Tom, dein Zitat aus dem Brauchitsch-Interview ist genau das an was ich mich erinnern kann, und das hört sich doch etwas anders an, als frühere.
Obwohl diese „Lack-Geschichte“ mittlerweile zu den Fixpunkten der Motorsport-Geschichte gehört, bin ich mir aber nicht sicher, ob es wirklich so war. Das Eifelrennen war am 3 Juni 1934, eine Woche vorher am 27 Mai war in Berlin das AVUS-Rennen, bei dem die Auto-Union-Rennwagen
bereits silbern waren! Mercedes hatte für die AVUS genannt, aber die Nennung wieder zurückgezogen, weil man die Autos noch nicht 100 % fertig hatte.
Das Photo unten zeigt von Brauchitsch beim bewussten Eifelrennen, und meiner Meinung nach ist das Finish des Wagens einwandfrei. Es ist offentlich eine silberne Lackierung, und kein blankes Aluminium, mit Sicherheit keine Oberfläche, auf der Kratzer und Reste von Füller zu sehen sind.
Ich bin der Auffassung, dass Mercedes-Benz auf der AVUS die silbernen Auto-Union gesehen hat, und diese Farbe dann übernommen hat, allerdings in aller Ruhe zu Hause im Werk, und auch nicht aus Gewichtsgründen - denn silberner Lack wiegt auch nicht weniger als weisser -, sondern aus optischen Gründen.
Ich glaube auch nicht, dass silber als deutsche Rennfarbe generell toleriert wurde, die Vorschriften waren da deutlich, siehe unten.
Es muss ein Deal stattgefunden haben zwischen der ONS und dem AIACR, der silber erlaubt. Das nächste Rennen war in Montlhery, und man kann sicher sein, dass die Franzosen die deutschen Wagen nicht zugelassen hätten, wenn die Farbe nicht 100 % den Vorschriften entsprochen hätte. Ich habe bisher allerdings noch keine Bestätigung in diese Richtung gefunden, auch die zeitgenössige Fachpresse erwähnt diesen Punkt mit nirgendwo.
Fakt ist, dass die „Abkratzaktion“ erstmalig in Neubauers Memoiren auftaucht, und dann von unzähligen anderen übernommen wurde, in der zeitgenössigen Fachliteratur ist nirgendwo etwas in dieser Richtung zu lesen. Wir sollten aber alle wissen, das Don Alfredo ein Geschichtenerzähler erster Güte war, der seine Storys immer wieder ausbaute und ausschmückte, um sie interessanter zu machen. Ein gutes Beispiel hierfür ist der GP Tripolis 1933, die Sache mit den Losen und dem abgeblich abgesprochenen Rennen (ich glaube Tom liest Neubauers Buch gerade, vielleicht kann er eine kurze Erklärung abgeben). Es ist mittlerweile erwiesen, dass der Sachverhalt ganz anders war, als von Neubauer geschildert, und ausserdem enthält Alfredos Geschichte einige grobe Fehler. Er redet von Louis Chiron als potentiell Beteiligten, nur Chiron war 1933 gar nicht dabei, und er redet von Marschall Balbo, dem Gouverneur von Libyen, obwohl Balbo erst im folgenden Jahr von Italien nach Tripolis befördert wurde. Und last but not least - Neubauer war auch nicht in Tripolis dabei!
Aber nichts gegen Neubauer’s Buch, es ist ein absolutes Vergnügen es zu lesen, und ich kann es wirklich jedem der jüngeren Forum-Mitglieder empfehlen, die wissen wollen, wie es damals war. Aber Vorsicht, als akkurates Protokoll der zeitgenössigen Ereignisse darf es nicht gesehen werden.
Ob Neubauer und Zimmer nun wirklich von Brauchitsch beim AVUS-Rennen 1932 betreuten, kann ich nicht sagen, wie gesagt, Tom liest gerade beide Bücher, das von v. Brauchitsch und das von Neubauer, anscheinend steht da was drin. Sicher ist allerdings, dass es sich um keinen Werkseinatz handelte, und auch nur eine einmalige Angelegenheit gewesen sein muss.
So, ich gehe jetzt ins Bett und lese keine Korrektur mehr, Tippfehler möge man mir verzeihen.