Wir haben ja kürzlich mal in einem anderen Unterforum über Gerhard Berger, Michael Schumacher, Niki Lauda und allgemein die Situation bei Ferrari um 1995 diskutiert. Ich tippe mal aus Bergers Zielgeraden die entsprechende Passage ab. Ich finde das echt spannend, wie da in der Formel-1 so um Verträge verhandelt wird. Kennt jemand andere Beispiele mit entsprechenden Beschreibungen durch Fahrer oder Teamchefs?
"Anfang 1995 begann sich bei Ferrari jenes Szenario aufzubauen, das letztlich zum Schumacher-Deal führte.
Ich fühlte mich zwar heimisch bei Ferrari, hatte auch mittlerweile ein höchst angenehmes Verhältnis zu Jean Todt, war aber immer noch unzufrieden mit der technischen Siatuation: Falls die Richtung überhaupt stimmte, passierte trotzdem alles zu langsam. Die Sprunhaftigkeit des Luca di Montezemolo in seinen Äußerungen gegenüber der Presse machte die Sache auch nicht leichter, jedoch tauchten da unnötige Irritationen auf.
Noch dazu hatte ich meine Wut über die vorjährigen Verhandlungen noch nicht ganz verdaut. Da hatte ich schlechte Karten gehabt wegen meiner mageren ersten Saison. Kein einziger Sieg, keine einzige Pole - und der technische Druck, den ich sicherlich ins ganze Team eingebracht hatte, litt unter dem Schönheitsfehler, dass ich in punkto aktive Aufhängung auch keine große Hilfe war. Alesi mit seinen Superreflexen war unter diesen Umständen der bessere Mann, er dachte nicht lang nach, sondern hatte eben die Gabe, auzch das verrückteste Auto einzufangen.
Jedenfalls hatte ich mich schlecht wehren können, als mit Ferrari schon Anfang 1994 die Gage für 1995 kürzte ("schlechter Geschäftsgang der ganzen Firma", was ja auch stimmte). Ächzend hatte ich einem Abschlag für das dritte Ferrari-Jahr zugestimmt und war nun besonders kampflustig für eine Revanche. Mittlerweile hatte ich zwar auch nur einen einzigen Sieg vorzuweisen, aber mein Standing war nun ungleich besser als im Jahr zuvor: Der Spuk mit den verrückten Autos war vorüber, ich war schnell, und ich arbeitete so hart wie nie zuvor am technischen Umfeld eines Autos. Ich spannte mich vor den Karren, war zu jedem Test und zu jeder Sondereinheit bereit und brachte mich total in die laufende Entwicklungsarbeit ein. Die Ferrari-Leute wussten das sehr wohl zu schätzen, die Ingenieure ebenso wie Jean Todt und Luca di Montezemolo. Also war die allgemeine Stimmung: Luca, mach mit dem Berger einen Deal, bevor er uns abhaut.
Auf die Hilfe Niki Laudas wollte icvh diesmal verzichten, weil ich das Gefühl hatte, dass Ferrari ihn nur mehr nach eigenen Wünschen manipulierte. Er wurde mit genau jenen Informationen bestückt, die der Ferrari-Politik hilfreich waren. Mit tat diese Art des gezinkten Informations-Transfers im Magen weh.
Jedenfalls offerierte mit Montezemolo einen sehr ordentlichen Jahresvertrag, bei dem die Kohle nun auch wieder stimmte. Sie würde mich wieder zum Bestverdiener in der Formel-1 machen.
Kurz vor der Unterschrift hatte ich noch eine Eingebung und forderte eine Ausstiegsklausel für mich, falls ein zweiter Fahrer ins Team käme, der mehr verdiente als ich. Kein Problem, sagten die Ferrari-Herren, wir zahlen dir ja derart mordsmäßiges Geld, dass wir gar nicht in der Lage wären, noch mehr zu zahlen. Außerdem, so eine teure Nummer Zwei gibts ja gar nicht, also kannst du die Klausel ruhig in den Vertrag kriegen.
So geschah es und der Vertrag für 1996 wurde unterschrieben, noch vor dem ersten Rennen der 95er Saison.
An Schumacher als Person hatte ich zu diesem Zeitpunkt wirklich nicht gedacht, es war eher meine Marotte, dass ich irgendwie stolz drauf war, während meiner ganzen Karriere die Nummer Eins im jeweiligen Team gewesen zu sein, mit der Ausnahme Sennas. Aber Senna war eben Senna, da hatte ich kein Problem.
Irgendwann kam das Thema des zweiten Fahrers auf. Von Alesi wollten sie sich trennen, weil er in seinen Emotionen so undiszipliniert und unberechenbar war. Die Grundidee war, zwei Jahre lang an meiner Seite einen Jungen aufzubauen, der dann nach meinem Abgang die Statur für die Nummer Eins hatte. Da fielen Namen wie Barrichello und Salo.
Zwischendurch einmal fragte mich Todt, was ich von der Idee hielte, Prost zurückzuholen. Ob ich Schwierigkeiten damit hätte?
Kein Problem, sagte ich, "im Gegenteil, ich finde das super."
Mein Hintergedanke war, dass das ganze Team von einem Mann wie Prost profitieren könnte, dass ich ihn aber trotz allem im Griff haben müsste. Natürlich darf man einen Alain Prost nie unterschätzen, aber mit 41 würde er sicher nicht mehr den mörderischen Speed haben, der 12 Jahre zuvor dem Niki das Leben sauer gemacht hatte. Außerdem interessierte mich der finanzielle Aspekt an dem Deal, vielleicht würde sich ein frischer Poker ergeben, bei dem noch etwas abzustauben war.
Da taucht die Frage auf, was eine Firma daran hindern sollte, einen Geheimvertrag auszuhandeln und der dritten Person gegenüber eine falsche Summe zu nennen. Nun gibts zwar tatsächlich jede Menge geheime Vorverträge und Geheimklauseln, aber es wäre etwas anderes, einen Vertragspartner in einem wichtigen Punkt bewusst anzulügen. Da sind zu viele undichte Stellen in der Formel-1, und ein Unternehmen wie Ferrari würde sich wahrscheinlich nicht drauf einlassen, eine Millionenklage am Hals zu haben, die man nur verlieren kann, wenn man nicht ganz dreist weiterlügt. Vertrags-Schummeleien dieser Kategorie sind heute eher die Ausnahme, dazu ist das Ecclestone-Reich zu straff organisiert.
Im Frühjahr 1995 lief alles in Richtung "Prost-Comeback bei Ferrari". Todt führte ein Gespräch mit Alain, der zeigte sich interessiert. Mir gefiel das sehr gut.
Unvermittelt fragte mich Montezemolo einmal, was ich von Schumacher hielte. Sag' ich, ich hab auch mit dem Schumacher kein Problem.
Darauf hörte ich von Montezemolo und Todt: "Naja, wir müssen Schumacher wenigstens pro forma fragen, weil der ist jung und Weltmeister, wird unter Umständen wieder Weltmeister, ist sauschnell, der deutsche Markt ist inzwischen der größte für Ferrari, Fiat bringt den Bravo heraus, das würde alles gut ins Konzept passen, es ist eigentlich unsere Pflicht, mit ihm wenigstens zu reden, bevor wir Prost/Berger fix machen."
Dagegen konnte ich wenig sagen.
Nun redete Lauda mit Schumachers Manager Willy Weber, das Ergebnis war:
"Der Weber spinnt. Er will 28 Millionen Dollar im Jahr. Ich hab ihm gleich gesagt, das kann er vergessen."
Ab diesem Zeitpunkt dürfte sich Jean Todt Ferrari-intern so weit durchgesetzt haben, dass Lauda aus allen wesentlichen Entscheidungen herausgehalten und auch nur halb oder gar nicht oder falsch informiert wurde. Am Rand kriegte ich mit, dass Todt mit Weber im Gespräch blieb.
Wenn ich von Montezemolo oder Todt etwas hörte, dann dies, dass Schumacher sowieso nicht in Frage käme, weil solche Summen nicht zur Diskussion stünden.
Dann hörte ich eine ganze Weile wieder nichts.
Morgens beim Aufstehen habe ich meistens die helleren Gedanken, und einmal in der Früh war die erste Idee: Es riecht nach Schumacher.
Alles war viel zu ruhig, es gab keinen Informations-Transfer mehr, nicht einmal einen gezinkten. Auch von Prost wurde kaum noch geredet.
Also sagte ich in Silverstone versuchsweise vor Journalisten: "Schumacher hat für Ferrari unterschrieben."
Daraufhin ging genau jener riesen Zirkus bei Ferrari los, aus dem der Eingeweihte schließt: Es stimmt. Montezemolo und Todt waren völlig aus dem Häuschen und machten mich zur Schnecke, aber an der Art ihrer Reaktion konnte ich ablesen, dass ich haargenau ins Schwarze getroffen hatte.
Jetzt konnte ich in Ruhe abwarten, wie Ferrari mit der "Besserverdiener-Klausel" in meinem Vertrag umgehen würde.
Es war ja nichts Unkorrektes passiert: Todt hatte in Monaco mit Schumi einen Vorvertrag geschlossen, und es war Ferraris gutes Recht, das geheimzuhalten, solange es ihnen beliebte. Aber wenn bei Ferrari die Geheimnisse platzen, sind sie immer ganz schrecklich aufgescheucht und dementieren gleich aus automatischem Reflex, und je lauter, desto mehr tuts ihnen weh. Hier mussten sie zusätzlich dem Schumacher erklären, dass es keine undichte Stelle gab, sondern dass es mein Privatvergnügen war, News zu verlautbaren, die ich gar nicht wissen konnte.
Lauda, der überhaupt nicht eingeweiht war, erklärte mich inzwischen für verrückt und sagte in der Zeitung, der Berger soll nicht phantasieren, sondern lieber g'scheit Gas geben.
Irgendwann musste Ferrari mit der Wahrheit rausrücken. Sie konnten natürlich nicht das Gesicht verlieren und den Vorvertrag bestätigen, sondern mussten sich scheibchenweise den Tatsachen nähern, zumindest mir gegenüber. Der Öffentlichkeit gegenüber würden sie schweigen, so lang wie möglich, da Schumacher mit Benetton um die Weltmeisterschaft kämpfte und keine internen Irritationen brauchen konnte.
Langsam verdichtete sich die Wahrheit der Schumi-Gage, es waren tatsächlich jene 28 Millionen Dollar, die auch für einen an Geld gewöhnten Menschen ziemlich atemberaubend waren. Natürlich bin ich auf der Seite der Verdiener und freue mich über jede Eskalation bei den Gagen, aber da stieg mir doch die Erinnerung an Ferraris vorjährige Feilcherei und Preisdrückerei ein bissl sauer auf.
Ich hatte gleich nach dem Silverstone-Zirkus begonnen, die Situation bei Williams auszuloten. Es sah gut aus, und Frank wollte mir in Budapest Bescheid sagen.
Was er mir dort allerdings sagte: Er hatte Villeneuve verpflichtet und wollte Hill nicht rausschmeißen, weil der mitten im Kampf um die Weltmeisterschaft steckte. Also war ich doch nicht schlau genug gewesen, den Überblick über den gesamten Formel-1-Poker zu haben.
Den intelligentesten Spielzug hatte ich einfach übersehen: Dass Bernie Ecclestone mit dem Kanadier einen Brückenschlag zwischen dem amerikanischen und dem europäischen Rennsport versuchen würde. Einen solchen Fahrer konnte er sinnvollerweise nur im besten Team unterbringen. Genial von Bernie, gut für Williams, super für Villeneuve, *böses Wort* für mich. War's der größte Fehler meiner Karriere, hier nicht rechtzeitig besser taktiert zu haben? Mag schon sein.
Dann begann ich das erste Mal über Benetton nachzudenken, und was dabei herauskam, gefiel mir nicht schlecht. Vor allem die Renault-Motoren imponierten mir, absolut die gleichen wie bei Williams. Gleich beim ersten Gespräch mit Flavio Briatore kamen wir rasch und gut weiter. Unterschreiben wollte ich aber noch nicht.
Irgendwann kam der Tag, da mir Ferrari endlich eröffnete, dass sie Schumacher engagiert hatten. Ah, große Überraschung.
Da Schumi ganz offensichtlich mehr Geld (viel mehr Geld) als ich krieg würde, begann laut meiner Vertragsklausel mit dem Tag dieser offiziellen Verständigung eine Zweiwochenfrist, innerhalb der ich meinen Ferrari-Vertrag für 1996 einseitig auflösen konnte.
Ich sagte, dass ich die Schumi-Lösung toll für Ferrari fände, und meinte das wohl auch ehrlich. Ob es auch für mich das Beste sein würde, war eine andere Frage, ich würde drüber nachdenken. Todt und Montezemolo hielten das aber für eine Formsache und waren sich meiner vollkommen sicher.
Es gab auch kein Problem mit der angeblichen Besserstellung von Schumi, wie sie in den Medien beschrieben (und dann gegenüber Irvine praktiziert) wurde. Schumacher hatte einen schlichten Passus im Vertrag, der besagte, er habe in allen Fragen von Material und Taktik das Recht "to get the same or better" gegenüber dem anderen Fahrer. Das ist eine sehr praktische Passage für jedermann, und ich hätte tadellos damit leben können. Da in meinem Vertrag Schlechterstellung (gegenüber wem auch immer) ausgeschlossen war, hätte es bloß Gleichbehandlung bedeutet.
Ich wolklte eindeutig die sportlich bessere Lösung für mich, und die war schwer abzuwägen zwischen Ferrari-mit-Schumacher-am-Hals und Nummer-1-bei-Benetton. Ich ging mit Montezemolo essen, er legte noch eine Million drauf und war dann fast beleidigt, dass ich bei der Nachspeise nicht den Deal besiegelte, sondern sagte: danke, ich werds mir überlegen. Luca ist der Typ, der solche Geschichten gern am Wirtshaustisch finalisiert, locker und smart.
Mittlerweile wurde draußen das Ferrari-Team Schumacher/Berger quasi schon als fix verkauft, es gab in der Branche keinen Zweifel, und bei Ferrari schon gar nicht.
Ich legte noch eine Pokerrunde ein, und sie gingen nochmal höher, nicht nur mit der Gage, sondern auch mit dem Gesamtpaket aller Bedingungen innerhalb des Teams. Ich war ziemlich erstaunt, dass Ferrari zu zwei derartigen Superverträgen imstande war, die in Summe bei weitem alles übertrafen, was es bislang in der Formel-1 gegeben hatte.
Im Kopf spielte ich noch einmal durch, wie es sein würde: Tolle Kohle, klar, neuer V10-Motor, der sicherlich mehr bringen würde als der alte V12, andererseits bin ich schon mit dem alten Motor so oft ausgefallen, wie wird das erst mit dem neuen werden?Es wird also viele Ausfälle geben, Schumacher und ich werden uns nicht sehr sympathisch sein, und Weltmeister werden wir sowieso nicht, wegen der Kinderkrankheiten. Eigentlich hielte ich eine Saison wie die jetzige nicht mehr aus, ich wills nicht mehr. Also Gerhard, jetzt pfeist einmal auf die maximale Kohle, ziehst die beste sportliche Lösung an Land, Williams ist weg, bleibt nur noch Benetton.
Also Benetton.
Ich fuhr zu Flavio, sagte, wenn du mir ein gescheites Angebot machst, bin ich bei dir.
Das Angebot lag um eine hübsche Scheibe unter dem von Ferrari, war aber fair genug.
Als kleine Revanche für alles Theater, das Ferrari mit mir gespielt hatte, ließ ich sie jetzt auch ein bissl anlaufen. Montezemolo saß in seinem Büro, um mit Minardi wegen der Zwölfzylinder zu verhandeln, und als er zufällig auf seinen Monitor schaute, sah er in den Nachrichten, dass Gerhard Berger für Benetton unterschrieben hat. Luca kriegte einen Anfall und brüllte mit Jean, der hatte auch keine Ahnung und war ganz verdattert. Das Timing war also geglückt.
Das nachfolgende Theater dauerte nur zwei Tage. Montezemolo wusste ja selbst, dass wir eine offene Rechnung aus dem Vorjahr hatten, die nun geschlossen war. Somit kam auch die gegenseitige Sympathie rasch wieder durch, wir gingen ein paar Tage später abendessen und konnten wieder quatschen und lachen wie früher. Luca sagte sogar, Gerhard, wen würdest du jetzt nehmen als zweiten Fahrer? Da gabs ein paar Namen und Irvine war auch darunter..."