffkrümmer und schadhafte Befestigungen. Heute weiß man, dass zweiflutige Turbinen-Gehäuse so hohen Temperaturen nicht im Dauerbetrieb gewachsen sind und dass BMW den Lader zu nah am Motor plaziert hatte, was eine zu hohe Temperaturbeiastung brachte.

Schon vor der erfolglosen Münchner Turbo-Phase im Tourenwagen-Sport war Porsche dem Problem(en) ein ganzes Stück näher auf den Leib gerückt. Man nämlich hatte beschlossen mit dem ausrangierten 5-l aus der Sportwagen/Prototypen-Szene an der amerikanischen Sportwagen-Meisterschaft CanAm teilzunehmen.

Man wußte zwar, dass in dort die Bewerber mit Leistung und Hubraum nicht geizten und mit Achtliter-Motoren und über 750 PS aufeinander losgingen, aber ein aufgepflanzter Turbo sollte dem alten 5-l-12-Zylinder-Motor des Porsche 917 eine zusätzliche Leistungskur zu spendieren - womit wir wieder beim belieten Thema das Altmotor-Recyclings wären.

Und Porsche hatte sogar Erfolg damit: 2x gewann man das CanAm-Championat und saß am Ende auf einem 1200 PS leistenden Zwölfzylinder-Aggregat mit 5,4 Litern Hubraum, das kein Einsatzgebiet mehr hatte. Nach zwei dominierenden Rennjahren nämlich sperrten die Amis Porsche aus, für CanAm-Renner der Zukunft wurden - ganz elegant - einfach kleinere Tanks vorgeschrieben. Damit war Porsche in Amerika out, der Turbo nur noch gut für die Mottenkiste.

Die Leistung von weit über 1000 PS wurde realisiert, indem der als Fünfliter-Sauger rund 550 PS leistende Zwölfzylinder mit zwei Turboladern (einer pro Zylinderreihe) bestückt wurde. Ganz im Gegensatz zur späteren Rennturbo-Praxis bauten man beim Porsche die beiden (Eberspächer)-Turbolader möglichst weit weg vom Motor. Man hatte Angst, die über 1000 Grad heißen Auspuffgase könnten die Turbinenräder in ihrer Arbeit stören. Man ließ eben schäbische Vorsicht walten!

Den Porsche-Technikern war von vornherein klar, dass nur die abgasseitige Regelung des Ladedrucks für ihr Rennprojekt in Betracht kam.

Gedanklich hatte man auch bereits die Regelung mit dem 'Waste Gate' parat, als die Fa. Garrett diese Lösung präsentierte. Nicht benötigter Ladedruck, im Falle des Porsche 917 alles über 1,3 bar, wurde über ein Ventil an einem Seitenrohr neben die Lader ins Freie geblasen. Dem Einbau des 'Waste Gate' war bei Porsche ein Versuch mit Klappen im Auspuff vorausgegangen, welche die Steuerung des Drucks übernehmen sollte. Bowdenzüge führten von den Druckrohren auf den Einlaßseiten zu den Klappen im Auspuff. Aber dort war es für die zuverlässige Funktion der Züge viel zu heiß, die 'Klappen'-Idee klappte deshalb nicht.

Beim ersten CanAm-Rennen 1972 belegte Porsche nach einem Boxenstop Platz 2 - man hätte auch gewinnen können. Das überraschte, denn das erste CanAm-Jahr sollte eigentlich eine Saison zur Erfahrungssammlung werden. Aber man sammelte so sorgfältig Erfahrungen, dass George Follmer am Jahresende den Meistertitel gewann. Noch fürchterlicher wurde es für die amerikanische Konkurrenz im Jahr darauf - bis zu sechs Turbo-Porsche, großteils in privater Hand - überschwemmten den CanAm-Markt und fuhren alles in Grund und Boden. Die Amis spürten ein Porsche-Syndrom, beim letzten Rennen der Saison, im kalifornischen Riverside, wurden deshalb die neuen Regeln für 1974 verkündet. So abgefasst, dass die deutschen Störenfriede - ob sie wollten oder nicht - dorthin zurück mußten, woher sie unaufgefordert gekommen waren.

Die CanAm war bei Porsche damit out, der Turbolader dafür aber in.

Beitrag Dienstag, 08. August 2006

Beiträge: 4967
Nun komme ich mal zu Team Tyrrell, ein weiterer Spezialfall.
Eigentlich war Tyrrell von Renault schon 1976 "auserkoren" worden
den Renault Turbomotor einzusetzen. Ich persönlich denke, dass
der 6-Wheeler sicher einer der Hauptgründe war, darauf zu verzichten.

Vielleicht weiss jemand von Euch mehr darüber, warum der Turbo nicht
im Tyrrell damals eingesetzt wurde.


Nun, 1985 beim GP von Frankreich wurde Martin Brundle mit Renault
Turbo Power ausgestattet. Stefan Bellof musste noch mit dem Cossie
Vorlieb nehmen. Brundle schied mit Getriebeschaden auf Position 10
aus. Bellof erreichte den 13. Platz. Erst beim GP von Holland durften
beide Tyrrell Fahrer mit dem Turbomotor das Rennen bestreiten.
Martin Brundle wurde 7., Stefan Bellof schied mit Motorschaden aus.

Hier noch ein Bild von Philippe Streiff beim GP von Südafrika 1985
auf Tyrrell-Renault:

Bild
Das war auch das letzte Rennen von Stefan Bellof :( Erst beim
GP von Europa in Brands Hatch wurde er von Ivan Capelli ersetzt.
In Südafrika übernahm Philippe Streiff das Cockpit, und zum Saisonende
war wieder Capelli da. Zum Südafrika GP noch eine Bemerkung:
Renault und Ligier traten aus politischen Gründen, RAM-March aus
finanziellen Gründen nicht an.
Zuletzt geändert von torino am Dienstag, 08. August 2006, insgesamt 1-mal geändert.

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