Auch ich hätte noch ein paar Nachträge zum Thema Farina - wahrscheinlich der F1-Weltmeister, der mich am meisten fasziniert, eine Type wie man ihn nur selten findet. Die Zitate sind größtenteil aus Peter Fuller 'Champions' sowie meinem eigenen Rennsport-Archiv:
Nino Farina, aus der berühmten Mailänder Karosseriefabrik-Dynasite (bekannt als Pininfarina, vielleicht auch deswegen, weil Farina alleine 'Mehl' bedeutet hätte?)
Wären sie zur selben Zeit gefahren, so hätte sich Farina zu Clark so verhalten wie Belmonte zu Joselito. Die Parallele gilt im Hinblick auf ihren Fahrstil und auf die Art, wie sie starben. Farina fuhr einen selbstmörderischen Stil und beging auf der Strecke, wie Enzo Ferrari sagte, 'erstaunliche Verrücktheiten'. Er war ein Überlebender der alten Schule und zog sich oft wütend aus einem Rennen zurück, wenn er sah, daß er keine rechte Aussicht auf einen Sieg hatte. Er machte zunächst den Doktor der Volkswirtschaft und bedrängte dann seinen Vater, zu dem er eine recht stürmische Beziehung unterhielt, sein Debüt als Rennfahrer zu finanzieren. Nachdem er sich anfangs geweigert hatte, erklärte sich Farina senior schließlich dazu bereit, jedoch unter der erstaunlichen Bedingung, daß er selbst ebenfalls an Rennen teilnehmen wollte. Als sich dann aber zeigte, wie halsbrecherisch sein Sohn fuhr, gab er seinen Plan wieder auf und verweigerte jede weitere Unterstützung. Farina junior fuhr weiter und wurde schließlich Weltmeister. Trotz seines Verhaltens auf der Rennbahn lebte er lange genug, um sich aus dem Rennsport zurückziehen zu können, aber als er am 30. Juni 1966 mit seinem Lotus-Cortina zum Großen Preis von Frankreich fuhr, dem er als Zuschauer beiwohnen wollte, 'verlor er die Herrschaft' über seinen Wagen, raste gegen zwei Telegrafenstangen und war auf der Stelle tot.
Kaum ein Fahrer war in mehr tödliche und schwere Unfälle verwickelt wie Farina - gleichzeitig wirkte er paradoxerweise nahezu unzerstörbar. Und obwohl dieser Beinamen eigentlich für Clay Regazzoni steht, würde er meiner Meinung nach viel besser zu Nino Farina passen. Nach eigenen Angaben soll er fünf(!) Jahre in diversen Krankenhäusern der Welt verbracht haben. Vor diesem Hintergrund ist seine 'Marotte' nie Kollegen im Krankenhaus zu besuchen vielleicht verständlicher. Im Gegenzug legte er aber auch selber auf solche Gesten von Kollegen keinen Wert, wenn er mal wieder selber im Spital lag. So selbstmörderisch sein Fahrstil auch war, über den Privatmann Farina wurde so gut wie nichts bekannt - er hielt sich konsequent aus allen Schlagzeilen heraus. Er hasst Publicity!
Sein erstes Rennen, ein Bergrennen 1932 am Großen St. Bernhard, endet, wie sollte es anders sein, mit einem schweren Unfall; einer gebrochenen Schulter und Gesichtsverletzungen. Zu seiner Ferrari Zeit in den dreißiger Jahren hat er vor allem gegen die Überlegenheit der Deutschen zu kämpfen. Siege gibt's keine - dafür aber einige ehrenvolle Plazierungen und beherzte Fahrten - aber auch Unfälle, Unfälle, Unfälle; 1936 ist er in Monaco in eine Massenkarambolage verwickelt, die glücklicherweise noch glimpflich abgeht, aber kurze Zeit später gerät er, in Führung liegend, beim GP von Deauville mit dem Franzosen Marcel Lehoux (ERA) beim Überrunden aneinander - ein Crash-Duell, das Lehoux nicht überlebt, während Farina nur leichte Verletzungen davonträgt. Im Mai 1938 kommt es beim GP von Tripolis zu einem ähnliche Zwischenfall, wieder beim Überrunden, und wieder bleibt sein Konkurrent, der Ungar Lazlo Hartmann auf der Strecke. Auch Farina erwischt es diesmal schwer.
Nach dem Krieg darf er bei den schier unbesiegbaren Alfettas wieder als Pilot anheuern, aber schon 1946 kommt es zum Zerwürfnis, weil er die Stallregie nicht anerkennen will und trotzig aufgibt, als Graf Trossi zum Sieger des Mailänder GP bestimmt wird. Aber zu Beginn der F1 1950 wird er wieder ins Team gerufen, nachdem Alfa Romeo nach dem Tod der drei Spitzenpiloten Trossi, Varzi und Wimille, plötzlich ohne Fahrer dasteht. Farina wird Weltmeister, manche sagen mit Hilfe der Stallregie, aber immerhin. Gleichzeitig kommt es kurz darauf wieder zu einer Serie fataler Unfälle: 1953 kommt es beim GP von Argentinien zur Katastrophe, als ihm ein Junge vor das Fahrzeug läuft und Farina in die Zuschauer rast - bis heute gehen die Meinungen um die Anzahl der Toten und Verletzten auseinander. Ein Drama, wie es schlimmer nicht hätte sein können, und doch prallt es nahezu wirkunglos am eiskalten Farina ab.
1954 verläßt ihn sein sportliches Glück endgültig. Nachdem er sich gerade von einem schweren Crash bei der Mille Miglia erholt hat, zieht er sich bei einem Sportwagenrennen in Monza hochgradige Verbrennungen an den Beinen zu, als sein Ferrari Feuer fängt und er gerade noch rechtzeitig aus dem brennenden Wrack geborgen werden konnte. 1955, er geht bereits stark auf die 50 zu, fährt er mit zusammengebissenen Zähnen und unter starkem Medikamenteneinfluß (Morphium!) noch einige denkwürdige Rennen für Ferrari. Sein letzter GP endet, wie sollte es auch anders sein, mit einem Crash und er nimmt am GP von Monza 1955 gar nicht mehr erst teil.
Selbst seine letzten aktiven Versuche in Indy, lange nach seiner GP-Zeit, enden tödlich. Nachdem Farina 1956 nicht geschafft hatte sich mit seinem Kurtis (mit Ferrari-Power) ins Feld zu hieven setzt er 1957 den jungen Oval-Profi Keith Andrews ans Steuer um das Auto auf Tempo zu bringen. Und der haucht prompt sein Leben an der Indy-Mauer aus. Da merkte Farina endlich, daß es Zeit ist aufzuhören.
Die letzten Worte sollen Juan Fangio gehören, der nach Farinas tödlichen Unfall 1966 folgendes über den ersten F1-Weltmeister gesagt haben soll: 'Jeder Fahrer sagte, daß nur die heilige Mutter Gottes ihn solange auf der Straße gehalten habe. Bei seinem verrückten Fahrstil war es nur eine Frage der Zeit, bis sie irgendwann müde war, ständig schützend neben, vor oder hinter ihm zu stehen!'