Lion Peugeot:
Bereits im ersten Coupe des Voiturettes (damals oft auch Coupe de L'Auto genannt) am 12. November 1906 in Rambouillet war Lion-Peugeot werkseitig mit drei Autos dabei, gefahren von Giosue Guippone, Jules Goux und einem gewißen Aime. Dieser Coupe war ja damals von 'L_Auto' ins Leben gerufen worden, um den Motorsport wieder in 'normale Bahnen' zu lenken bzw auch kleineren Firmen die Teilnahme zu ermöglichen. Hauptintention war somit, die Kosten für die Teilnehmer zu minimieren. Echte Rennwagen sollten definitiv ausgeschlossen werden. Bereits für 1905 hatte L'Auto den Coupe ausgeschrieben, aber es gab erhebliche Probleme mit der Durchführung und die Veranstaltung war letztlich kein Rennen im eigentlichen Sinn. Während sechs Tagen hatten sich die Teilnehmer überhaupt erst zu qualifizieren! Schlußendlich gab es aber kein Rennen,sondern nur Bremstests(!) und ein paar Rekord-Wettbewerbe. Dieser Wettbewerb war auf Fahrzeuge mit maximal 1000 ccm Hubraum beschränkt. Das ganze war ein Fiasko, aber L'Auto ließ sich nicht entmutigen. Für 1906 wurde also eine echte Rennformel kreiert, wobei nur Ein- oder Zwei-Zylinder-Fahrzeuge zugelassen waren (wiederum, um 'echte Rennwagen' auszuschliessen). Zusätzlich wurde die Bohrung beschränkt, nämlich auf 90 mm für Zweizylinder und auf 120 mm für Einzylinder. Als Mindestgewicht wurden 700 kg festgelegt. Die Formel schlug ein wie ein Dampfhammer! Die alte ACF-Voiturettenformel von 1901 (Gewicht zwischen 400 und 650 kg) wurde praktisch weggefegt. 1906 beteiligten sich folgende Hersteller werksseitig:
Automobiles Delage: Delage mit DeDion-Motor (2 Autos)
Edmont Gentil: Alycon (2 Autos)
Ets. Sizaire et Naudin: Sizaire-Naudin (3 Autos; Sizaire und auch sein Teilhaber Naudin starteten sogar selbst, Sizaire siegte)
Auto Stands: Auto-Stands (1 Auto)
Voiturettes le Metais: Le Metais mit de Dion-Motor (1 Auto)
Automobiles Vulpes: Vulpes mit De Dion-Motor (1 Auto)
G Fouillaron: Fouillaron (1 Auto)
SA des Auto Peugeot (hatte nichts mit Auto et Cycles Peugeot zu tun, die beiden Firmen wurden aber 1911 verschmolzen !!!): Lion-Peugeot (3 Autos)
A Bailleau: Bailleau (1 Auto)
weiters genannt, aber nicht angetreten:
Ste. L'Auto-Reparation: Bolide (2 Fahrzeuge genannt, jedoch nicht angetreten)
Automobiles Ibis: Ibis (1 Fahrzeug genannt, jedoch nicht angetreten)
Civelli de Bosch et Cie: Civelli de Bosch (3 Fahrzeuge genannt, jedoch nicht angetreten)
ACMA Mieusset: Mieusset mit de Dion-Motor (1 Fahrzeug genannt, jedoch nicht angetreten)
Auffallend, daß keine Privatnenneungen abgegeben wurden, offensichtlich war auch in dieser Serie die Teilnahme auf die Hersteller beschränkt, wie auch bei den GPs.
Zurück zu Lion-Peugeot: Die tec specs des 1906-Autos fehlen mir gänzlich, vielleicht kann da ja wer nachhelfen. Bekannt ist mir nur, daß es sich um einen Einzylinder-Motor handelte. Cecil Clutton schreibt dazu: A Peugeot, which run third, was uninterestingly conventional by comparison with the winning Sizaire-Naudin. (Der hatte übrigens auch einen Einzylinder, 120x120, was einen Hubraum von 1356 ccm ergab und bei 2000 Umdrehungen ca. 18 PS leistete. Das Auto war nicht nur deswegen seiner Zeit voraus, weil es unabhängige Vorderradaufhängungen hatte.)
1907 änderte sich praktisch nichts: Die Formel blieb die gleiche, die Autos zumeist auch, Sizaire-Naudin siegte wieder, diesmal aber Naudin am Steuer - und Lion-Peugeot war wieder nur Dritter. Doch, eines hatte sich geändert: Die Teilnehmer-Liste explodierte förmlich: 67 Nennungen, 65 Teilnehmer, 32 beendeten die neun Runden.
1908 gab es eine neue Formel: Erstens wurden 4-Zylinder zugelassen und zweitens wurde die max. Bohrung wie folgt festgelegt: 100 / 80 / 65 (Für 1, 2, oder 4 Zylinder). Und dann geschah etwas, was man eigentlich schon fast erwarten mußte: der ACF nämlich hatte sich entschlossen, auch für GP-Fahrzeuge eine Formel mit limitierter Bohrung festzulegen und dann gleich auch die Voituretten neu zu definieren. Dabei konnte man sich natürlich nicht verkneifen, es 'besser' zu machen als L'Auto (was verstanden die denn schon von Rennautos?) und legte folgende Maximalbohrungen für Voituretten fest: 100 / 78 / 62. L'Auto war nicht gerade begeistert, aber weil das ACF-Rennen bereits zwei Monate früher stattfand und man den Unsinn zweier Parallel-Formel vermeiden wollte, übernahm man die ACF-Formel auch für den Coupe des Voiturettes. Wie sich dann zeigte, favorisierte diese Formel die Einzylinder ganz klar und L'Auto wäre mit dem ursprünglichen Ansatz wohl besser gelegen. Lion-Peugeot brachte - die neue Formel erforderte dies ohnehin - ein neues Auto mit folgenden Daten: 1 Zylinder 100x170 = 1335 ccm; Zum Sieg reichte es wieder nicht. Erneut blieb Sizaire-Naudin erfolgreich, Doppelsieg. Lion-Peugeot wieder nur Dritter. Langsam wurde dieser dritte Platz zur Qual.
Für 1909 zog man wohl zusätzliche Register, denn endlich klappte es: Guippone holte den ersten Sieg. Aber: Lion Peugot hatte zur Sicherheit zwei Autos entwickelt! Einen Einzylinder mit 100x250 und eine Zweizylinder von 80x192, was beidesmal Hubräume von annähernd zwei Litern ergab. Vorausgegangen war eine erneute Formeländerung durch L'Auto, diesmal im Alleingang. L'Auto's Intention war es ja gewesen, mit 'ganz gewöhnlichen Autos' zu fahren, nicht mit extremen Rennmonstern mit nur einem Zylinder extremer Dimensionen. Man wollte also Mehrzylinderfahrzeuge favorisieren. Die Formel wurde aber leider extrem kompliziert, weil man sich als Hersteller nun für die 1- / 2- / 4- Zylinder-Varianten entweder für eine maximale Bohrung oder einen maximalen Hub entscheiden mußte und zusätzlich dann aber wiederum höchszulässige Hub- oder Bohrungs-Dimensionen berücksichtigt werden mußten. (Falls das jetzt wirklich noch jemanden interessieren sollte, können wir das ja noch weiter ausführen). Das Auto oben (Goux #24) zeigt den Zweizylinder, von dem Clutton schreibt, daß er sich dem Einzylinder als klar unterlegen zeigte. Aber Goux wurde damit immerhin zweiter und lag lediglich 6 Minuten hinter Giuppone, der wie Boillot den Einzylinder fuhr. Ich habe ein Bild eines Lion-Peugeot vom 26.4.1909 (Madonie), der ist sichtlich höher gebaut und offensichtlich der Einzylinder. Leider ist mein Scanner seit zwei Wochen im Eimer und ich bin derzeit nicht in der Lage, die Bilder hier zu posten - mal sehen, wer das für mich erledigen könnte.
1910 legte Lion-Peugeot wiederum zwei Varianten auf. Einerseits den legendären VX-5, oben zu sehen mit #16, ein Zweizylinder mit 80x280 mm = 2803 ccm und andereseits einen Vierzylinder mit 65x260 = 3440 ccm. Meines Erachtens zeigt sich hier wieder einmal der enge Grat zwischen Genie und Wahnsinn. De Dion hält übrigens (zumindest meines Wissens, was nichts heißen muß) mit seinem Einzylinder von 300mm Bohrung für den 1910-Corre-La Licorne den ewigen Hub-Rekord. Diesmal fuhr Boillot den kränkelnden Vierzylinder, während Guippone und Goux mit dem sauschnellen Zweizylinder wohl besser bedient waren. Tja, und dann schlug Zucarelli mit dem Hispano-Suiza zu. Der war offensichtlich noch schneller. Das ist Racing.
Die Geschichte endet hier eigentlich noch nicht, aber 1911 wurden die beiden Peugeot-Schmieden zusammengelegt und ab dann waren auch die 'L'Auto'-Voituretten echte Peugeots. Insoferne kann man es auch als das Ende der Lion-Peugeots sehen.
E.T.