Mit dem Entschluss, sich wieder am internationalen Rennsport aktiv zu beteiligen, hatte der Vorstände der AU und MB 1933 eigentlich nicht automatisch auch Grünes Licht für ein großangelegtes Programm gegeben, das die Eroberung diverser Weltrekorde zum Inhalt hatte. Aber es verstand sich eigentlich von selbst, dass die schnellsten Renner der Welt Beweise der mit ihnen erzielbaren Höchstgeschwindigkeiten auch außerhalb der Grand-Prix-Pisten erbrachten. Vornweg: Natürlich brachten diese Rekordfahrten eigentlich nichts ein - und es waren ja tatsächlich keine Geschwindigkeitsweltrekorde. Es gab weder ein großes Publikum am Straßenrand (im Gegenteil - es gehörte zu den üblichen Vorsichtsmaßnahmen, Rekordstrecken nach allen Richtungen hin für normale Sterbliche zu sperren), noch gewannen die Konstrukteure oder Fahrer der Wagen wichtige neue Erkenntnisse, die sie im Renneinsatz nicht ebenso gut oder gar besser erfuhren. Aber man benutzte die Rekordfahrerei zu taktischen Maßnahmen nach außen; Einmal, um gegenüber der Konkurrenz mit dem Säbel rasseln zu können, zum anderen, um in der Werbung - damals nannte man sie noch schlicht »Reklame« - ein paar eindrucksvolle Aussagen parat zu haben. Nicht zuletzt spielte in den 'braunen' Jahren das politische Moment DIE entscheidenene Rolle. Das NSKK in dessen Namen ja alle motorsportlichen Aktivitäten auf deutschem Boden stattzufinden hatten, versäumte keine Gelegenheit, die Weltbestleistungen deutscher Automoblie und ihrer Fahrer groß herauszustellen.
Habe mal versucht alle Rekordfahrten chronologisch aufzulisten - war eine ganz schöne Arbeit:-)
Avus, März 1934
Die Avus war 1934 der erste Austragungsort von Rekordfahrten, absolviert von Rennwagen der AU, richtigergesagt des unlackierten Prototypen. Noch vor dem offiziellen Beginn der Grand-Prix-Salson hatte man für Stuck einen Sechzehnzylinder nach Berlin gebracht, mit welchem er ein paar vielversprechenden Leistungsbeweis erbrachte. Über eine volle Stunde stellte Stuck eine neue Bestzeit mit 217,11 km/h in der C-Klasse (3 bis 5 Liter Hubraum) auf, die 100 Meilen absolvierte er mit 216,88, die 200 Kilometer mit 217,02 km/h. Über den Wert dieser Rekorde vermag ich heute - nach knapp 70 Jahren - natürlich nichts mehr zu sagen...
Avus, Oktober 1934
Nach Saisonschluß gab Stuck hier noch einmal eine Rekordvorstellung. Diesmal erzielte er fünf Weltbestleistungen vom Kilometer mit stehendem Start bis zum 100-Kilometer-Wert, von denen nur einer durch Caracciola acht Tagen später in Gyon - siehe unten beschrieben - überboten werden konnte. Das war die stehende Meile mit 188,65 km/h, die Stuck auf der Avus mit 187,86 km/h geschafft hatte.
Gyon, Oktober 1934
Ernst Henne, ein 1934 für seine Motorrad-Weltrekorde auf BMW bekannter Mann, erhielt von MB die Chance, nun auch auf vier Rädern Rekorde zu fahren. Zum »Eingewöhnen« stellte ihm Neubauer erst mal jenen Alfa Romeo Monoposto zur Verfügung, der aus dem Fundus Caracciolas stammte, Das war im März 1934, Nach einigen Proberunden auf dem Nürburgring durfte Henne dann das Alfa-Lenkrad mit dem eines weiß lackierten Mercedes W25 vertauschen. Man muß bedenken, daß es zu Anfang der dreißiger Jahre nur ganz wenige Sport- oder Serienwagen der Luxusklasse gab, die Geschwindigkeiten von mehr als 120 km/h zu absolvieren vermochten, und es gab ja auch kaum längere Straßenabschnitte, die solche Tempi überhaupt einigermaßen gefahrlos zuließen. Mit 250 km/h und mehr über »normale« Landstraßen zu donnern, kam einem Höllenkommando gleich, weshalb man derlei Vorhaben stets nur auf geschlossenen Rennstrecken wie Brooklands oder Monza durchführen konnte. Gut informierte Mercedes-Männer hatten herausgefunden, daß bei Gyon, unweit der ungarischen Hauptstadt Budapest, eine Schnellstraße gebaut worden war, die mit ihrer breiten, betonierten Oberflüche und einem über mehrere Kilometer geradlinigen Verlauf eine ideale Rekordstrecke abgab, würde man sie für den übrigen Verkehr sperren können. Genau das ließ sich auch erreichen. Die MB-Karawane erschien Ende Oktober 1934 mit zwei W25 in Gyon. Einer der beiden Wagen war ein normales Grand-Prix-Fahrzeug, dem anderen hatte man eine Art Hardtop über dem Cockpit verpaßt. Diesen angeblich besonders strömungsgünstigen Wagen sollte Henne zu neuen Weltrekordwerten fahren. Zuvor ließ man ihn mit dem offenen Monoposto einige Versuche starten, die aber nicht weit führten - der Kompressor gab bei knapp 300 km/h seinen Dienst auf. Henne stieg danach in den Hardtop-Wagen um, wobei den Mechanikern beim Aufsetzen der Kanzel ein Fehler unterlaufen sein musste: Während der Fahrt löste sich einer der Verschlüsse, und bei einem Tempo von 320 km/h begann das Dach ein solch ausgeprägtes Eigenleben zu führen, daß Henne es mit der Angst zu tun bekam und aufgab. Nur mit Mühe vermochte er den schlingernden Wagen mit der losen Kanzel aus dieser Geschwindigkeit zum Halten zu bringen. Um die knapp bemessene Zeit der genehmigten Straßensperrung zu nutzen, setzte sich der ebenfalls anwesende Caracciola - mit noch unverbrauchtem Nervenkostüm - ans Lenkrad des Wagens, ließ aber die Kanzel nicht aufsetzen. Mit 317,46 km/h fuhr er auf Anhieb einen neuen Internationalen Rekord über den Kilometer mit fliegendem Start. Die Meile absolvierte er mit 316,59 km/h. Die Meile mit stehendem Start wurde mit 188,65 km/h sogar als Weltrekord - klassenunabhängig - anerkannt.
Avus, Dezember 1934
Vierzehn Tage vor Weihnachten 1934 war Caracciola auf der Berliner Avus - wo man seit Jahren ebenfalls gern Rekordfahrten unternahm - abermals mit einem W25 zur Stelle, und die Reichshauptstadt kam zu ihrem Rekord: Carratsch fuhr 5 Kilometer bei fliegendem Start mit 311,96 km/h.
Lucca, Februar 1935
Überall in Europa suchte man bald schnelle Straßenabschnitte, um Höchstgeschwindigkeitsprüfungen nach den Richtlinien der AIACR durchführen zu können. Noch breiter - auch aus Sicherheitsgründen im Fall von Seitenwindeinwirkungen (darauf kommen wir später noch)- und noch makelloser in der Belagsqualität, das waren die Kriterien, auf die es ankam. Natürlich mußten die Straßen auch lang genug sein, denn je schneller die Wagen wurden, desto mehr An- und Auslaufstrecke wurden benötigt. Die in Frage kommenden Strecken waren stets in beiden Richtungen zu befahren, wobei das Mittel beider Läufe als die offizielle Zeit galt. Die Zeitnahme hatte durch AIACR-Funktionäre (nach dem Krieg durch die FIA) zu erfolgen, eine internationale Kommission mit Sitz in Paris, die man rechtzeitig informieren mußte, Übrigens ein teurer Spass, denn die Herren der Kommission ließen sich durchaus nicht nur ihre Spesen vergüten. So beorderte die Auto Union den AIACR-Stab für einige Rekordversuche am 14./15. Februar 1935 nach Lucca bei Florenz, also wieder eine geraume Zeitspanne vor Beginn der neuen Grand-Prix-Saison. Auto-Union-Rennleiter Willy Walb hatte abermals Hans Stuck verpflichtet, eine Demonstration zu geben. Die Meile mit fliegendem Start absolvierte Stuck mit 320,27 km/h, das waren 4 km/h mehr, als Caracciola im Herbst 1934 in Gyon erreicht hatte. Die Strecke zwischen Lucca und Florenz war nicht von vornherein von der Auto Union für ihre Fahrten im Februar ausgesucht worden. Sie diente als ein Ersatz für Gyon, wo Walb ursprünglich antreten wollte. Doch herrschte in Ungarn um jene Zeit winterliches Wetter, und um das Vorhaben dennoch über die Bühne zu bringen, mußte man in wärmere Gefilde ausweichen. Stucks Fahrzeug war übrigens wieder ein Wagen mit Coupé-Kanzel.
Lucca, Juni 1935
Doch ein paar Monate später erschien Tazio Nuvolari auf der Autostrada Lucca-Florenz. Mit seinem zweimotorigen Alfa Romeo schraubte er den Wert auf 323,06 km/h. Später gab Nuvolori an, er hätte sicher einen noch besseren Wert erzielen können, wenn nicht Seitenwind seine Fahrt mit dem 520 PS starken Bimotore beeinträchtigt hätte. In der Tat hatten Beobachter feststellen können, daß es Nuvolari offenbar Mühe bereitete, seinen schweren Wagen auf Kurs zu halten. Für 1935 war's das erst mal.
AB Frankfurt - Heidelberg, März 1936
Im Frühjahr war wieder die Auto Union aktiv. Im März gab sie ihr Autobahn-Rekord-Debüt auf einem Streckenabschnift zwischen Frankfurt und Heidelberg. Des »Führers neue Straßen« schienen sich in zunehmenden Maße für solche Veranstaltungen zu eignen. Stuck fuhr mit seinem 6-l fünf Weltrekorde und drei internationale Bestwerte in der B-Klasse. Sein Fahrzeug war offen, wies aber eine weit herumgezogene Windschutzscheibe auf. Um die 100-Meilen-Distanz in möglichst langen Streckenabschnitten in Angriff nehmen zu können (die er dann auch mit einem neuen Rekordwert von 267,21 km/h schaffte), benötigte er ein ausgedehntes Stück Straße: Auch ein Grund, warum man sich für die neue Autobahn entschied.
AB Frankfurt - Heidelberg, Oktober 1936
Mercedes liess sich Zeit bis nach Salsonende. Jetzt hatte man einen exzellenten, neuen Motor, jenen V12 mit der Bezeichnung DAB. Zu schwer geraten, um in der 750-kg-Formel eingesetzt zu werden, war die Leistung dieses Aggregats auf dem Prüfstand mit 616 PS bei 5800 Touren ermittelt worden, für Rekordeinsäte also eine vielversprechende Maschine. Caracciola errang am 26. Oktober 1936 drei neue Weltbestzeiten in der B-Klasse.
AB Frankfurt - Heidelberg, November 1936
Und nur knapp drei Wochen darauf, am 11. November, waren die Mercedes-Männer erneut auf der Frankfurter Autobahn. Zwei internationale und ein Weltrekord entstanden über 5 Meilen, 10 Kilometer und 10 Meilen mit fliegendem Start. Tagesbestwert: 336,84 km/h. Der absolute Weltrekord für ein Straßenfahrzeug lag damals bei 485 km/h; ihn hielt der Engländer Sir Malcolm Campbell mit seinem berühmten Bluebird. Solche Geschwindigkeiten konnte man aber nur an einem Fleck der Erde relativ gefahrlos auskosten: auf den ausgetrockneten Salzseeflächen im US-Staat Utah. Selbst die festen Sandstrände von Pendine/Wales, Ostende/Belgien oder Daytona/Florida, wo man ebenfalls immer wieder Rekordfahrten unternommen hatte, waren bei weitem nicht so geeignet wie die unendlich hatten und weitläufigen Salzebenen bei Salt Lake City. Aber durfte ein deutscher Wagen mit einem deutschen Fahrer eine Weltrekordfahrt im Ausland unternehmen? Nicht während der Zeit des nationalsozialistischen Regimes, das einen Mann wie Adolf Hühnlein an die Spitze des NSKK befördert hatte. 500 km/h oder auch ein höheres Tempo zu erreichen, war seine Vorgabe, die er mit Vertretern der Auto Union und der Daimler-Benz AG des öfteren diskutierte. In der Tat waren Höchstgeschwindigkeiten um 400 km/h, wie man sie zwischen Frankfurt und Heidelberg schon erzielt hatte, das Äußerste, was man auf einer zweispurigen Autobahn damaliger Bauart riskieren durfte. Hühnlein erreichte bei höchsten Instanzen, daß nicht zuletzt auch im Hinblick auf eine deutsche Weltrekordstrecke ein neu zu bauendes Autobahnteilstück besonders breit und eben angelegt wurde, ohne Bepflanzung des Mittelstreifens: bei Dessau. Bis dieser Abschnitt aber fertiggestellt wurde, verging viel Zeit. So fanden die deutschen Rekordversuche weiterhin auf der Reichsautobahn südlich von Frankfurt am Main statt.
Rio de Janeiro, Juni 1937
Konnte nicht viel über diese Fahrten erfahren, die Stuck offenbar während seines Südamerika-Tripps machte um die Brasilianer zu unterhalten. Er stellte einen Klasse B-Rekord aus, bewegte sich aber in keinen absoluten Spitzenwerten (um 340 km/h).
AB Frankfurt - Darmstadt, Juni 1937
Als Rosemeyer am 16. Juni 1937 einige neue Bestwerte aufstellte, waren die 400 km/h immer noch nicht erreicht. Recht enttäuschende Vorstellung. Es ging dem NSKK zu langsam - im doppelten Sinn des Wortes!
AB Frankfurt - Darmstadt, Oktober 1937
Die absolute Rekordmarke, in Utah von George Eyston erzielt, lag mittlerweile schon bei 503 km/h, Das NSKK nahm das zerknirscht zur Kenntnis; man beraumte eine »Deutsche Rekordwoche« an, die nach Salsonschluß auf der Frankfurt-Darmstädter Autobahn stattfinden sollte, mit nationalem Pomp, der fernab in Übersee erzielte Riesen-Tempi vergessen lassen sollte. Es war trotzdem kaum anzunehmen, dass jemand Eystons Leistungen erreichen würde, und Bernd Rosemeyers 406,30 km/h für den Kilometer mit fliegendem Start waren dann ja auch noch weit von Eystons Traumwert entfernt. Die Tatsache, daß Mercedes-Benz in jener Rekordwoche nicht recht zum Zuge kam, bewog die Stuttgarter, Hühnlein um die Ausschreibung einer neuen Rekordwoche im nächsten Januar zu ersuchen. Bernd Rosemeyer und die Auto Union - die Rennleitung lag jetzt in den Händen von Karl Feuereissen - willigten in dieses Vorhaben ein. In Anbetracht ihrer drei Welt- und immerhin 15 internationalen Klassenrekorde malten sich die AU gute Chancen aus, zumal man ja noch drei Monate Zeit hatte, um an den Rekordmotoren weiterzuarbeiten. Ferdinand Porsches Vertrag mit der AU, für die er bislang tätig gewesen war, lief Ende 1937 aus. Offizieller Nachfolger wurde Robert Eberan Eberhorst, in dessen Verantwortung auch die Weiterentwicklung der Rekordwagen fiel. Der Österreicher (schon wieder einer!), leidenschaftlicher Motorsportler und ohne Zweifel ein guter Techniker, ließ einen Spezialwagen bauen, der völlig umschlossene Räder aufwies, wie schon 1937, aber hochgezogene Flanken hatte, die dem Wagen ein fast pontonförmiges Aussehen gaben. Zwei verschiedene Motoren hatte man inzwischen für Rekordversuche parat, einen aufgebohrten V16 mit 6330 ccm sowie ein Aggregat mit 4358 ccm für die Klasse bis 5-l. Im Juni 1937 hatte Rosemeyer, als er bei 389,2 km/h angelangt war, eigentlich nicht viel Hoffnung gehabt, die 400-km/h-Marke zu erreichen. Mit einem Räderpaar war er dabei auf den Autobahn-Mittelstreifen gekommen, was ihn schon gewaltig erschreckt haben muss - war dies doch die erste Rekordfahrt Rosemeyers überhaupt. Unangenehme Erfahrungen in Sachen Instabilltät hatte auch Caracciola bei der Rennwoche im Oktober machen müssen. Bei 395 km/h hatte sich sein W 125 (mit dem DAB-Motor) mit der Nase in die Luft erhoben - Glückssache, dass der Wagen dabei mit den Hinterrädern die Spur hielt. Und Hermann Lang, ebenfalls als Rekordfahrer aufgestellt, flog die Motorhaube seines Fahrzeugs davon. Gefährlich war's irgendwie immer.
AB Frankfurt - Darmstadt, Januar 1938
Pannen der vorher geschilderten Art auf den Grund zu gehen, hatte MB nun genügend Zeit, ehe man sich am 27. Januar 1938 wieder am Rande der Frankfurter Autobahn traf. Die Mercedes waren länger geworden und wiesen abgeflachte Bugpartien auf, wo sich nur zwei Öffnungen (sah aus wie eine BMW-Niere!!!) für die Vergaser-Ansaugluft befanden; gekühlt wurden die Motoren mit Eis. Nach ersten Probefahrten bei kaltem, trockenen Winterwetter kam Caracciola schließlich auf einen erstaunlich Wert von 432,69 km/h beim Kilometer mit fliegendem Start und auf 432,42 bei der Meile. Das bedeutete einen erheblichen Vorsprung gegenüber Rosemeyers Zeiten vom Herbst. Rosemeyer hatte seinen neuen Wagen schon einige Tage zuvor auf der Autobahn bei Halle ausprobiert, ihn aber nicht voll ausfahren können. Jetzt sah er sich durch den neuen Rekord seines Erzfeindes herausgefordert, aufs Ganze zu gehen. Trotz Warnungen, auch von Caracciola ausgesprochen, bestand Rosemeyer darauf, zu fahren. Einen ersten Probelauf absolvierte er mit 429,9 km/h. Der echte Versuch kostete ihm dann das Leben. Rosemeyers Wagen muß bei einer Geschwindigkeit von gut 430 km/h durch eine plötzliche Seitenbö angehoben worden sein, so dass der ansonsten recht reaktionsfähige Fahrer die Kontrolle über das Fahrzeug verlor, dieses von der Fahrbahn abkam und am Rande der Autobahn an einem Baum zerschellte. Der tragische Verlauf dieser Rekordfahrt hatte eine gewisse Schockwirkung auf das gesamte Renngeschehen im Land - uns natürlich dem Fortgang der Rekordfahrten.
Dessau, Februar 1938
Im Februar hatte es seitens MB noch einen Rekordversuch gegeben, mit Autos auf Basis der 3-l-Wagen. Diese Fahrzeuge mit ihren kaulquappenförmigen Rümpfen und vollverkleideten Rädern sahen den bisherigen Rekordfahrern nur noch entfernt ähnlich (wenngleich die W196 nach dem Kriege sich der Form dieser Rekordwagen näherten). Hermann Lang fuhr sie auf der Autobahn zwischen Stuttgart und Ulm zur Probe, kam auf knapp 400 km/h. Inzwischen war auch die Dessauer Strecke endlich fertiggestellt; hier durchfuhr Caracciola anschließend - es war der 9. Februar 1939 - den Kilometer mit fliegendem Start mit 399,56 km/h. Fünf Rekorde in der Klasse D absolvierte er. Es waren die letzten Rekordfahrten deutscher Autos vor dem Krieg.
Halt! Noch nicht ganz! Porsche arbeitete zu der Zeit an einem gigantischen Vorhaben für MB; den Bau eines überdimensionalen Weltrekord-Fahrzeugs - so ganz im Sinne des Major Hühnlein und der braunen Befehlsgeber. Die von oberster Stelle immer wieder geäußerten Wünsche, den absoluten Weltrekord für Landfahrzeuge ENDLICH nach Deutschland zu holen, und nicht nur 'Kindereien' auf der Autobahn zu treiben, hatten nicht allein zum Bau jenes extrabreiten Autobahnabschnitts bei Dessau geführt, sondern auch die Konstruktion eines entsprechenden Spezialfahrzeugs in die Wege geleitet. Schon vor Beendigung seines Vertragsverhältnisses mit der AU hatte der Professor in dieser Sache Gespräche mit MB geführt; ihm schwebte der Bau eines Wagens vor, der mindestens 500 km/h schnell sein sollte. Als Antriebsaggregat kam - nach ausländischen Vorbildern - nur ein Flugmotor in Frage, weshalb die AU, die solche Triebwerke nicht baute, ausschied. Indessen zeigte sich schon bald, dass man das Geschwindigkeitsziel noch viel höher ansetzen mußte, denn am 14. September 1938 war George Eyston mit seinem Thunderbird schon auf unglaubliche 575 km/h gekommen.
Porsches Vorschläge, die zu realisieren sich MB auf Drängen Berlins bereit erklärte, sahen einen dreiachsigen Stromlinienwagen vor, dessen Motor über 2000 PS leisten sollte. Auch die Wahl des Fahrers hatte die Nazi-Bosse schon getroffen: Hitler ordnete an, dass diesen Wagen Hans Stuck steuern sollte. Das Projekt bekam bei MB die Arbeits-Chiffre T80 - so ging das Teil auch in die Geschichte ein. Die Arbeiten an diesem Wagen zogen sich derart in die Länge, dass im Ausland immer neue Rekorde etabliert wurden, die das Ziel ein Stück höher hängten. Als am 29. August 1939 John Cobb mit seinem gewaltigen Rallton Mobil Special knapp 600 km/h als neue Bestmarke festlegte, wurde gerade ein 2850 PS starker V12-Motor mit 45 Liter Hubraum ins Chassis des T80 eingesetzt. Es handelte sich um ein Flugzeugtriebwerk vom Typ DB603 mit Direkteinspritzung; als Treibstoff diente reiner Alkohol.
Doch fahrbereit war der T80 immer noch nicht. Und eine Rekordwoche gab es nach dem Rosemeyer-Unfall auch nicht mehr; erst im Herbst 1940 wollte man eine solche Veranstaltung wieder organisieren. Bis dahin also mußte die Karre fertig sein. Da aber inzwischen der Krieg ausgebrochen war, wurde der T80 niemals eingesetzt, ja nicht einmal getestet. Ob der Sechsradwagen auf der Dessauer Autobahn ein Tempo von mehr als 600 km/h überhaupt erreicht hätte, wurde später von Spezialisten in ernste Zweifel gezogen, ebenfalls die Tauglichkeit der Strecke. Vielleicht hatte der Dreiachser eine Chance in Utah gehabt. Spekulation müssig.