Die Binsenweisheit eines Rennfahrers: Den Fahrer, den man auf jeden Fall schlagen muss, ist der Teamkollege. Alle anderen Gegner haben meist andere Rahmenbedingungen oder sogar Material. Bei Nico Rosberg und Lewis Hamilton gilt dieser Leitsatz erst Recht, denn bei der Überlegenheit des Mercedes-Rennwagens darf man durchaus die Prognose wagen: Wer sich in diesem Duell durchsetzen wird, der gewinnt auch die Weltmeisterschaft 2015. Es ist aber nicht das erste spannende Teamduell in der Geschichte der Fahrer-WM.
1950: Ein teaminterner Dreikampf
1950 gab es erstmals eine Fahrerweltmeisterschaft. Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte sich langsam wieder eine Rennszene etablieren. Doch noch dominierte die Vorkriegs-Technik: Der Alfa Romeo 158 wurde 1938 auf Kiel gelegt, aber mangels Konkurrenz war der Wagen in der Saison 1950 dominierend.
Das Fahreraufgebot von Alfa Romeo sorgte bereits für erste Diskussionen. Nicht etwa die italienische GP-Hoffnung Alberto Ascari wurde nominiert, sondern neben den beiden Vorkriegs-Piloten Giuseppe Farina und Luigi Fagioli ein Argentinier: Juan-Manuel Fangio. Der Argentinier tauchte 1949 in Europa auf und gewann mit seinem Maserati gleich bedeutende GP-Rennen. Fangio wurde vom argentinischen Staat gefördert, in Argentinien war zu dieser Zeit auch die Temporada-Serie auch für europäische Rennfahrer sehr beliebt.
Die Italiener wollten aber natürlich einen italienischen Meister bei Alfa Romeo sehen. Es dauerte nicht lange, da gab es wilde Spekulationen, ob Fangio nicht sabotiert werden würde. Die Zuverlässigkeit der Rennwagen war damals aber alles andere als gut, quasi in jedem Rennen gab es irgendwo technische Probleme. Weil nur sieben Rennen zur Weltmeisterschaft zählten (der Rest wurde ohne Punktevergabe abgehalten) und eines davon das Indy-500 war, zu dem kaum F1-Fahrer antraten, war natürlich auch etwas Glück erforderlich. Der Fahrer, der weniger oft von technischen Gebrechen heimgesucht werden würde, der hat die besten Karten im Kampf um den Titel.
Farina hatte am Ende das glücklichere Händchen, Fangio galt über weite Strecken als schneller. Das eine oder andere Mal konnte aber Farina Fangio unter anderem im Quali auch auf der Strecke schlagen. Nur Fagioli konnte den beiden nicht folgen, hatte jedoch die wenigsten Probleme, räumte konstant Punkte ab und hatte damit im Finale ebenfalls noch Titelchancen! Mit Farina holte sich ein Fahrer den Titel, der dafür aber auch wirklich kämpfte – für viele Konkurrenten auch etwas zu viel. Er galt im direkten Zweikampf als einer der rücksichtslosesten Fahrer im Feld. Er war auch in die tödlichen Unfälle von Marcel Lehoux 1936 und Laszlo Hartmann 1938 involviert. Fangio schlug in den folgenden Jahren zurück: Er wurde fünf Mal Weltmeister, gewann 38 GP-Rennen, von 51 WM-Rennen gewann er 24 – eine bis heute unerreichte Quote.
1961: Wenn der Tod entscheidet
Vor der Saison 1961 änderte sich das technische Reglement gravierend: Die Weltmeisterschaft wurde nun mit einer 1,6-Liter-Formel ausgetragen – Downsizing gibt es also nicht nur heute, sondern schon damals. Es waren die kleinsten Motoren, die in der Formel-1 je zum Einsatz gekommen sind.
Man reagierte damit auf die vielen Ausstiege. Die 1,6-Liter kamen zuvor in der Formel-2 zum Einsatz und sorgten dort für ein unterhaltsames Duell zwischen Ferrari und Porsche. Tatsächlich stieß Porsche 1961 auch in die WM dazu, aber nicht mit einem deutschen Aushängeschild wie Wolfgang Graf Berghe von Trips.
Sein Name wird immer mit Ferrari in Verbindung gebracht werden, denn Von Trips fuhr die meisten seiner Rennen für Ferrari. Dabei war er Mitte der 50er Jahre zunächst im Mercedes-Nachwuchsprogramm, doch nachdem 1955 der Rückzug von Mercedes erfolgte, konnte Von Trips kein Mercedes-Held wie Rudolf Caracciola oder Hermann Lang vor dem Krieg werden. Sein Talent brachte ihn zu Ferrari, wo er immer wieder schwere Unfälle hatte. 1960 fuhr er deshalb viele WM-Rennen bereits mit Porsche-Rennwagen, 1961 erfolgte aber die Rückkehr zu Ferrari.
Neben Von Trips startete Phil Hill. Beide schenkten sich nicht viel – Beachtung den Erzählungen nach am Wenigsten. Hill soll mal gesagt haben, dass Von Trips Zündkerzen kenne, mehr aber schon nicht. In der Tat galt Hill als technisch sehr visiert, Von Trips dagegen konzentrierte sich vor allem aufs Fahren. Doch auch er hatte durchaus Verständnis von der Technik, interessierte sich dafür aber nicht so sehr.
Ferrari dominierte die Saison 1961. So konnte sogar Giancarlo Baghetti in Frankreich sein Debütrennen gewinnen! Vorne aber ging es hin und her zwischen Von Trips und Hill. Für Ferrari war Monza das letzte Saisonrennen, die Amerika-Reise ließ man zu dieser Zeit meistens aus. Von Trips kam als Tabellenführer und mit 2:1 Siegen nach Monza, doch bereits in der frühen Phase des Rennens kollidierte er mit Jim Clark. Sein Ferrari raste in die Zuschauermenge, mit Von Trips fanden 15 Zuschauer den Tod. Hill gewann das Rennen und wurde mit einem Punkt Vorsprung Weltmeister.
1967: Den eigenen Chef besiegt
Es kommt äußerst selten vor, dass ein Nummer-2-Pilot zur Nummer eins aufsteigt. Doch es gibt auch in der Geschichte der Formel-1 jenen Fall, wo die Nummer zwei Weltmeister wurde. Und die Hackordnung hätte auf dem Papier eigentlich nicht klarer sein können: Der dreimalige Weltmeister Jack Brabham war immerhin der Teambesitzer – und damit Chef von Denny Hulme.
Doch Hulme als Nummer zwei zu bezeichnen, ist auch verkehrt: Jack Brabham hatte immer penibel darauf geachtet, dass seine Teamkollegen ebenbürtiges Material wie der Boss selbst zur Verfügung hatten. Damals war die Zuverlässigkeitsquote auch nicht ansatzweise so gut wie heute, ein bisschen spielte also auch immer der Zufall, das Glück oder das Schicksal mit – wie immer man es nennen will.
Natürlich gab es Fahrer, die mit dem Material schonender umgingen, ein besseres Gespür für die Seele der Rennwagen hatten. Das trifft in dem Fall aber auf beide zu: Jack Brabham und Denny Hulme. Im Brabham-Team half Hulme anfangs auch als Mechaniker aus, kam so zum Cockpit und damit in die Formel-1.
Die große Stunde des Rennstalls hatte 1966 geschlagen, als die Formel-1 die Drei-Liter-Formel einführte. Damals gab es einen akuten Motorenmangel, nur wenige Teams konnten überhaupt einen eigens für diese Formel gefertigten Motor ergattern. Brabham ließ bei Repco in Australien einen F1-Motor auf Kiel legen – und traf damit ins Schwarze.
1966 wurde noch Brabham Weltmeister, 1967 aber Denny Hulme. Beide waren in unterschiedlichen Rennen verschieden stark. Mal war Brabham vorne, mal Hulme. Mal blieb Hulme mit einem Defekt stehen, mal traf es Brabham. Hulme ging als Führender in das Saisonfinale, wurde dort von Brabham geschlagen. Rang zwei gegenüber Rang drei (Jim Clark siegte) reichte aber nicht mehr für Brabham, das Duell zu wenden. Hulme wurde zum bis heute einzigen neuseeländischen F1-Weltmeister.
1979: Abgestumpfte Hörner setzen sich durch
Mit Kimi Räikkönen und Fernando Alonso setzt Ferrari erstmals seit 1952 wieder auf zwei F1-Weltmeister im eigenen Rennstall. Damit bricht man mit der Philosophie der letzten Jahre, denn da wurde nur ein Fahrer auf den Titel angesetzt, der Teamkollege musste die Rolle des Wasserträgers erfüllen. Doch die Regeländerungen 2014 treiben auch die Ausfallquoten wieder nach oben, da ist es einfach besser, zwei heiße Eisen im Feuer zu haben.
In den 80er Jahren fuhren durchaus die Ferrari-Fahrer auch noch gegeneinander. Duelle wie Gilles Villeneuve gegen Didier Pironi haben heute Legendenstatus. 1979 kämpften das letzte Mal auch zwei Ferrari-Fahrer gegeneinander um den WM-Titel: Jody Scheckter und Gilles Villeneuve. Beide waren sich recht ähnlich: Sie galten auf der Strecke als wild, aggressiv, aber auch als ungeheuer flott. Scheckter hatte den Ruf spätestens seit dem Auslösen einer Massenkarambolage 1973 in Silverstone, Villeneuve trug diesen Ruf ja mit ins Grab.
Die Zeiten, in denen der Fahrstil Scheckters so wild wie seine Locken-Frisur war, waren 1979 aber schon vorbei. Er hatte sich seine Hörner abgestoßen, reagierte cleverer, zurückhaltender und damit besser. Obwohl Villeneuves Grundschnelligkeit der von Scheckters um nichts nachstand – ganz im Gegenteil – war Scheckter damit der verdiente Weltmeister.
Bereits in Monza gab es eine Stallorder pro Scheckter. Damit konnte man Jacques Laffite und dessen Ligier-Team endgültig aus dem Titelrennen nehmen. Scheckter war aber nicht von Anfang an als Nummer eins gesetzt. Villeneuve fuhr ja schon eine Zeit für Ferrari, Scheckter kam 1979 neu ins Team. Villeneuve war auch einer der Lieblinge von Enzo Ferrari – und er genoss bei den Fans einen sehr hohen Stellenwert.
Keiner zweifelte nach der Saison 1979 daran, dass Villeneuve eines Tages noch Weltmeister werden würde. Dann riss ihn ein Crash aus dem Leben. Ferraris Titelgewinn 1979 war nicht unüberraschend, denn 1978 noch dominierte der Lotus-Rennstall. Aber damals ging alles ganz schnell: 1980 fuhr dann Ferrari im Nirgendwo!
1984: Die knappste Entscheidung
McLaren hatte noch nie Angst vor zwei Platzhirschen im Team. Natürlich brachten die Duelle Ayrton Senna versus Alain Prost oder Fernando Alonso versus Lewis Hamilton auch Stunk und Probleme, aber mit zwei richtig starken Piloten konnte McLaren immer wieder auch auftrumpfen. Es lag auch an Fahrern wie Senna, Prost oder Hamilton, dass McLaren heute nach Ferrari der zweiterfolgreichste Rennstall in der Geschichte ist.
Das erste Spitzenduell bei McLaren war gleich eines um den WM-Titel: Niki Lauda versus Alain Prost. Ron Dennis hatte zwei Jahre zuvor die komplette Mannschaft übernommen und mit seinem F2-Team verschmolzen. Der Name McLaren blieb, aber Dennis strukturierte die Mannschaft völlig um. Er eiste die arabischen Geldgeber von Williams los und ließ bei Porsche einen F1-Turbomotor entwickeln. Mit John Barnard beschäftigte er einen der klügsten Techniker der damaligen Ära – und damit waren alle Zutaten perfekt.
Prost holte man von Renault, wo er nach dem erneuten knappen Scheitern am WM-Titel in Ungnade gefallen war. Der Franzose war richtig schnell, „der härteste Gegner, den ich jemals hatte“, wurde Lauda nie müde zu betonen. Niki Lauda fuhr schon seit seinem Comeback 1982 bei McLaren. Er war vielleicht nicht mehr so schnell wie in seinen besten Tagen bei Ferrari, aber er wusste noch immer, was es braucht um den Titel zu gewinnen.
Das Fahrzeug war überlegen, also hatte man auch viele Freiheiten zu experimentieren. Lauda war im Quali meistens langsamer, im Rennen aber holte er schnell auf – und agierte nicht selten cleverer. Er war älter, er war im Spätherbst seiner Karriere und er fuhr gegen den damals wohl schnellsten Fahrer im Feld. Aber er behauptete sich.
Diese Leistung darf man unter keinen Umständen schmälern. Aber ein bisschen Glück gehörte schon dazu. Dass der Monaco GP vorzeitig abgebrochen wurde (das bescherte Prost nur die Hälfte der Punkte), dass Lauda den Österreich GP mit defektem Getriebe gewinnen konnte und dass es am Ende noch um 0,5 Punkte reichte.
1988: Das bekannteste Duell
Wer immer nach einem Teamduell gefragt wird, der wird wohl als erstes Ayrton Senna und Alain Prost nennen. Die beiden gaben sich 1988 und 1989 bei McLaren wirklich Saures. Und nach dem Wechsel von Prost 1990 zu Ferrari ging es ungehindert weiter mit der Rivalität der beiden. Erst kurz vor seinem Tod 1994 kam es zwischen den beiden zu einer Aussprache, denn in Wahrheit haben sich beide immer respektiert.
Natürlich kann im direkten Zweikampf auch einmal das eine oder andere schief gehen, da kommt es halt mal zu einer Kollision. Heute greifen die Rennkommissare vielleicht einen Tick zu hart durch. Damals drückten sie da noch mehrere Augen zu – denn Senna crashte 1990 sogar mit Ansage: Er wollte sich mit den gleichen Mitteln rächen, mit denen Prost ihn 1989 in seinen Augen um den Titel brachte: Mit einer Kollision.
Zwei Mal crashten die beiden in Japan im Titelshowdown. 1988 kam es nicht dazu, da wurde die Weltmeisterschaft auf der Strecke entschieden. Zugunsten von Ayrton Senna, der auch einfach schneller als Prost war. Doch Prost war Senna keinesfalls unterlegen, konnte ihm immer wieder die Stirn bieten und ihn in einen eindrucksvoll spannenden Titelkampf verstricken.
In der Saison 1988 dominierte das McLaren-Team. Man hätte fast den Rekord aufgestellt, alle Saisonrennen zu gewinnen, wäre da nicht der Italien GP gewesen, bei dem Alain Prost mit einem Defekt ausschied und Senna von Williams-Ersatzfahrer Jean-Louis Schlesser beim Überrunden aus dem Rennen gekickt wurde.
1989 entschied dann die Kollision in der letzten Schikane der Suzuka-Runde das WM-Duell. Prost kollidierte mit Senna, die Schuld lag in den Augen vieler Beobachter bei Prost, doch Landsmann Jean-Marie Balestre als FIA-Chef sah das anders: Senna wurde hinterher disqualifiziert, weil er nach dem Rempler die Schikane ausgelassen hat. Senna fühlte sich im wahrsten Sinne des Wortes schikaniert und drohte sogar mit dem Rückzug. Die WM 1989 aber war an Prost verloren.