Ich werde noch ein paar Ausschnitte bringen aus Sabine Kehms Buch "MIchael Schumacher". Ich finde das Buch nicht schlecht, für Schumi-Fans der Traum. Für mich aber wird er darin zu sehr verherrlicht. Deswegen auch nur ein paar Auszüge, mal der 1. Teil:
Der öffentliche Schumi
Statt ruhig und ernsthaft empfanden ihn viele als verbohrt und unfreundlich. Bis zuletzt beantwortete Michael Schumacher pflichtbewusst jeder Frage, die ihm gestellt wurde – wenn sie allerdings, was häufig vorkam, zum wiederholten Mal gestellt wurde, konnte er dabei leicht genervt sein. Das waren dann die Momente, in denen er etwas besserwisserisch über den Bildschirm kam. „Für mich war das Spiel mit den Medien sehr schwierig“, sagt Michael. „Eine halbe Stunde Pressekonferenz strengte mich mehr an als ein ganzes Rennen. Das ist einfach nicht meine Welt. Ich bin nicht so ein Schauspieler, und alle versuchen immer, alles in dich hineinzuinterpretieren. Dazu kommt, dass ich keine Gefühle auf Knopfdruck liefern kann. Liefern will. Wenn die Zieldurchfahrt schon seit einer Stunde vorüber war und ich anschließend im 10. Interview war, war meine Freude doch logischerweise geringer.“
Für Michael war es nur schwer zu verstehen, dass er kritisiert wurde für makellose Leistungen, weil sie manchen dann schon wieder zu glatt oder nach außen hin zu unspektakulär waren. Er hat darunter gelitten, als Maschine bezeichnet zu werden, als Roboter oder Computer, auch wenn er das kaum zugeben wird. Der Mann ist sensibel, und deshalb war er innerhalb seines Teams menschlich so anerkannt. Mit den Jahren überzeugte seine authentische Stringenz all die, die sich Mühe machten, genauer hinzuschauen. Selbst die italienischen Tifosi, anfangs dem Deutschen gegenüber extrem skeptisch, hat er dadurch gewonnen. Er könne keine Fehler zugeben ist einer der häufigsten Vorwürfe an Schumacher. Der wiederum fühlt sich dann ungerecht behandelt. Denn er gibt Fehler durchaus zu – aus sich heraus, spontan und offen, weniger, wenn er es mehrmals tun soll oder sich dazu genötigt fühlt.
Er ist mit dem Gefühl aufgewachsen, dass er etwas schuldig sei. Irgendwie war da immer jemand, der dem Sohn eines Handwerkers half, ihn im teuren Motorsport unterstützte, und dem er es daher besonders recht machen musste. Ein Gönner, ein Mäzen, ein Geldgeber. Menschen wie Gerhard Noack beispielsweise, der ihm aus Begeisterung für Michaels Fähigkeiten ein Kart und seine Tuning-Kenntnisse zur Verfügung stellte, oder Jürgen Dilk, der Vater eines gleichaltrigen Jungen, der ihm erst dessen Sportgerät auslieh und später den jungen Michael über Jahre hinweg zu den Rennen mitnahm. Ohne ihn, erzählt Michael, wäre er nie in die Formel-Szene gekommen, weil Dilk im entscheidenden Moment eine Bürgschaft übernahm. Oder Adolf Neubert, bei dem der Jugendliche die Tuning-Tricks ausprobieren konnte. Oder Willi Bergmeister, der ihm in der Lehre als Kfz-Mechaniker freie Tage schenkte, weil er nachvollziehen konnte, wie wichtig Rennfahren für den Teenager war. Dann Eugen Pfisterer und Helmut Daab, die dem jungen Schumacher das erste Cockpit in der Formel-König ermöglichten, wo er mit seinem Fahrer-Kumpel Joachim Koscielniack und Mechaniker Peter Sieber eine „supper Zeit“ erlebte. Oder Gustav Hoecker, der ihm das Auto zur Verfügung stellte. Schließlich Willi Weber, Michaels späterer Manager und seit mittlerweile fast 20 Jahren enger Vertrauter, der ihm unter anderem das Geld für das teure Formel-3 Cockpit erließ. Oder seinem Vater, der seinen Sohn so gut es ging unterstützte und dabei manches Mal über seine Verhältnisse hinaus ging.
Nicht zuletzt deshalb wehrte er sich immer so vehement gegen diese Thesen, die aufgrund fehlender Vergleichbarkeit so unsinnig und gegen diese Fragen, die wegen ihres Absolutheitsanspruchs nicht zu beantworten sind. Wer ist größer: Fangio, Senna, Schumacher? Hill, Clark, Stewart, Rindt? Ist die größere Risikobereitschaft der alten Fahrergeneration bedeutender als das komplexe Technikverständnis der jüngeren? Ist die Fahrkunst höher, wenn man ein schwer zu beherrschendes Auto um eine schwer zu beherrschende Strecke prügelt, oder wenn man eine höchst diffizile Maschine exakt um einen Retortenkurs bewegt? War Schumacher der neue Senna, und Senna der neue Fangio? Schumachers automatisierten Abwehrmechanismus interpretieren viele Beobachter falsch. Manche der alten Haudegen beklagten, der neue Rekord-Weltmeister sei viel zu sehr ein Abbild unserer Zeit: selbstzentriert, unromantisch, erfolgsorientiert, respektlos, perfektionssüchtig. Was sie dabei vergessen haben ist, dass auch die Formel-1 immer nur ein Abbild ihrer Zeit sein kann.
Die Flagge fällt
Es ist 15:37 Uhr, Sonntag, der 10. September 2006, als Michael Schumacher in Monza seinen Rücktritt verkündet. Soeben hat er sein 90. Rennen gewonnen. Eine Zahl, die vor seiner Zeit unvorstellbar erschien in der über 50-jährigen Geschichte seines Sports. Michael sitzt in der sogenannten Unilateralen Pressekonferenz – der Fernseh-Runde, die live in ca. 180 Länder der Welt ausgestrahlt wird, und schluckt. Einmal, zweimal, dann atmet er tief. Später wird er sich daran erinnern, dass er auf einmal ganz ruhig war. Dann sagt er relativ gefasst in die Kamera, dass einmal der Tag kommen musste, an dem alles zu Ende geht. Und das dies der Tag sei. Fernseh-Zuschauer in aller Welt halten kurz den Atem an. Der erfolgreichste Rennfahrer aller Zeiten verabschieden sich von seinen Fans.
Zuvor hatte er sich von seinem Team verabschiedet, über Funk in der Auslaufrunde, als er ihnen verkündete: „Ich möchte euch allen etwas sagen, es ist sowieso kein Geheimnis, die meisten von euch wissen es sowieso. Aber ich möchte, dass ihr es von mir erfahrt, bevor ich mit den Medien spreche. Ich wollte euch sagen, dass ich euch alle so liebe und dass wir eine wunderbare Zeit zusammen hatten. Aber alles muss einmal zu Ende gehen, und so ist dies leider mein letztes Monza-Rennen gewesen, meine letzte Gelegenheit, hier zu feiern – auch wenn ich doch hoffe, dass wir in den letzten 3 Rennen noch gemeinsam feiern werden. Aber auch danach werden wir zusammen bleiben, denn ihr habt einen Platz in meinem Herzen und ich denke, ich habe auch einen in eurem Herzen. Danke für alles, was ihr für mich getan habt. Und jetzt lasst uns konzentriert bleiben und die Sache mit dem Titel beenden.“ Verstohlen wischten sich einige langjährige Mechaniker und Ingenieure in der Ferrari-Box eine Träne aus den Augenwinkeln. Bis zuletzt hatten sie gehofft, dass die Gerüchte über den Abgang ihres Champions nicht wahr seien.
Michaels Abschiedsrennen in Brasilien hatte noch einmal alle Qualitäten gebündelt, die ihn als Rennfahrer ausmachten: unbedingter Wille und Kampfgeist, Unerschrockenheit, Klugheit, Gespür für richtige Entscheidungen, beeindruckendes Fahrgefühl. 70 Sekunden Rückstand hatte er nach dem Reifenplatzer in Runde 9, den er sich beim Zweikampf mit Giancarlo Fisichella zugezogen hatte, eine Ewigkeit in einem Sport, der sich in Tausendstel Sekunden definiert, fast wäre er überrundet worden. An einem Punkt, an dem andere Fahrer innerlich aufgegeben hätten, regte sich in Michael noch einmal der alte Instinkt. Wie entfesselt raste er durch das Feld auf dem 4. Platz. Unaufhaltsam arbeitet er sich durchs Feld, schluckt einen Gegner nach dem anderen, zuletzt mit Kimi Räikkönen seinen Nachfolger bei Ferrari. Ein symbolischer Überholvorgang als hätte die Verhangenheit die Zukunft besiegt.
Schumacher zum Rücktritt: „Das erste Gefühl des Aufhörens hatte ich beim ersten Rennen in Bahrain. Am Samstag kurz nach dem Qualifying. Denn da ist etwas passiert, woran ich nie bewusst gedacht hatte: Ich hatte Ayrton Sennas Rekord erreicht. 65 Pole Positions. Das war wie eine Zäsur. Ich weiß auch nicht, die Geschichte von Ayrton ist eine Geschichte, die mich immer verfolgt hat. Jedes Mal, wenn ich damit konfrontiert werde, werde ich sehr emotional. Damals schon in Monza 2000, als ich mit 41 Siegen mit Senna gleichzog, und in Bahrain war das wieder so. An diesem Nachmittag jedenfalls stand da plötzlich diese Marke. Nicht, dass das ein Ziel für mich gewesen war, im Sinne von: Ich fahre jetzt so lange, bis ich diese 65 Pole Positions geknackt habe. Aber als es dann passiert ist und ich auch noch wusste, dass wir eine gute Saison haben würden, hatte ich einfach das Gefühl, dass jetzt ein guter Zeitpunkt zum Aufhören sei.“