MythosF1 hat geschrieben:
Interessant Stoff, toll das ihr solche Storys habt. Wäre auch mal einer Geschichte von Paul Stoddart interessiert.
Kein Problem, hier kommt sie.
Paul Stoddart
Paul Stoddart ist ein Millionär. Und Millionäre waren bei Minardi 2001 willkommen, denn das sympathische kleine Team aus Italien stand vor dem Ruin. Schweren Herzens setzte Giancarlo Minardi, mittlerweile wieder mit einem GP2-Team im Motorsport vertreten (Minardi Piquet), die Unterschrift unter den Vertrag mit Käufer Paul Stoddart. Der Australier sicherte sich 70% des Rennstalls. Stoddart ging mit dem F1-Team aber nicht um, wie andere Millionäre, welche die Formel-1 nur als Spielzeug und Marketingchance betrachten. Freilich warb Stoddart auch für seine eigene Fluglinie, European Aviator. Doch Stoddart zeigte, dass er den Motorsport versteht. Der Kettenraucher wusste um die Historie des kleinen Minardi-Teams, und um die Popularität und Sympathie der Fans zu dem Rennstall. Stoddart hätte das Team umbenennen können, in European Aviator, oder in Stoddart, oder in European Stoddart. Aber er tat es nicht, er ließ das Team weiter unter Minardi laufen, eben wegen dem Namen Minardi. Minardi fuhr am anderen Ende des Feldes, aber der Name war nicht weniger bekannt als Ferrari, und nicht weniger beliebt.
Paul Stoddart rettete also den Namen Minardi, das Team selbst sowieso. Giancarlo Minardi und die anderen Teilhaber, wie Gabriele Rumi, wussten um die Finanzen des Teams, sie wussten, dass ein Verkauf des Rennstalls die einzige Rettung war. Doch es hat andere potenzielle Käufer gegeben, die auf den Namen Minardi sicherlich nicht so große Rücksicht genommen hätten. Da war da zum Beispiel die südamerikanische Mediengruppe PSN, die laut ankündigte, Rumis 70% von Minardi übernommen zu haben. Nach dieser Ankündigung wurde es aber verdächtig still um die Schlagzeile, die, wie sich herausstellte, auch nicht mehr als eine Schlagzeile war. Als sich der Flopp abzeichnete, kam Gabriele Rumi wieder zurück. Der Italiener verabschiedete sich bereits von der Formel-1. Nun versuchte Rumi, einen neuen Nachfolger seiner Person zu finden. Zwischenzeitlich entsprang die hübsche Idee, Minardi wieder an Flavio Briatore zu verkaufen, der denn Rennstall bereits Mitte der 90er Jahre besaß. Damit half Briatore, dass Minardi Konkurs anmelden musste, sportlich gesehen hat Briatore Minardi allerdings nur ausgebeutet. Als Minardi beispielsweise kurz davor war, 1995 einen Vertrag für Mugen Honda Motoren zu bekommen, überschrieb Briatore den Vertrag auf das Ligier-Team, in das Briatore damals ebenfalls involviert war.
Briatore wollte aus dem Minardi-Team ein Renault-Juniorteam machen, immerhin übernahm Renault zur gleichen Zeit das Ruder bei Benetton. Schon Ende der 80er und Anfang der 90er Jahren wollte Benetton ein Junioren- oder B-Team installieren, sämtliche Projekte schlugen jedoch fehl, angefangen beim Middlebridge-Team, bis hin zum Formel-3000 Team Barone Rampante. Zu den Gerüchten um Briatore/Renault/Minardi passte auch die Tatsache, dass Briatore das Buhlen um Fernando Alonso gewonnen hatte. Ferrari wollte den Spanier eigentlich unter Vertrag nehmen und ihn an das Kundenteam Prost Acer ausleihen. Alonso lehnte einen Ferrari-Vertrag jedoch ab, was Teamchef Jean Todt nie wirklich verdauen konnte. Alonso wurde dafür zum Briatore-Schützling und verhandelte nun mit Minardi für ein Stammcockpit für die Saison 2001, was er letztlich auch bekam. Neben Briatore gab es aber auch noch andere Kaufinteressenten, darunter auch ein ehemaliger Formel-1 Fahrer, nämlich Martin Brundle. Der Brite, der von 1984 bis 1996 für Tyrrell, Zakspeed, Williams, Brabham, Benetton, Ligier, McLaren und Jordan 158 F1-Rennen gefahren ist, hatte damals Lust auf ein eigenes Formel-1 Team, also soll er mit Minardi Gespräche geführt haben.
Aber zum Glück bekam Stoddart das Team. Paul Stoddart ist ein Formel-1 Fanatiker. Im November 1998 übernahm er die Reste des Tyrrell-Teams, welche nicht von BAR mit übernommen wurden, darunter auch einige F1-Rennwagen. Zu diesem Zeitpunkt hatte Paul Stoddart schon schlappe 41 F1-Rennwagen in seinem privaten Besitz, 16 von ihnen waren auch einsatzbereit für Rennen. Seine Fabrik in Ledbury in Westengland koordinierte auch einige dieser Rennwagen zu der historischen Formel-1 Serie EuroBoss, eine Serie, in der ältere Rennwagen antraten, darunter auch viele Boliden aus der Formel-1. Stoddarts Team war recht erfolgreich, setzte jedoch in allen Jahren von 1997 bis 2000 nur Tyrrell-Renner mit Judd-Motoren ein, obwohl Stoddart auch andere frühere F1-Autos besaß, darunter einen Minardi, einen Benetton und einen Brabham. Stoddart fuhr in der EuroBoss auch selbst Rennen, dazu kommt noch ein weiterer prominenter Fahrer, nämlich Mike Gascoyne. Der Brite ist heute einer der erfolgreichsten Designer und arbeitet aktuell als Technischer Direktor bei Force India Ferrari in der Formel-1.
Stoddart, der am 26. Mai 1955 in Australien geboren wurde, war auch viel früher im Motorsport verwickelt. Er baute selbst einige GT-Sportwagen und fuhr damit auch. Bald legte er den Motorsport aber zur Seite und widmete sich seiner Fluglinie. Erst Mitte der 90er Jahren kam dann eben das Comeback. Und das zog sich weiter. 1999 stieg Paul Stoddart als Sponsor bei Jordan Mugen Honda ein, nachdem er bereits ein Jahr zuvor ankündigte, in spätestens 5 Jahren mit einem eigenen australischem Formel-1 Team am Start zu sein. Der erste Schritt dazu: Er kaufte ein Formel-3000 Team, das Edenbridge Team und nannte es in European Racing um. Oliver Gavin wurde immerhin Gesamt-16. mit 3 Zählern. Von Erfolg gekrönt war das Team aber nicht.
In der Saison 2000 wurde Stoddarts Fluglinie European Aviator Sponsor beim Formel-1 Team Arrows. Nachdem Arrows den Nachwuchs fördern wollte, wurde das European Racing Team 2000 in der Formel-3000 zum European Arrows Junior Team. Mark Webber gewann dabei sogar ein Rennen und wurde Gesamt-3., musste sich also nur Meister Bruno Junqueira (Petrobras) und Nicolas Minassian (Super Nova) geschlagen geben. Gekrönt wurde diese tolle Saison mit einem Sieg in Silverstone durch Webber, vor Arden-Pilot Darren Manning. Die Beziehungen zu Arrows war das Rezept für alle Gerüchteköche. Auch weil die Besitzverhältnisse bei Arrows immer dunkel blieben, wurde gemunkelt, dass Paul Stoddart mittelfristig das Ruder bei Arrows übernimmt. Bei Arrows-Teamchef und Mitbesitzer Tom Walkinshaw stieß er jedoch auf eine harte Wand, und bald eröffnete sich auch die Gelegenheit, das Minardi-Team unter die Fittiche zu nehmen – eine Gelegenheit, die Stoddart natürlich nicht ausließ. In der Saison 2001 blieb Stoddart auch mit einem Team in der F3000, das Minardi Juniorteam, European Minardi F3000. Fahrer David Saelens wurde 10. in der Gesamtwertung, ohne aber Highlights setzen zu können. Gar nichts zu holen war für das Team das darauffolgende Jahr.
Fahrer mit den meisten Rennen für Edenbridge/European/European Arrows/ European Minardi in der F3000
1. Werner Lupberger (SA): 20 (1997/’98)
2. Max Wilson (BRA): 20 (1997/’98)
3. David Saelens (BEL): 14 (2001/’02)
4. Andrea Piccini (ITA): 12 (2001)
5. Mark Webber (AUS): 10 (2000)
6. Christijan Albers (NED): 9 (2000)
7. Jamie Davis (GBR): 8 (1999)
8. Alexandre Sperafico (BRA): 8 (2002)
9. Tom Kristensen (DEN): 5 (1996)
10. Oliver Gavin (GBR): 5 (1999)
Bei Minardi ließ Stoddart die Strukturen nahezu unverändert. Der Australier ließ es sich jedoch nicht nehmen, zumindest aufgrund der Bezeichnung der GP-Boliden kenntlich zu machen, wer das Sagen bei Minardi hat: Die Minardis hießen künftig PS und die Nummer für die jeweilige Saison, für 2001 war das PS01. PS stand natürlich für keinen Geringeren als Paul Stoddart. Auch Stoddart brachte Minardi aber nicht nach vorne. Jedes Jahr kämpfte das Team ums Überleben, es kamen Bezahlfahrer wie Alex Yoong aus Malaysia an Bord. Teilerfolge wurden bei Minardi aber wie Siege gefeiert, etwa der 5. Platz von Mark Webber beim Australien GP 2005. Damals passte aber auch alles: Webber, australischer Landsmann von Stoddart, fuhr im seinem ersten GP-Rennen, noch dazu im Minardi, auf den 5. Platz und damit erzielte damals für Minardi erstmals seit dem Spanier Marc Gené, aktuell Testfahrer bei Ferrari, WM-Punkte. Webber und Stoddart stiegen auf das Podium und ließen sich von den australischen Fans feiern.
Fahrer mit den meisten Rennen für Minardi/Toro Rosso in der F1
1. Pierluigi Martini (ITA): 102 (1985/’88-’91/’93-’95)
2. Vitantonio Liuzzi (ITA): 34 (2006/’07)
3. Luca Badoer (ITA): 33 (1995/’99)
4. Marc Gené (ESP): 33 (1999/2000)
5. Gianni Morbidelli (ITA): 32 (1990-’92)
6. Alessandro Nannini (ITA): 30 (1986/’87)
7. Scott Speed (USA): 28 (2006/’07)
8. Luiz Perez-Sala (ESP): 26 (1988/’89)
9. Christian Fittipaldi (BRA): 24 (1992/’93)
10. Pedro Lamy (POR): 24 (1995/’96)
Fahrer mit den meisten Punkten für Minardi/Toro Rosso in der F1
1. Pierluigi Martini (ITA): 16
2. Christian Fittipaldi (BRA): 6
3. Sebastian Vettel (GER): 5
4. Christijan Albers (NED): 4
5. Vitantonio Liuzzi (ITA): 4
6. Patrick Friesacher (AUT): 3
7. Fabrizio Barbazza (ITA): 2
8. Mark Webber (AUS): 2
9. Luiz Perez-Sala (ESP): 1
10. Michele Alboreto (ITA): 1
Ansonsten hatte das Team wenig zu feiern. Die finanzielle Lage wurde auch durch Stoddart nicht verbessert. Und weil die Budget der anderen Teams Jahr für Jahr mehr ansteigen, als die Tageshöchsttemperaturen in der Wüste nach einer frischen Nacht, verging Stoddart der Spaß. Stoddart handelte im Sinne seines Teams, was aber auch bedeutete, dass Stoddart sich bei Regelentscheidungen oft quer stellte. Teilweise soll es sogar Erpressungsversuche gegeben haben. Jedenfalls wurde Stoddart nicht der Liebling im Formel-1 Lager, und schon gar nicht von FIA-Chef Max Mosley. Mit dem verband Stoddart mit dem Voranschreiten der Zeit ein hässlicher Kleinkrieg, der sich immer mehr zuspitzte. Mosley saß am längeren Hebel und so überrascht es nicht, dass Stoddarts Formel-1 Einschreibung für die Saison 2008 keine Berücksichtigung fand.
Der Spagat ist weit, denn zwischen zeitlich hatte sich einiges getan. Ende 2005 musste Paul Stoddart, der es sich nicht nehmen ließ, der letzte Fahrer der Geschichte von Minardi gewesen zu sein und im November 2005 Tests im Minardi Cosworth abspulte, Minardi zum Verkauf frei geben. Verkaufsgespräche hielten sich seit Sommer 2005. Zunächst verhandelte Stoddart mit Eddie Irvine, dem Vizeweltmeister von 1999 für Ferrari, der mit dem russischen Schwerverdiener Routsam Tariko das Team übernehmen wollte. Irvine und Tariko verhandelten auch schon mit Alexander Shnaider, der die Lust auf sein Midland Formel-1 Team verlor. Stoddart, und auch das sprach für sein Racerherz, wollte das italienische Minardi-Team aber nicht irgendwelchen Halbsportlern überlassen, wie ein Jahr vor ihm Eddie Jordan. Also verlangte er von Irvine und Tariko 29 Millionen Dollar im Voraus, nur um an den Verhandlungstisch zu ziehen! Irvine war von dieser Idee Stoddarts weniger begeistert. Gekränkt ließ er seinen Traum eines F1-Rennstalls hängen.
Nicht aber Red Bull. Der Energydrinkhersteller, der schon Ende 2004 das Jaguar-Team übernommen hatte, war laut Stoddart einer von 41 Kaufinteressenten! In Worten: einundvierzig! Red Bull war der seriöseste Interessent. Red Bull brauchte ein 2. Team, weil die Nachwuchsförderung mehr Talente produzierte, als Cockpits zur Verfügung standen. Auf der anderen Seite, hätte Red Bull auch ein amerikanisches Rennteam machen können. Um den Kauf von Minardi durch Red Bull-Chef Dietrich Mateschitz ranken sich die schönsten Legenden, etwa jene: Als Mateschitz an einem lauen Sommerabend zu Hause auf seiner Hängematte lag und ein Kellner anstolziert kam, fragte Mateschitz diesen, ob er ihm nicht etwas Italienisches besorgen könnte. Am nächsten Tag hatte er das Minardi-Team.
Für Stoddart war der Traum der Formel-1 aus. Und das machte ihn auch zu schaffen. Als die FIA 2006 für die Saison 2008 eine Bewerberliste aushändigte auf den 12. Platz, schrieb sich Stoddart ein – mit einem Team namens European Minardi. Der Rosenkrieg mit Mosley hielten die Erfolgschancen für Stoddart in Anbetracht von 10 weiteren Bewerbern in Grenzen halten. Unter den 10 anderen Bewerbern waren auch große Namen wie einige GP2-Teams, Carlin, oder eben auch Prodrive, das letztlich den Zuschlag bekamen, nun aber doch nicht in die Formel-1 kommt.
Paul Stoddart schaute aber über den Teich, auf die andere Seite des Atlantiks und kaufte sich ein ChampCar-Team, nämlich das CTE-HVM-Team. Das Team hatte eine lange Tradition, wurde nämlich 1982 von Tony Bettenhausen als Bettenhausen Motorsport. Doch Bettenhausen kam 2000 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben und das Team wechselte einige Male den Besitzer. Auch Keith Wiggins war Teilhaber am Team und ist auch noch unter Stoddart, der daraus das Team Minardi USA machte, Teamchef. Wiggins ist auch als ehemaliger Teamchef bei Pacific in der Formel-1 bekannt. 2007 war das erste Jahr von Minardi in der ChampCar und noch dazu ein sehr Erfolgreiches. Mit Robert Doornbos, der unter Stoddart schon 2005 bei Minardi in der Formel-1 fuhr und nebenher auch 2007 bei Red Bull Renault F1-Testfahrer war, konnte Minardi oft an der Spitze fahren und letztlich wurde Doornbos hinter Sébastien Bourdais, der 2008 für das Minardi-Nachfolgerteam Toro Rosso Ferrari in der Formel-1 fährt und Justin Wilson Gesamt-3.
Fahrer mit den meisten Rennen für Bettenhausen/Herdez/HVM/CTE/Minardi in der ChampCar
1. Tony Bettenhausen (USA): 83 (1981/’82/’86-’88/’90-’93)
2. Stefan Johansson (SWE): 74 (1992-’96)
3. Mario Dominguez (MEX): 52 (2002-’04/’07)
4. Michel Jourdain jr. (MEX): 39 (2000/’01)
5. Dan Clarke (GBR): 27 (2006/’07)
6. Roberto Moreno (BRA): 19 (1997/2003)
7. Helio Castroneves (BRA): 19 (1998)
8. Patrick Carpentier (CDN): 14 (1997)
9. Ryan Hunter-Reay (USA): 14 (2004)
10. Nelson Philippe (FRA): 14 (2006)
Alle Siege von Bettenhausen/Herdez/HVM/CTE/Minardi in der ChampCar
Surfers Paradise 2002: Mario Dominguez vor Patrick Carpentier (Forsythe; Reynard Ford)
Bayfront Park 2003: Mario Dominguez vor Roberto Moreno (Herdez; Lola Ford)
Milwaukee 2004: Ryan Hunter-Reay vor Patrick Carpentier (Forsythe; Lola Ford)
Surfers Paradise 2006: Nelson Philippe vor Mario Dominguez (Rocketsports; Lola Ford)
Mont Tremblant 2007: Robert Doornbos vor Sébastien Bourdais (Newman Haas; Lola Ford)
San Jose 2007: Robert Doornbos vor Neel Jani (PKV; Lola Ford)