Hier mal, was Prüller zum Porsche-Desaster 1991 schrieb:
„Was McLaren und Porsche vorexerziert haben, wollen Arrows-Boss Jackie Oliver und Porsche 1991 wiederholen. Leider mit untauglichen Mitteln. Die Idee: Der japanische Multimillionär Ohasi zahlt, damit Porsche exklusiv für Arrows „den besten Motor der Welt“ entwickelt, für 25 Millionen Dollar. Außerdem zahlt Ohasi 35 Millionen Pfund an Arrows. Und Jackie Oliver erinnert sich heute: „1991 ist das Jahr, in dem ich am meisten Geld hatte. Leider auch den geringsten Erfolg: ganz am Schwanz der Konstrukteurs-Rangliste, an letzter Stelle.“ Eine traurige Story, die wie ein Märchen begonnen hat. „Deutsche Menschen und große deutsche Firmen“, blickt Oliver heute in den Rückspiegel, „können auch sehr arrogant sein.“ Engländer auch, lieber Jackie.
Eine absolute Katastrophe diese Partnerschaft zwischen Oliver und dem sehr feinen Ohasi, dem Besitzer von Footwork und Porsche – angesehen davon, dass die technischen Leistungen von Porsche absolut nicht genügend sind und die technischen Leistungen von Arrows auch nicht. Max Welti kommt dazu, „als das Fahrzeug mit Porsche-Motor bereits in seine rennvorbereitende Testphase geht. Da kann man an keiner Stellschraube mehr drehen, das ist alles schon definiert.“ Aber wie? Es kriselt schon bei den ersten Verhandlungen und technischen Meetings. Während McLaren-Konstrukteur John Barnard mit millimetergenauen Vorgaben zu Porsche gekommen ist, welchen Motor er braucht, sagt Porsche jetzt: „Lasst uns das machen – wir können das schon.“ In Wirklichkeit, kritisiert Oliver heute, haben sie nur zwei 6-Zylinder-Motoren zu einem 12-Zylinder zusammengebaut.
„Aber zum Glück hat mir Ron Dennis einen heißen Tipp gegeben: Bau genaue technische Klauseln und Performance-Bedingungen in den Vertrag ein!“ Was später wichtig wird, als nicht mehr die Fahrer Gas geben, sondern nur noch die Anwälte. John Barnard hat den Deutschen seinerzeit jahrelang Zeit gegeben, den perfekten Motor zu bauen. Jetzt, mit Arrows, wird das Saugmotor-Projekt im Eiltempo durchgepeitscht – und kommt trotzdem nur schleppend in Gang. Ich erinnere mich: Im Winter 1990/91 flieg’ ich zweimal nach England, um die Geburt des neuen Wunderautos mitzuerleben. Gebaut von Alan Jenkins, mit charakteristischem Flügel. Alles verzögert sich, nichts passt. Der Motor zum Beispiel. Oliver: „Ich hör’, der Ferrari-Motor wiegt 132 Kilo – könnt ihr 130 Kilo schaffen?“ Kein Problem. „Und Ferrari dreht angeblich schon 15.000 U/min – auch für euch machbar?“ Natürlich, eine Spielerei für Porsche. Als der Motor das erste Mal nach Milton Keynes geliefert wird, trifft Oliver – sagt er – fast der Schlag: 213 Kilo! Im Vertrag stehen 150… Und der Motor ist, schimpft Oliver, weder stark noch zuverlässig. Das Chassis aber auch nicht.
Porsche kritisiert das Arrows-Auto und verlangt: „Dann müsst ihr eben den Vorjahreswagen einsetzen!“ Oliver tut, als wäre er einverstanden, fügt dem korrigierten Vertrag nur eine Zusatzklausel bei: „… außer, wir werden daran gehindert.“ Weil er genau weiß: Der Vorjahres-Arrows von 1990 hat klarerweise nicht den von der FIA verlangten Crash-Test absolviert. Und zeigt Porsche darum voll Bedauern den Brief, den ihm die Technische Kommission der FIA als Antwortschreiben geschickt hat – mit abschlägigem Bescheid: „Sorry, meine Herren, aber ihr seht, ich darf nicht…“
Eine Geschichte, nur lösbar nach dem Sprichwort „Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende“. Deshalb reist Max Welti nach dem Grand Prix von Mexiko frühzeitig ab, direkt nach Stuttgart, und schlägt dem Vorstand vor, „sich sofort vorläufig aus der Formel-1 zurückzuziehen, weil sonst der Schaden mit Sicherheit zu groß würde“. Es hat ja schon genug gekostet, bestätigt Welti: „So ein Programm einzuleiten und die technische und administrative Vorbereitungen – das kostet immer viel Geld.“ Nach dem siebenten Rennen – in Mexico City – hat auch Oliver genug, baut den erprobten Cosworth-Motor in ein Auto und lässt Michele Alboreto, den alten Haudegen und Vizeweltmeister auf Ferrari, die beiden Autos gegeneinander testen. Aber das kann man ja steuern… Ergebnis: Der Cosworth-Arrows ist um 1,5 Sekunden schneller! Womit die Entscheidung gefallen ist: Alboreto und Caffi fahren die zweite Saisonhälfte mit dem Cosworth-Motor. „Das könnt ihr nicht, dürft ihr nicht!“, poltern die Porsche-Chefs. Das ganze Porsche-Prestige steht auf dem Spiel.“ Worauf Oliver droht: „Gut, dann trommle ich beim letzten Europarennen in Jerez die Weltpresse zusammen, sag’ ihnen die ganze Wahrheit und leg’ euren Motor öffentlich auf die Waage. Von mir aus euren leichtesten – der hat immer noch 192 Kilo.“
Porsche ist entsetzt und stimmt der Cosworth-Idee zu. Aber was sich hinter den Kulissen abspielt, bleibt lang ein Geheimnis. Vorstandsvorsitzender Arno Bohn und Max Welti, sein Rennleiter, fliegen gemeinsam nach Osaka, um heimlich den Arrows-Besitzer Ohasi aufzusuchen. Und überfallen den Japaner mit einem sensationellen Geisterprojekt: Ohasi soll sein ganzes Geld von Arrows abziehen und samt Motor zum neu gegründeten Formel-1-Team von Jordan überlaufen. Eine Todsünde in der Formel-1? Schon McLaren hat TAG seinerzeit Williams abspenstig gemacht, und keiner hat sich aufgeregt. Ohasi hört sich alles in Ruhe an, dann greift er zum Telefon und ruft Oliver in England an: „Hast du am Donnerstag Zeit zum Abendessen? Gut – 20 Uhr beim Chinesen in Victoria.“ Und dort die Frage: „Willst du die unglaubliche Story vor oder nach dem Essen hören?“ Oliver will sofort. Ohasi erzählt vom geheimen Besuch – und Oliver wird blass. Aber der Japaner weiß schon, was als nächstes zu tun ist: „Du rufst einfach Mister Bohn an und sagst ihm in meinem Namen ab.“ Noch nie hat Oliver so vergnüglich zum Telefon gegriffen wie damals im Sommer 1991, als er Stuttgart wählt und Herrn Bohn verlangt. „Herr Bohn, ich ruf’ Sie im Auftrag von Mister Ohasi. Er lässt Ihnen sagen: Nochmals vielen Dank für ihren freundlichen Besuch in Osaka. Ihre Idee mit Jordan findet er zwar sehr interessant – aber er macht es nicht!“ Die Schrecksekunde in Stuttgart ist total, erinnert sich Oliver.
Zum nächsten Meeting Ohasi – Arrows – Porsche kommen nur noch die Anwälte: „Zehn auf jeder Seite. Und sie haben sich nur noch angeschrien.“ Ohasi bekommt seine 25 Millionen Dollar auf Mark und Pfennig zurückgezahlt. „Ein Fehler von dir“, rügt ihn Oliver, „du hättest das Doppelte verlangen müssen!“ Ohasi lächelt unergründlich: „Jackie, ich hab’ zu Hause in Osaka ein paar Terrier im Garten. Du bist genauso scharf wie meine Hunde…“
Und wie geht es Porsche? Nicht gut damals. Und der erste prominente Kopf, der fällt, ist der Kopf des damaligen Entwicklungsvorstands Dr. Ulrich Bez. Der erste der gehen muss – ob das die F1 die Hauptsache ist oder nur noch das Pünktchen auf dem i, weiß man nicht. Und der zweite, der gehen muss, wobei die F1 mit Sicherheit nur eine zweitrangige Rolle gespielt hat, ist der Vorstandsvorsitzende Arno Bohn.
Oliver hat sein Team 1991 an Ohasi zwar verkauft, aber längst wieder von ihm zurückgekauft. „So stand’s im Vertrag. Alles ehrlich und korrekt. So trickreich, wie man Briatore, Dennis und uns allen immer vorwirft, sind wir gar nicht.“ In seinem geschäftlich besten Jahr – 1991 – hat Oliver einen Umsatz von 35 Millionen Pfund. „Und bin Letzter der Konstrukteurswertung. Du siehst: Geld und Erfolg gehen in der Formel-1 nie parallel. Erinnere dich an Lotus 1978: Mit Andretti/Peterson 1978 die erfolgreichste Formel-1-Saison aller Zeiten – und im Winter verlieren sie ihren Sponsor John Players…“
Dabei hätte Max Welti, der Porsche-Rennleiter, eine goldene Idee: „Warum kauft sich Porsche nicht mit 25 Prozent bei der englischen Rennwagenschmiede Ilmor ein und lässt den Formel-1-Motor dort entwickeln?“ Leider abgelehnt. Aber vier Jahre später tut Mercedes mit dem McLaren-Motor haargenau das gleiche. Und 1996 verkauft Oliver sein Arrows-Team zum zweiten Mal: an Tom Walkinshaw, 1994 noch technischer Direktor bei Benetton, dann Ligier-Chef. (…)