Er ist einer der schärfsten Kritiker von Michael Schumacher. Also wetterte die Rennlegende auch gegen dessen Rückkehr in den F1-Sport. Doch Moss probierte 2011 nun selbst sein Comeback, mit 81 Jahren! Beim Le-Mans-Legend-Rennen wollte er an diesem Wochenende einen Porsche RS61 pilotieren. Das Rennen findet im Vorfeld des 24-Stundenrennen von Le Mans statt und ist für ehemalige Le-Mans-Fahrzeuge von 1949 bis 1965. Im Qualifying brachte er es aber nur zu Startplatz 33, jetzt hing er den Helm noch vor dem Rennen endgültig an den Nagel. Moss erklärt: „Ich habe immer gesagt, wenn ich merke, dass ich nicht mehr auf einem hohen Level fahre und anderen Fahrern im Weg stehe, dann trete ich ab.“ Das passiert nun mit stolzen 81 Jahren!
Der Abtritt ist bewundernswert, zeigt aber auch die Persönlichkeit des viermaligen F1-Vizemeisters. Stirling Moss ist stets ehrlich gewesen, vor allem zu sich selbst. Ein Mann mit sportlichen und fairen Grundsätzen. Viele Rennfans halten Moss bis heute für den besten Fahrer, der in der Formel-1 nie zu einem WM-Titel kam. Bei vier zweiten Endrängen liegt es auf der Hand zu behaupten, er hätte einen Titel verdient gehabt. Moss selbst aber stellt sich zumindest in den Schatten eines Mannes: Juan-Manuel Fangio. 1955 kam Moss in das F1-Team Mercedes, dem damaligen Spitzenteam, sowohl beim Tempo, als auch bei der Zuverlässigkeit. Wer sich also gegen die Teamkollegen durchsetzte, der hatte beste Karten Weltmeister zu werden. Statt Moss krönte sich Fangio zum Champion.
Der österreichische Journalist Heinz Prüller zitierte Moss einst mit folgenden Worten: „Ich konnte Fangio im Sportwagen schlagen – aber nicht im Formel-1-Auto. Und die Formel-1 ist die schwierigere Sache: Dort geht’s um den WM-Titel. Er war der Beste. Und ich durchaus happy als Nummer 2.“ Nur einmal konnte der Brite Fangio schlagen, es war gleichzeitig sein vielleicht bestes Rennen: 1955 in Aintree zum Großbritannien GP. Vor heimischem Publikum nutzte Moss einen Fahrfehler Fangios beim Überrunden und gewann. Die Reaktion von Moss danach zeigte, wie realistisch er sein Talent gegenüber dem des großen Fangios einordnete: Er ging zu Fangio und vergewisserte sich, dass Fangio ihn auch wirklich nicht habe gewinnen lassen.
Aber selbst als Fangio seine große Bühne verlassen hat, kam Stirling Moss nicht zum Zug. 1958 wurde er zum dritten Mal in Folge Vizemeister. Dabei verhinderte er den Gewinn der Meisterschaft selbst, indem er seinen Konkurrenten und Landsmann Mike Hawthorn beim Portugal GP behilflich war. Der Ferrari-Pilot wurde damals hinter Moss Zweiter, wurde anschließend von den Rennkommissaren aber disqualifiziert, weil Hawthorn rückwärts gefahren sein soll. Das stimmt: Nach einem Dreher würgte er den Motor ab und versuchte ihn durch Herunterrollen des Berges wieder zum Laufen zu bringen. Dabei benutzte er aber die Grasfläche neben der Strecke. Moss ging zur Rennleitung und setzte sich für eine Aufhebung der Disqualifikation Hawthorns ein – indem er die Grasversion bestätigte. Moss weiß heute, dass diese Punkte, die Hawthorn dadurch wieder bekam, Hawthorn und nicht Moss zum Weltmeister machte. Wer sich aber etwas näher mit Moss beschäftigt, der weiß, dass er dagegen keinen Groll hegt. Es sind genau solche Situationen, die Moss in der britischen Presse so beliebt machen, beliebter als der spätere Weltmeister Hawthorn. In Großbritannien ist Moss also ein Star, wurde deshalb 1999 von Queen Elisabeth in den Adelsstand eines Sirs erhoben.
Sich selbst hat Stirling Moss ebenfalls nie belogen. 1963 beendete er erstmals seine Rennkarriere. Vorausgegangen war ein schwerer Unfall 1962 beim nationalen F1-Rennen in Goodwood. Damals kämpfte er mit Getriebeproblemen, musste mehr als sonst ans Limit gehen, um mithalten zu können. Dabei verlor er die Kontrolle über seinen Lotus-Boliden und krachte gegen einen Erdwall. Viel schlimmer als zahlreiche Knochenbrüche war das Hirntrauma, das er sich zuzog und ihn ins Koma versetzte. Als er aufwachte, war er halbseitig gelähmt, es brauchte über ein Jahr zur Genesung; dann testete er auch wieder einen Lotus-Rennwagen, erklärte aber den Rücktritt, weil die Leichtigkeit, die Selbstverständlichkeit beim Fahren fehlte. Eine ehrliche Einschätzung, die nicht jeder Fahrer zulässt.
1980 dann kehrte Moss aber zurück, fuhr für Audi in der britischen Tourenwagenmeisterschaft. Moss war aber längst ein anderer und so widmete er sich fortan nur noch dem historischen Rennsport – bis zum Legend-Rennen in Le Mans 2011. Nun also soll der Helm endgültig an den Nagel gehängt werden. Der Helm, der 1948 erstmals bei einem F3-Rennen in einem Cooper aufgezogen wurde. Die spannende Frage bei einer Geburt eines Kindes ist oft, welche Gene sind von der Mutter, welche vom Vater geerbt worden. Beim Rennsport-Gen kann Stirling Moss aber auf beide zurückgreifen: Sein Vater Alfred Moss wurde 1924 beim Indy 500 beispielsweise 16. am Lenkrad eines Fords. Später stampfte er gemeinsam mit Ken Gregory das BRP-F1-Team aus dem Boden, das bis Mitte der 60er Jahre in der Formel-1 vertreten war. Muter Aileen Moss fuhr in den 30er Jahren Trialrennen, die man am ehesten dem Rallye-Sport zuordnen kann. Und, um das Familienglück perfekt zu machen, auch Stirlings Schwester Pat fuhr erfolgreich Rallye-Rennen.
Von der Formel-3 ging es für Stirling Moss schnell in die Formel-1. In einem HVM-Alta gab er beim Schweiz GP 1951 sein Debüt, wurde Achter. Aus Patriotismus pilotierte er in den ersten Jahren nur britische Modelle. Damit brach er aber 1954, als er für Maserati in der Formel-1 fuhr. In Oulton Park gewann er damals auch sein erstes F1-Rennen, allerdings keines mit WM-Status. Erst im bereits erwähnten Grand Prix in Aintree platzte auch in der WM der Knoten. Es folgten 16 weitere Siege, aber eben keine WM. Damit führt Moss bis heute die Liste der Fahrer mit den meisten Siegen im Rahmen der WM, ohne dabei aber den WM-Titel gewonnen zu haben an:
1. Stirling Moss (GBR) 16
2. David Coulthard (GBR) 13
3. Carlos Reutemann (ARG) 12
4. Rubens Barrichello (BRA) 11
4. Felipe Massa (BRA) 11
6. Gerhard Berger (AUT) 10
6. Ronnie Peterson (SWE) 10
8. Jacky Ickx (BEL) 8
9. René Arnoux (FRA) 7
9. Juan-Pablo Montoya (COL) 7
Seine 16 Siege konnten von einem britischen F1-Fahrer erst 1991 durch Nigel Mansell überboten werden! In seinen besten Jahren fuhr Moss bis zu 62 Rennen pro Jahr! Von seinen insgesamt 527 Rennen in verschiedenen Serien wie Formel-1, Formel-2, Sportwagen und Rallye gewann er deren 212, also mehr als 56%! Im Rallye-Sport sticht ein zweiter Platz bei der berühmten Rallye Monte Carlo 1952 mit einem Sunbeat Talbot heraus. Bei den Sportwagen gewann er 1960 das 1000-Kilometerrennen auf dem Nürburgring. Auch in Le Mans blieb er aber der Ewige Zweite. Kein Sieg, aber zwei zweite Plätze 1953 auf einem Jaguar und 1956 auf einem Aston Martin. Das 24-Stundenrennen von Le Mans hat Moss nie so sehr gemocht: Kein Fahren am Limit, nicht die maximale Drehzahl, Fahrerwechsel. Gerade in Le Mans endet nun aber eine glanzvolle Rennkarriere, dessen letzte Krönung aber fehlte.