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Tazio Nuvolari - eine harte Nuss

Das Formel 1 Forum früherer Tage...
Beitrag Mittwoch, 18. August 2010

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Ich weiß, momentan sind wir etwas vor 1950, aber gerade das scheint ne echt interessante Epoche gewesen zu sein. Tazio Nuvolari gilt beispielsweise bis heute als einer der besten Fahrer, den der GP-Sport überhaupt gesehen hat. Er war ne unglaublich harte Nuss und hab dafür auch drei Beispiele parat, hoffe aber auf mehr solche Anekdoten über diesen außergewöhnlichen Fahrer. Die Geschichten kommen übrigens alle aus diesem Forum von Alfalfa, Michael_Mueller und Tom:

1)1934 auf dem Avusrennen fährt er mit Gipsbein!

2) Beim Monaco GP 1933 lieferte er sich mit seinem Alfa Romeo der Scuderia Ferrari eine Schlacht um den Sieg mit Erzrivalen Achille Varzi, der einen Bugatti fuhr. Dabei drehten beide die Motoren am absoluten Limit und prompt ging der Alfa-Motor bei Nuvolari hoch. Aus dem Alfa schlugen Flammen raus und damals war der Motor ja noch vor dem Fahrer! Die Feuerwehrmänner wollten löschen, doch Nuvolari fuhr einfach weiter. Irgendwann war der Motor ganz vorbei, das Auto brannte lichterloh, aber Nuvolari wollte das Auto nun ins Ziel schieben, den Sieg freilich längst verloren. Er schaffte es zwar nicht, doch er zeigte sein Kämpferherz.

3) 1948 bei der Milla Maglia wollte Nuvolari unbedingt gewinnen. Dabei war Nuvolari längst in einem schlechten gesundheitlichen Zustand: Die Auspuffdämpfe der methanolbetriebenen Motoren (damals alle noch vor dem Fahrer!) haben seine Lunge verätzt. Er hatte Hustenanfälle und spuckte Blut, aber dieses Rennen wollte er mit seinem Ferrari-Sportwagen noch einmal gewinnen. Er fuhr in Führung und dabei so am Limit, dass der Ferrari sich langsam in seine Einzelteile auflöste: Erst flog die Motorhaube davon, dann der linke Vorderkotflügel, dann löste sich auch der Fahrersitz aus der Verankerung. Aber Nuvolari fuhr weiter, erst eine gebrochene Hinterachsaufhängung führte zum Ausfall. Hätte ihn sein Auto nicht im Stich gelassen, hätte er das Rennen wohl gewonnen. Er war so erschöpft, dass er aus dem Auto gehoben werden musste.

Beitrag Mittwoch, 18. August 2010

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1925 brach sich Nuvolari bei Motorradtestfahrten beide Beine. Ein paar Tage später ließ er sich auf sein Motorad festbinden und gewann so den Grand Primo in Monza für Motorräder.

Beitrag Mittwoch, 18. August 2010

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Sehr interessantes Thema !!!

Wo wir das Thema gerade haben. Kennt jemand ein paar gute Bücher über ihn (Biographien oder Bücher in denen es -vielleicht auch nur am Rande- Geschichten über ihn gibt) ???


So wie ich gehört habe, soll er ja eine gewisse "Todessehnsucht" gehabt haben. Dabei wollte er am Steuer des Rennwagens ums Leben kommen und nicht etwa auf "normale Weise".
Tippspiel-Teams:
F1: Seifenkistel Roadrunners
Rallye: Ricola Rot Weiss Alpenteam Ilmor WRC
DTM: Speedpflicht DTM Team
MotoGP: Agostini MV Augusta

Beitrag Mittwoch, 18. August 2010

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Ja, Tom schrieb auch in seinem Beitrag über die Milla Maglia 1948, dass Enzo Ferrari glaubte, Nuvolari wollte Selbstmord begehen, denn Ferrari wollte ihn eigentlich aus dem Rennen nehmen.

Beitrag Mittwoch, 18. August 2010

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Noch eine Anekdote aus dem Rennfahrerleben des Tazio Nuvolari:

1946 fuhr er bei der Coppa Brezzi in Turin am 3. September einen Cisitalid D46. Am Ende der ersten Runde lag er in Führung. Während der zweiten Runde schwenkte er bei der Boxenvorbeifahrt sein Lenkrad, das sich losgelöst hatte. Dann fuhr er noch eine weitere Runde, wobei er ohne Lenkrad mit den Händen an der Lenksäule lenkte. Erst dann fuhr er zur Reperatur an die Box. Er kam noch ins Ziel und wurde 13ter.

Er mußte aber auch sehr schwere private Schicksalsschläge hinnehmen. So starb sein Sohn älterer Giorgio 1937 im Alter von 18 Jahren an einer Herzmuskelschwäche, als Tazio auf der Schiffspassage zum Vanderbilt Cup nach Amerika war.
1946 starb auch sein zweiter Sohn, ebenfalls im Alten von 18 Jahren.

Zu den Biographien:

Nuvolari von Christopher Hilton (englisch)

Novolari, the legend lives again von Cesare de Agostini (englisch)

Hab aber beide nicht gelesen!

Die Homepage dürfte bekannt sein: tazionuvolari.it (auch englisch)

Beitrag Mittwoch, 18. August 2010

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Das war schon ein echt krasse Typ, dieser Nuvolari!

Beitrag Mittwoch, 18. August 2010

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MichaelZ hat geschrieben:
3) 1948 bei der Milla Maglia wollte Nuvolari unbedingt gewinnen. Dabei war Nuvolari längst in einem schlechten gesundheitlichen Zustand: Die Auspuffdämpfe der methanolbetriebenen Motoren (damals alle noch vor dem Fahrer!) haben seine Lunge verätzt. Er hatte Hustenanfälle und spuckte Blut, aber dieses Rennen wollte er mit seinem Ferrari-Sportwagen noch einmal gewinnen. Er fuhr in Führung und dabei so am Limit, dass der Ferrari sich langsam in seine Einzelteile auflöste: Erst flog die Motorhaube davon, dann der linke Vorderkotflügel, dann löste sich auch der Fahrersitz aus der Verankerung. Aber Nuvolari fuhr weiter, erst eine gebrochene Hinterachsaufhängung führte zum Ausfall. Hätte ihn sein Auto nicht im Stich gelassen, hätte er das Rennen wohl gewonnen. Er war so erschöpft, dass er aus dem Auto gehoben werden musste.


er nahm als Sitz ersatz einen Sack Apfelsinen !!!

Der Nuvolari war einfach ein richtiger Rennfahrer der immer alles gab bis eben wirklich gar nix mehr ging. Ihm war auf gut deutsch wirklich alles sch*** egal, er fuhr auf Sieg und auf nix anderes. :-)
sowas vermisse ich im heutigen Rennsport.

Vll bekomme ich in den nÄchtsen Tagen noch zeit ein paar anekdoten von ihm su erzählen.

Beitrag Mittwoch, 18. August 2010

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MichaelZ hat geschrieben:
Erst flog die Motorhaube davon, dann der linke Vorderkotflügel, dann löste sich auch der Fahrersitz aus der Verankerung.

Wer's nicht glaubt...

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Beitrag Mittwoch, 18. August 2010

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Beitrag Mittwoch, 18. August 2010

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Michael_Mueller hat geschrieben:
MichaelZ hat geschrieben:
Erst flog die Motorhaube davon, dann der linke Vorderkotflügel, dann löste sich auch der Fahrersitz aus der Verankerung.

Wer's nicht glaubt...

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Wer brauch denn ne motorhaube ist doch alle sunnötiges Gewicht ;-)

Beitrag Mittwoch, 18. August 2010

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Michael_Mueller hat geschrieben:
Das Photo erinnert mich aber an eine Geschichte über Tazio Nuvolari, 1932, als bei der Targa Florio noch ein Beifahrer vorgeschrieben war. Für die wenigen die's nicht wissen sollten - die Targa wurde in den Bergen Siziliens gefahren, und gerade Streckenstücke waren so selten wie Schnee im Juli.

Der Sozius war eigentlich zum Schrauben vorgesehen, aber das interessierte Tazio nicht, wenn unterwegs repariert werden musste, war der Gesamtsieg sowieso weg, und Nuvolari fuhr nur auf Sieg. Er fragte Enzo Ferrari nach einem besonders leichten Beifahrer, und er bekam Paride Mambelli, einen Mechaniker-Lehrling von 13 Jahren. Der Kleine hatte fürchterliche Angst, also sagte Tazio zu ihm: "Pass' auf, bei besonders gefährlichen Kurven schreie ich vorher, dann duckst du dich auf den Boden unter das Armaturenbrett!". Und genauso machte man es. Tazio gewann das Rennen, 576 km grösstenteils unbefestigte Gebirgsstrassen in 7 Stunden und 15 Minuten, und am Ziel wurde Paride gefragt, wie es denn so sei mit dem grossen Champion Rennen zu fahren. "Keine Ahnung!" sagte dieser, "Nuvolari hat bei der ersten Kurve angefangen zu schreien, und bei der letzten aufgehört, und ich habe die ganze Zeit unter dem Armaturenbrett gesessen."

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Beitrag Mittwoch, 18. August 2010

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Michael_Mueller hat geschrieben:
Über Tazio Nuvolari, einem der grössten Fahrer der Vorkriegszeit, ist bereits an anderer Stelle vieles geschrieben worden, ich möchte deshalb hier keinesfalls eine weitere Biographie zum Besten geben, sondern mich auf die Geschichte seines letzten grossen Rennens beschränken.

Bereits kurz nach dem Krieg in 1946 fuhr Nuvolari wieder die ersten Rennen. Er war damals bereits 53, und ersthaft krank, die Auspuffdämpfe der methanolbetriebenen Rennmotoren hatten über die Jahre seine Lunge verätzt. Auch privat musste er immer wieder Schicksalsschläge hinnehmen, bereits 1937 starb sein ältester Sohn Giorgio an den Folgen einer Krankheit, und 1946 verstarb auch sein anderer Sohn im Alter von 18 Jahren. Sicherlich war er nicht mehr der alte, unbesiegbare Tazio, trotzdem schaffte er es immer wieder auf unterlegenem Material den einen oder anderen Sieg herauszufahren.

Die Mille Miglia war Italiens berühmtestes Rennen, zwar „nur“ ein Strassenrennen für Sportwagen, aber ein Sieg bei den „Tausend Meilen“ von Brescia nach Rom und zurück war für Hersteller und Fahrer immer schon etwas Besonderes. Nuvolari hatte die MM bereits in den 30er Jahren zweimal gewonnen, aber als krönenden Abschluss seiner Karriere wollte er unbedingt noch ein letztesmal siegen. Pierro Dusio hatte für Tazio einen der neuen Cisitalia genannt, aber der Wagen wurde kurz vor dem Rennen beschädigt und konnte nicht mehr rechtzeitig repariert werden. Alles sah danach aus, dass Nuvolari die Mille Miglia bereits vor dem Start verloren hatte, und er wusste genau, dass es für ihn die letzte Chance war.

Im letzten Moment hatte sein alter Freund Enzo Ferrari eine Lösung anzubieten. Für alle die mit der älteren Rennsporthistorie nicht so vertraut sind, Ferrari und Nuvolari waren Teamkollegen bei Alfa-Romeo in den 20er Jahren, und als die Scuderia Ferrari in den 30ern das Werkteam von Alfa war, war „Nivola“ Ferraris Fahrer Nummer 1. Ferrari hatte 1947 die ersten eigenen Autos gebaut, und für 1948 eine Serie von 8 Tipo 166 Spyder Corsa für die eigene Scuderia und für Kunden gebaut. Die Werkswagen waren für die Mille Miglia alle in festen Händen, aber Chassis No. 010I stand gerade in Maranello. Der Wagen gehörte Prinz Igor Troubetskoy, einem weissrussischen Emigranten mit französischem Pass, Ehemann von Barbara Hutton, der milliardenschweren Woolworth-Erbin. Troubetskoy musste kurzfristig nach Paris reisen, da seine Frau erkrankt war, und # 10I liess er bei Ferrari zurück (viele Privatfahrer liessen ihre Ferrari-Rennwagen durch die Scuderia betreuen). Kurzentschlossen stellte Enzo Ferrari Troubetskoys Wagen Nuvolari zur Verfügung, obwohl er dazu nicht authorisiert war.

Im Ferrari des Prinzen fand sich Nuvolari schnell da wo er hingehörte – an der Spitze. Obwohl er laufend von Hustenanfällen geschüttelt wurde und Blut spuckte, lag er in Pescara weiterhin in Führung. Beim Umkehrpunkt in Rom betrug sein Vorsprung 12 Minuten, in Livorno 20, und bis Florenz schaffte er es, 29 Minuten (!) auf den Zweiten herauszufahren. Eine Taktik hatte er nicht, er fuhr so wie er es gewohnt war – Vollgas und immer am äussersten Limit. Langsam löste sich der Ferrari in seine Bestandteile auf, erst flog die Motorhaube davon, und dann der linke Vorderkotflügel. Dann löste sich der Fahrersitz aus seiner Verankerung, und wurde kurzentschlossen über Bord geworfen und durch einen Sack Orangen ersetzt. Und „Nivola“ fuhr weiter Bestzeiten, er wusste, dass er nicht mehr lange leben würde, und dass dieses Rennen seine letzte grosse Chance war, er wollte nicht – er konnte nicht aufgeben!

Bei der Durchfahrtskontrolle in Maranello war Ferrari schockiert über Tazios Zustand, er bat ihn eindrücklich aufzugeben, auch auf die Gefahr hin, den ersten Mille-Miglia-Sieg für Ferrari zu verlieren. Er versprach ihm ein Auto für das folgende Jahr, aber Nuvolari antwortete „Für Männer in unserem Alter sind Rennen wie dieses selten geworden, und nächste Jahre noch seltener“. Viele glaubten damals, er wolle Selbstmord begehen, er wollte lieber am Lenkrad eines Rennwagens sterben als in einem Krankenhausbett.

Und weiter ging es über die langen geraden Landstrassen der Po-Ebene Richtung Ziel in Brescia, und selbst als die Bremsen ihre Funktion einstellten, war das noch lange kein Grund um aufzugeben. Erst als kurz vor dem Ziel die Hinterachsaufhängung des Ferrari brach, war es vorbei! Er hatte den kleinen Ferrari so schnell und so lange gefahren wie er konnte, und wenn das Auto ihn nicht im Stich gelassen hätte, hätte es nichts – aber auch nichts – auf dieser Welt gegeben, das ihn davon abgehalten hätte, diesen letzten grossen Sieg zu ergreifen! Sein Rennen war vorbei, er hielt am Strassenrand an, zu erschöpft um auszusteigen. Einer der Zuschauer, ein Pfarrer, hob ihn aus dem Auto, trug ihn in sein Haus, und legte ihn in ein Bett.

Einige Tage später erfuhr Prinz Troubetskoy, dass Enzo Ferrari sein Auto an Nuvolari ausgeliehen hatte, und er war nicht gerade erfreut, als ihm die Überreste präsentiert wurden. Er soll auch nicht begeistert gewesen sein, als die grossen italienischen Zeitungen ihm öffentlich dafür dankten, dass er Nuvolari für sein wahrscheinlich letztes grosses Rennen sein Auto geliehen hatte. Der Prinz hat Enzo Ferrari diese Aktion niemals vergeben, und selbst als er # 010I vollständig repariert und überholt zurückbekam, war er immer noch verbittert.

Die Mille Miglia 1948 war leider Nuvolaris letztes grosses Rennen. Dieser kleine schmächtige Mann hatte das Herz eines Giganten, und alle, die auf den Rennstrecken Europas gegen ihn angetreten waren, wussten, dass es einen wie ihn nie wieder geben würde. Es wurde immer gesagt, dass Nuvolari hoffte, dass ihn das Schicksal bei seinem so geliebten Sport ereilt, aber dieser Wunsch wurde ihm versagt. Er starb am 11. August 1953, 9 Monate nachdem ihn ein Schlaganfall lähmte. Die italienische Nation und die gesamte Motorsportgemeinde trauerte um den grössten Fahrer den die Welt jemals gesehen hatte.

Beitrag Donnerstag, 19. August 2010

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Jean hat geschrieben:
er nahm als Sitz ersatz einen Sack Apfelsinen !!!

Der Nuvolari war einfach ein richtiger Rennfahrer der immer alles gab bis eben wirklich gar nix mehr ging. Ihm war auf gut deutsch wirklich alles sch*** egal, er fuhr auf Sieg und auf nix anderes. :-)
sowas vermisse ich im heutigen Rennsport.

Vll bekomme ich in den nÄchtsen Tagen noch zeit ein paar anekdoten von ihm su erzählen.


Das mit den Apfelsinen habe ich auch gehört. Aber wo kamen die denn plötzlich her?

Und ja mehr Anekdoten wären echt supper!

Beitrag Donnerstag, 19. August 2010

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@Michael_Mueller: Danke für die Fotos! Und die Anekdote mit dem 13-Jährigen habe ich auch noch nicht gewusst! Respekt für dein Fachwissen!

Beitrag Freitag, 20. August 2010

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Beim Tripolis GP 1936 wurde Tazio Nuvolari im Training bei einem Unfall aus seinem Alfa Romeo (Scuderia Ferrari) geworfen und brach sich mehrere Rippen. Nicht genug für Nuvolari, um nicht am Rennen teilnehmen zu wollen. Aber die Ärzte verboten ihm den Rennstart. Nuvolari gipste sich ein und startete dennoch das Rennen im Ersatzwagen.

Beitrag Freitag, 03. September 2010

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Bei der MM von 1930 hat er an zweiter Stelle liegend, Nachts die Lichter an seinem Auto ausgeschaltet und konnte so den führenden Varzi überholen. Der hat sich gar nicht gefreut, weil er ihn nicht kommen sehen konnte.

Beitrag Freitag, 03. September 2010

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Danke, sehr interessant.
Hat jemand mal ein Bild von einem damaligen Renner mit Licht?

Beitrag Freitag, 03. September 2010

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Beitrag Freitag, 03. September 2010

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Ich meinte jetzt eher nachts, aber danke.

Beitrag Samstag, 04. September 2010

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Tazio Nuvolari - sein größtes Rennen

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Der Grand Prix von Deutschland 1935

Mehr als fünf Jahre lang pflegte der Motorsport-Journalist L. Spencer Riggs eine intensive Brieffreundschaft mit Carolina Nuvolari, der Witwa des berühmten Grand-Prix Fahrers Tazio Nuvolari. "Ihre detaillierten Kenntnisse über den Maestro und sein fast schon mythisches Sportlerleben waren außerordentlich bemerkenswert", erinnerte sich Riggs später.
Er entführt uns, zusammen mit Carolina Nuvolari, zurück ins Jahr 1935, zum Großen Preis von Deutschland am Nürburgring in die Eifel.

Als das gigantische Luftschiff Hindenburg über dem Start- und Zielbereich auftauchte und immer wieder für einen kurzen Augenblick durch die lose Wolkendecke zu sehen war, ertönte das Signal 'Noch eine Minute'.
Nuvolaris Alfa erwachte zum Leben, noch hatte die naßkalte Maschine nicht die nötige Betriebstemperatur erreicht, aber Tazio behandelte sie vorsichtig und beobachtet dabei gespannt die ansteigende und wieder fallende Drehzahlnadel.
Nur 30 Sekunden später waren auch die Auto-Union-Fahrzeuge mit ihrem unverkennbaren, bellendem Auspuffgeräusch zu hören. Zehn Sekunden vor dem Start erzitterte dann der Boden vom Donner der fünf Mercedes-Benz.
Vorsichtig ließ Nuvolari die Kupplung kommen. Als die Signale von Rot auf Gelb und dann auf Grün umschalteten, schoß der Italiener an die Spitze. Caracciola war aus der dritten Reihe gestartet und folgte im Höllentempo, noch vor der Südkehre hatte er den Alfa eingeholt und die Führung übernommen. Hier vor der Kurveneinfahrt kam Fagioli dem Alfa in die Quere, und nur um ein Haar konnte Nuvolari einen Zusammenstoß verhindern.
Als das Feld den Streckenabschnitt Hohe Acht erreichte, führte immer noch Caracciola. Nun raste er hinunter durch den dichten Eifelwald. Die Zuschauer am Ende dieses Streckenstücks waren verblüfft, als nur wenige Sekunden nach dem Mercedes ein Stöhnen zu hören war und plötzlich Nuvolaris flammroter Alfa zwischen den Bäumen auftauchte. Der Fahrer, dessen flinke Handbewegungen zu sehen waren, hatte sein Fahrzeug fest im Griff. Augenblicke später war der Alfa im Dunst verschwunden.

Als die erste Runde zu Ende ging, schienen Nuvolaris Anstrengungen allerdings bereits sinnlos geworden zu sein. Zwölf Sekunden vor ihm hatte Caracciola zum erstenmal die Ziellinie überfahren. Da noch 21 Runden ausstanden, entschloss sich der Italiener nun, seinen Zweikampf mit dem Mercedes-Piloten einzustellen. Das Rennen dauerte noch lange. Nach und nach ließ Nuvolari jetzt Fagioli, Rosemeyer, von Brauchitsch und Chiron an sich heran.
Brivio war bereits ausgefallen, Chiron sollte kurz darauf das gleiche Schicksal ereilen. Nuvolari war nunmehr auf sich alleine gestellt, ein deutscher Sieg bei diesem Großen Preis so gut wie sicher. Mercedes-Rennleiter Alfred Neubauer signalisierte Caracciola, das Tempo zu halten - alles lief nach Plan für die Deutschen.

In der sechsten Runde startete Novolari seine Aufholjagt, fast in einem Atemzug kassierte er Rosemeyer und von Brauchitsch und stürmte der Spitze hinterher. Der Alfa Romeo meisterte Kurve nach Kurve, wunderbar driftete er über die Strecke, in den Kurven das Heck leicht versetzt, die Vorderräder eingeschlagen. Nuvolati, den Kopf leicht nach hinten haltend, die Arme fest ausgestreckt - war ganz das BIld des großen Champions bei seiner harten und gefährlichen Arbeit. Als Fagioli einen Boxenstopp einlegte, übernahm der Mann aus Mantua den zweiten Platz hinter Caracciola, in der zehnten Runde hatte er den Spitzenreiter dann endlich eingeholt. Als beide ins Karusell schossen, hielt sich Nuvolari weit rechts außen nahe an der Begrenzungshecke. Caracciola schien den unvermeidlichen Zusammenstoß beider Fahrzeuge zu erwarten, aber der kleine Meisterfahrer aus Italien presste seinen Alfa am Deutschen vorbei und übernahm ausgangs der Kurve die Führung.

Fast zwei Runden lang hielt Novolari nun die Zuschauer in Staunen - mehr als 200.000 ZUschauer diskutierten, wie und warum der Alfa plötzlich in Führung lag. Rosemeyer, von Brauchitsch und Caracciola wechselten sich inzwischen immer wieder in der Verfolgung ab, hingen hauchdünn an den Hinterrädern des roten Alfa. Aber der Italiener schaffte es immer wieder durch seine perfekten Fahrmanöver, den heulenden 3,8 ltr Wagen an der Spitze zu halten.

In Runde 13 mußte die Spitzengruppe geschlossen an die Boxen zum Nachtanken und Reifenwechsel. Die Teamarbeit bei Mercedes-Benz und Auto Union glich einem geölten Räderwerk. Während hier die Fahrzeuge von Hochdruck-Tankanlagen versorgt wurden, schämte man sich bei Alfa über die vorsindflutliche Betankung per Handpumpe.
Nach 47 Sekunden startete als erster wieder von Brauchitsch ins Rennen, kurz danach folgten Caracciola und Rosemeyer. Im Lager von Alfa gab es zu diesem Zeitpunkt helle Aufregung: ein kräftiger Mechaniker hatte den Griff der Handpumpe verbogen und ein Desaster angerichtet. Als ein Trichter gefunden worden war, lonnten die Italiener den Alfa literweise aus Kannen betanken.
Signora Nuvolari beschrieb den dramatischen Moment an der Box näher:"Tazio war außer sich. Er sprang auf und nieder, schrie, verfluchte die Mannschaft. Ich hatte ihn niemals zuvor so wütend erlebt. ER warf Zündkerzen nach denjenigen, die untätig herumstanden." Als bereits 2 Minuten und 15 Sekunden verstrichen waren, sprang er ins Cockpit und jagte dem Feld hinterher.

Auf der Strecke hatte Nuvolari inzwischen alles auf eine Karte gesetzt. Sein Gesicht war finster geworden, die Augen loderten,fast hätte er sich durch Stuck, Fagioli und Caracciola hindurchgebohrt, als er diese endlich überholen konnte. Caracciola war erleichtert, als der Italiener vorbeigezogen und der Mercedes-Benz noch heil war. An Rosemeyer schoss Nuvolari vorüber, als ob dieser auf der Piste stehen würde.

Soeben hatte Neubauer von Brauchitsch noch das Zeichen "alles in Ordnung" gegeben, als die Menge aufschrie - da war auch schon Nuvolari, nur noch 70 Sekunden hinter von Brauchitsch. DEr Kleine Italiener hatte in nur einer Rennrunde fast alle verlorene Zeit wieder wettgemacht, ein Ding der Unmöglichkeit, an diesem Tag aber wahr.

Neubauer hatte von Brauchitsch inzwischen angewiesen, das Tempo zu erhöhen. ER sollte so einen weiteren Zeitvorsprung herausfahren. Von Brauchitsch brach kurz danach den Rundenrekord, er wusste 200.000 Zuschauer in der Eifel hinter sich, dieser Große Preis war sein Heimrennen.

Als noch 4 Runden zu fahren waren, blieb Neubauer schließlich nur noch Kopfschütteln. Er konnte nicht glauben, was er von der Stoppuhr ablas: Nuvolari hatte den Abstand zu von Brauchitsch auf 64 Sekunden verkürzt, ein paar Kurven später betrug der Abstand nur noch 60 Sekunden. "Er kann Manfred nicht mehr einholen", tobte der Rennleiter "Niemals, niemals."
Inzwischen hatte es aufgehört zu regnen, nur noch die Streckenabschnitte durch Waldgebiete waren nass, an den meisten Stellen trocknete die Fahrbahn. Von Brauchitsch blickte immer wieder in seine Rückspiegel, um den Alfa rechtzeitig auszumachen. Dabei sah er auch, wie sein linker Hinterreifen dünner und dünner wurde. Auch Neubauer bemerkte dies, befahl seinem Piloten aber, das Tempo zu halten. Der Reifen würde die beiden letzten Rennrunden bestimmt noch heil überstehen.
Als Nuvolari 32 Sekunden nach von Brauchitsch an der Mercedes-Box vorbeirauschte, stammelte Neubauer nur:"Das ist einfach unmöglich. Niemand kann so viel Vorsprung aufholen".
Carolina Nuvolari schildert die letzte Phase des legendären Großen Preises von Deutschland so:"Tazio sah weder nach rechts noch nach links. Er blickte nur starr auf die Piste, um jeden Moment seinen Gegner vor sich zu sehen". Von Brauchitschs Crew drängte jetzt Neubauer, den Fahrer an die Box zu winken. "Nein, er wird die Führung und das Rennen verlieren, der Reifen wird halten", lehnte der Chef ab.
Inzwischen hatte Tazio seine Wut in den Griff bekommen und war kühler geworden. Er fuhr mit der selben Gelassenheit wie zu Beginn des Rennens. Seine duklen Augen hinter der mit Dreck und Öl bespritzen Schutzbrille fixierten jetzt in einiger Entfernung eine Wasserfontäne - das musste von Brauchitsch sein. Der entdeckte im Streckenabschnitt Tiergarten plötzlich im Rückspiegel, dass der Hinterreifen bereits bis zur weißen Leinwand abgefahren war. Er meldete diesen alarmierenden Zustand im Vorbeifahren der Box, Neubauer aber lief auf die Piste und schwenkte die schwarzrote Flagge "schneller, Gas geben".

35 Sekunden später raste Nuvolari an den Mercedes-Leuten vorbei. Carolina Nuvolari berichtet:
"Ferrari und einige Mitglieder des Teams meinten, Tazio würde sich nun mit dem zweiten Platz begnügen.Um seiner Gesundheit willen dachte ich ein paar Momente genauso. Aber tief im inneren meines Herzens ahnte ich, dass dem nicht so sein würde." Die letzte Rund begann, die einzige, die bei diesem Großen Preis zählen würde. Würde sie zu lang sein für den Führenden, oder zu kurz für den Verfolger? Am Flugplatz war Nuvolari bereits fünf Sekunden näher an von Brauchitsch herangerückt. Kurve auf Kurve, Meter um Meter schloß der Meister aus Italien langsam die Lücke. Die letzten Rennrunden hatte Nuvolari ohne den kleinsten Fehler absolviert, hatte den Alfa gehetzt, in Kurven fast überbeansprucht, immer wieder vor Zerreißproben gestellt. Vom Streckenabschnitt Adenauer Forst bis hin zur Kurve am Bergwerk hatte Nuvolari seinen Wagen unerbittlich durch die Kurven schleudern lassen - er fuhr hier das brilliantest Rennen, das die Grand-Prix-Geschichte je erlebt hatte. Es war ein Lehrstück an Fahrkunst, das den Zuschauern Ehrfurcht abnötigte. Und mit jeder Reifenumdrehung wurde diese legendäre Fahrt im Rückspiegel des führenden Mercedes-Benz um ein kleines Stück deutlicher.

Bei Breitscheid verrenkten sich die Zuschauer die Hälse, als der infernalische Klang des Mercedes zu hören war. Noch führte Manfred von Brauchitsch, Sein Fahrstil wurde immer verzweifelter, immer wilder, während sein Verfolger herankam. Hinauf zum Streckenabschnitt Karussell stürzten die Rennwagen bereits gemeinsam: von Brauchitsch traute sich nicht, sich umzusehen, Nuvolari rechts neben dem Deutschen, lauerte auf seine Chance. Wie ein Matador, der das Tuch zur Seite gelegt hatte und nun zum Todesstoß ansetzte. Dann geschah es: der Hinterreifen des Mercedes-Benz explodierte, Gummifetzen und Teile der Füllung flogen auf die Fahrbahn, hinterließen eine Spur hinter dem wie von einer Faust getroffenen Fahrzeug. Von Brauchitschs Wagen gerriet ins schleudern, rutschte auf der engen Piste direkt in die Linie des Alfa. Der kleine Meister aus Italien steuerte instinktiv um seinen hilflosen Gegner herum auf die gegenüberliegende Fahrbahnseite und ging in Führung. Einige Augenblicke danach donnerte der Alfa über die Ziellinie und holte sich den Sieg. Dahinter folgten Stuck, Caracciola und Rosemeyer. Von Brauchitsch erreichte auf der Felge das Ziel als Fünfter.

Quelle: 75 Jahre Nürgurgring - Behrend/Frödisch - Heel Verlag

Beitrag Samstag, 04. September 2010

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Ich möchte die Leistung des Herrn Nuvolari ja nicht schmälern, da ich ihn für einen der grössten Rennfahrer aller Zeiten halte, aber da steckt viel Legendenbildung drin..

Zum Alfa. Der P3 fing mit 2.6 liter Hubraum an und wurde später auf 2.9 liter aufgebort. Damit war er dem Bugatti T 51 überlegen, bekam aber Schwierigkeiten mit dem Maserati 8C 2500-2800. Die Maseratis waren leider nicht sehr ausgereift. Zu beginn der 750 Kilo Formel wurden einige Alfa Motoren auf 3.1 liter aufgebohrt, mehr war aber nicht drin da die Zylinderwände schon papierdünn waren.
1935 sollte es den neuen 8C-35 geben, der einen 3.8 liter Motor hatte. Dieser war aber viel länger, durch höheren Zylinderversatz und das Auto nicht sehr ausgereift. Dieser Motor passte nicht ins P3 Chassis, er war viel zu lang.
Das wussten die Deutschen aber nicht und Alfa schürte die Gerüchteküche, um Mercedes anzuspornen, schneller zu fahren, als es für die Reifen gut war.
Das Problem von Mercedes und AU waren die Reifen, sie konnten mit der Leistung nicht mithalten. Die Fahrer mussten ihren Fahrstil auf die Reifen anpassen. Am besten gelang es Caracciola. Der wahrscheinlich durch seine Beinprobleme sanfter beschleunigte und bremste, als die anderen. Rudolf Caracciola war a, nch nicht ganz wieder hergestellt und b, zu dieser Zeit von einem Bandwurm geplagt, der ihm später operativ entfernt worden ist.
Ausserdem der Nürburgring, wo schiere Leistung noch nie was gebracht hat. Immer gabs die Giantkillers und jeder gute, oder aussergewöhnlicher Fahrer kann dort gewinnen.
Bei Nivola hat am diesem Tag alles gepasst. Mercedes ist auf die 3.8 Lüge reingefallen und schneller gefahren, als es den Reifen gut tat.

Die Ohrfeige ans Regime war gewaltig, von daher gönne ich Nivola den Sieg um so mehr.


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