Hab heute einen Post von Michael_Mueller gefunden, der passt zu dem Thema und den find ich sehr interessant, deshalb poste ich ihn hier:
So, jetzt noch einiges zu dem “unglücklichen” SEFAC. Ich bin in Sachen Schwierigkeit vielleicht etwas über das Ziel hinausgeschossen, wollte aber mal ausloten, wie weit man gehen kann. Ich gelobe Besserung!
SEFAC ist das beste Beispiel dafür, dass Beamtentum und Grand-Prix-Racing in keinster Weise zusammenpassen, und was hier von den Franzosen vermurkst wurde, ist wahrscheinlich einmalig in der Geschichte des Motorsports.
Nachdem beim GP Frankreich 1934 die Bugatti von den Deutschen und den Italienern vernichtend geschlagen wurden, gründete man eine staatliche Rennwagenfabrik, eben die SEFAC bzw. "Société d'Etude et de Fabrication d'Automobiles de Course", um ein Auto für die 750-kg-Formel zu entwerfen und zu bauen. Zur Finanzierung wurde ein eigenes Komitee eingerichtet, man verkaufte Anstecknadeln (!) und bettelte bei der Industrie um Spenden. Dass diese Art der Mittelbeschaffung nicht gerade erfolgreich war, dürfte auf der Hand liegen.
Als Konstrukteur wählte man zwar einen Top-Mann, Emile Petit, der Ende der 20er Jahre die Salmson-Voiturettes gebaut hatte, aber das zur Verfügung stehende Budget war so unglaublich niedrig, dass Petit im Prinzip die Hände gebunden waren. Während das Chassis dem damals üblichen konventionellen Layout entsprach, ging man beim Motor einen interessanten Weg. Man koppelte 2 1385-ccm-Vierzylinder mit unterschiedlicher Laufrichtung nebeneinander, die Motoren hatten doppelte obenliegende Nockenwellen, aber nur einen gemeinsamen Kompressor. Ich vermute, dass Petit diese Lösung aus Kostengründen wählte, und dass es sich bei den Motoren um Standardblöcke eines Serienautos handelte. Das ganze leistete dann ca. 250 PS, zum Vergleich, der 1934er Mercedes W25 hatte bei Verwendung von Alkohol-Kraftstoff ca. 100 PS mehr.
Für den GP Frankreich in Montlhery 1935 musste der SEFAC fertig sein, war er aber nicht, oder zumindest nicht richtig. Petit wurde politisch unter Druck gesetzt, der SEFAC musste an den Start gehen, denn die Ehre Frankreichs stand auf dem Spiel. Man schaffte es wirklich, den SEFAC pünktlich zur Abnahme nach Montlhery zu karren, nur um festzustellen, dass das Ding mit 931 kg doch etwas (!) zu schwer für die 750-kg-Formel war. Marcel Lehoux drehte einige langsame Runden, sein Urteil war vernichtend: der Motor hat keine Leistung, die Bremsen arbeiten nicht vernünftig, die Strassenlage sei miserabel, und überhaupt, das ganze Ding sei Schrott. Mit zusammengebissenen Zähnen nahm man die Nennung zurück, so das Robert Benoist mit seinem Bugatti als Einziger die Tricolore hochhalten musste.
Im Training fuhr Benoist einen Standard-T59, war aber den deutschen Rennwagen und auch den Alfa-Romeo weit unterlegen. In der Nacht zum Sonntag brachte man deshalb einen T59 mit dem grossen 4.9-Liter-T50-Motor von Molsheim nach Montlhery, und mit dem Wissen der Veranstalter – aber ohne technische Abnahme – wurde das Ding in die Bugatti-Box geschoben. Es gilt als sicher, dass der grosse Motor das Fahrzeuggewicht weit über 800 kg brachte! Aber der Betrug rächte sich, wegen des grösseren Motors musste man auf die Schnelle eine spezielle Motorhaube anfertigen, die dann bereits in Runde 4 davonsegelte. Damit war das Desaster für die Franzosen komplett!
Wie konnte das alles so weit kommen? Als das Komitee seinen ersten Jahresbericht veröffentlichte, konnte man 676.000 Francs als Einnahmen vermelden. Davon schluckten die Bürokraten erst einmal selber 125.000, je 100.000 wussten sich Bugatti und Delage zu sichern, und 300.000 standen unter „verschiedenes“. Für das SEFAC-Projekt blieben mickrige 50.000 Francs übrig! Damit konnte man gerade mal ein Auto der Oberklasse von der Stange kaufen! Die Wogen in Öffentlichkeit und Presse schlugen hoch, aber wie Politiker eben sind, auf einmal war der SEFAC eine Vollwaise, mit der niemand jemals etwas zu tun hatte.
Allerdings wurden im „Fonds de Course“, also im Finanzierungskomitee, radikale Änderungen durchgesetzt. Die jährlichen Führerscheingebühren wurden um 5 Francs erhöht, und dieses Geld dem Komitee zugeteilt. Aber jetzt gingen die Probleme erst richtig los, denn die überforderten Bürokraten müssten jetzt ein jährliches Budget von 1,25 Mio Francs verwalten. Das ging natürlich nicht so ohne weiteres, es mussten Verwaltungsregeln festgelegt und erlassen werden, Formulare wurden entworfen und gedruckt, die Arbeit nahm einfach kein Ende. Und natürlich wurde in unzähligen Sitzungen darüber diskutiert, wie man dieses Geld denn nun am besten unter die Leute bringt. Diese Verwaltungsmassnahmen wurden in der unglaublich kurzen Zeit von 1 ½ Jahren erledigt, mit dem Resultat, dass in dieser Zeit kein eiziger Franc dem eigentlichen Sinn des Fonds zugeführt wurde. 1937 hatte man dann endlich die glänzende Idee, 1 Million Francs sollte der Hersteller erhalten, dessen Rennwagen nach der neuen 3-Liter-Formel auf der Montlhery-Rennstrecke 200 km in der kürzesten Zeit zurücklegt, Stichtag war der 1. September 1937. Glücklicherweise lag der SEFAC innerhalb der 3-Liter-Grenze, aber die Bürokraten hatten es geschafft, SEFAC war finanziell ausgeblutet, und nur noch in Fragmenten existent. Die für den 27. August geplante Demonstrationsfahrt in Montlhery fand nie statt.
Es würde zu weit gehen, die weitere Geschichte des französichen Grand-Prix-Fonds hier zu schildern, das gibt vielleicht einmal eine separate Story, aber die Klüngelei unter den Funktionären ging soweit, dass die Teilnahme am Grand Prix de l’ACF 1938 als Voraussetzung gemacht wurde, um weiter im Spiel um Subventionen zu bleiben. Bei SEFAC rappelte man sich noch einmal auf, und obwohl das Auto bereits 1935 bei seiner Vorstellung veraltet war, brachte man es in Reims an den Start, und Chabaud drehte damit 2 ganze Runden im Rennen.
Aber das war noch nicht das endgültige Ende, für den Grand Prix de Pau 1939 brachte Jean Trémoulet, der frühere Rennmechaniker und Beifahrer von Chabaud, den SEFAC noch einmal an den Start (siehe Photo). Er fuhr 35 Runden dem Feld hinterher, bevor er wegen Spritmangels stehen blieb. Und noch einmal, in 1948, tauchte der SEFAC auf. Eine Firma namens Dommartin hatte die Überreste aufgekauft, verpasste dem Auto eine neue Karosserie, bohrte die Motoren auf insgesamt 3,6 Liter auf, und entfernte den Kompressor, um der aktuellen GP-Formel von 4,5 Liter Saugmotoren weitestmöglich zu entsprechen. Aber dann war wieder mal das Geld alle, and der SEFAC verschwand ein weiteres Mal in der Versenkung.
Man hätte meinen sollen, die Franzosen hätten aus diesem Desaster gelernt, aber dem war nicht so. Der CTA-Arsenal von 1947/48 (siehe „Yesterday Quiz“) entstand ebenfalls mit staatlichen Subventionen und unter Federführung von Beamten, und war genau so ein Reinfall wie der SEFAC ...!