McLaren vs. Ferrari 1976
(danke an Peterson 78, torino):
Erinnert an die Saison 2007, nur dass es bei Ferrari damals teamintern Stunk gab, wie auch heute bei McLaren Mercedes: Teamleiter Daniele Audetto, der im Vorjahr noch erfolgreich für die Rally-Abteilung von FIAT verantwortlich zeichnete, entwickelte schon im dritten Rennen in Long Beach, wie es Niki Lauda nannte "den Alfred Neubauer-Komplex" (ehemaliger Mercedes-Rennleiter). Vor dem Start meinte Audetto zu Lauda, es wäre ja schön "wenn heute mal der Clay" gewinnen würde. Niki war außer sich - er hatte zwar keinen Nr.1 - Vertrag wie Schumi, aber immerhin mit zwei Siegen der überlegene WM-Leader. Warum also einen möglichen Sieg verschenken und sich gegenseitig Punkte wegfahren ? Dass Regazzoni dann doch gewann, war für viele überraschend. Der Tessiner galt nicht unbedingt als Strassenkurs-Spezialist, wie er in Monaco schon häufiger unter Beweis gestellt hatte. Also, es krachte irgendwie im Gebälk - schon in Südafrika war Lauda von Enzo Ferrari aus dem fernen Maranello über Teamchef Audetto angeranzt worden, weil er das defekte elektronische Zeitmess-Gerät des Teams kritisiert hatte...
Vor dem GP Spanien dann der nächste Paukenschlag: Niki Lauda, der amtierende Weltmeister, hatte sich am Ostermontag bei Erd-Arbeiten an seinem Haus mit einem Traktor überschlagen und sich die Rippen gebrochen. Bei Ferrari begann man sensibel wie immer, bereits nach einem Ersatz zu suchen... Das Rauschen vor allem im italienischen Blätterwald schwoll zu einem Orkan an, als Lauda durch einen Satz die peinliche Suchaktion von Ferrari (man hatte unter anderem fast öffentlich bei Peterson, Fittipaldi (Bei Fittipaldi bot Ferrari sogar an, Copersucar Werbung auf den Wagen zu kleben.) und Andretti angefragt) beenden wollte. Nachdem die 3 Topfahrer fast schon entrüstet abgesagt hatten (Zitat Andretti: "Ich falle doch einem Kollegen nicht so in den Rücken"), forderte die italienische Presse mit Riesenlettern einen Landsmann ins Cockpit, woraufhin Lauda provokativ meinte: "Italienische Rennfahrer können doch nur um den Kirchturm fahren..." Der anschließende Wirbel hätte kaum größer sein können. Der Auftakt der Europa-Saison im spanischen Jarama wurde also mit Höchstspannung erwartet und sorgte für Aufsehen als es dann endlich losging: Im Cockpit des Ferrari mit der Nummer 1 niemand anders als...Niki Lauda ! Der Österreicher hatte sich in die Hände des Wunderheilers Willy Dungl begeben, trug zwar ein Korsett, das die Rippen zusammenhielt, fuhr aber auf Anhieb in die erste Startreihe. Das Rennen begann mit einem furiosen Start von Niki Lauda, dem die Zeitungen immer mehr den Ruf des eiskalten, arroganten "Computers" anhängen wollten. Doch Lauda war auch nur ein Mensch und musste den McLaren-Fahrer James Hunt dann doch in der 31. Runde (!) vorlassen, als sich ausgerechnet vor einer langsamen Kurve die Rippen schmerzhaft meldeten. Später lies er noch Hunts Teamkollegen Jochen Mass durch, der aber mit Motorschaden aufgeben musste. Der glückliche Sieger (endlich gewann ein anderes Auto als Ferrari) war also James Hunt...bis zur technischen Abnahme nach dem Rennen durch die Kommissare. Was dabei herauskam, waren 1,8 cm Über-Breite. Die logische Folge: Lauda als zweiter wurde zum Sieger erklärt, McLaren legte zwar Protest ein - an einen Erfolg dessen wollte angesichts der klaren Fakten kaum jemand glauben.
Die nachfolgenden zwei Rennen im belgischen Zolder und in Monte Carlo gerieten wiederum zur Ferrari-Oper: Doppelsieg in Zolder (Lauda vor Regazzoni) und Start-Ziel-Sieg von Lauda im Fürstentum. Die zu Saisonbeginn so starken McLaren waren nach der Jarama-Disqualifiktion nirgendwo und kein geringerer als Lotus Boss Colin Chapman rief dem Österreicher in der Auslaufrunde zu "Da kommt der alte und neue Weltmeister". Die Tabelle schien das mehr als deutlich zu bestätigen:
1. Lauda, 51 Punkte
2. Regazzoni, 15 Punkte
7. Hunt, 6 Punkte
In Maranello herrschte also eitel Sonnenschein - im Blätterwald ließen sich selbst seriöse und ernsthafte Journalisten zu Schlagzeilen hinreißen wie "Schon wieder Lauda..." oder "Formel Langweilig wg. Lauda". Jeder dachte, die Saison würde so weitergehen - Monaco sollte aber vorerst der letzte Sieg des Nikolaus Andreas Lauda gewesen sein.
Die Geschichte des GP Frankreich ist schnell erzählt, beinhaltet jedoch eine Sensation: Erstmals seit Spanien 1975 schieden beide Ferrari durch technischen K.O. aus. Sowohl bei Lauda als auch bei Regazzoni zerriss es die sonst so unverwüstlichen 12-Zylinder - beide hatten Riesenglück, das Aus kam jeweils bei Höchstgeschwindigkeit. Das McLaren Team hingegen war wieder da: James Hunt gewann wie Phoenix aus der Asche sein erstes Rennen für den neuen Arbeitgeber.
Schon am nächsten Tag, dem 5. Juli 1976 gab es die nächste Klatsche für die Scuderia. Das FIA Berufungsgericht entschied in Paris, dass James Hunt der rechtmäßige Sieger des GP Spaniens sei und lediglich eine Geldstrafe von 3000 Dollar erhielt. Der Fahrer sei nicht dafür verantwortlich, dass ein zu breiter Wagen eingesetzt wurde. Jubel bei McLaren über die unerwartet zurück gewonnenen 9 Punkte - Entsetzen und Fassungslosigkeit bei Ferrari und Lauda. "Da lass ich mir einen 5-Liter Motor einbauen und gewinn jeweils für 3000 Dollar überlegen die Rennen" - Eine Äußerung, auf die beim nächsten GP in England prompt reagiert wurde. Aber dazu später.
In Brands Hatch herrschte eine merkwürdige Spannung - die englische und italienische Presse hatten bereits im Vorfeld den GP zum "Rennen des Jahres" erkoren und in der Tat setzten sich die Skandale in Großbritannien fort. In der ersten Kurve touchierte Regazzoni den führenden Lauda und drehte sich ins ihm entgegenkommende Feld. Hunt hüpfte meterweit durch die Luft, nachdem er über ein Rad von Regazzoni gefahren war. Es gab zwar ein Riesen-Chaos, Laffite rodelte von der Piste, aber ansonsten war die Strecke frei. Regazzoni und Hunt hatten sich in Auslaufzonen gerettet, wobei Hunt sogar auf einem Abschneider direkt an die Box fuhr. Die Rennleitung entschied jedoch kurioserweise (oder war es wegen Hunt?) das Rennen abzubrechen und neu zustarten. Damals gab es allerdings die Regelung, dass ein Neustart nicht mit dem Ersatzwagen erfolgen darf - was die Kommissare in Richtung Hunt-Fans auch über Lautsprecher verkünden ließen. Tumultartige Szenen spielten sich auf den Rängen ab - der Mob fühlte sich um ein Vergnügen betrogen. Der GP wurde dann doch noch irgendwann gestartet (man hatte sogar die Zeit, den Unfallwagen von Hunt zu reparieren) - und endete mit dem Wunschergebnis der englischen Fans: Hunt vor Lauda. Ferrari, durch die FIA Fehlentscheidung von Paris sowieso gereizt bis zum geht nicht mehr, legte Protest ein, weil Hunt die erste Runde wegen des Abschneiders nicht vollständig absolviert hatte. McLaren im Gegenzug hatte den Renn-Kommissaren gesteckt, am Motor von Lauda stimme etwas nicht - die Folge: Der Ferrari-Motor wurde ausgelitert mit dem Ergebnis "völlig in Ordnung", nur erlaubte 3 Liter Hubraum. Die Entscheidung, wer nun der Sieger des GP Englands war, musste am grünen Tisch fallen. In dieser aufgehitzten Stimmung machten sich die Teams zum Nürburgring auf. Der GP Deutschland sollte diese Saison noch weiter durcheinander wirbeln.
Die Hochstimmung der frühen Saisontage war in Maranello nach den Grand Prix Frankreich und England einem Chaos gewichen. Der Commentatore himself kritisierte seine Fahrer in der Presse. Regazzoni war nach den indiskutablen Leistungen in Monaco (Rauswurf des Autos in völlig ungefährdeter Position), Schweden (glücklicher 6. Platz) und England (Karambolage mit Lauda) unten durch. Zudem sorgte das Privatleben des Tessiners für Unzufriedenheit beim katholischen Enzo: Der verheiratete Clay nahm es mit der ehelichen Treue nicht so genau und ließ sich auch noch von Paparazzi dabei erwischen. Dass er für seine Jeansmarke, die er herausbrachte, dann auch noch das Ferrari-Firmenzeichen verwendete, brachte das Fass zum Überlaufen. Doch auch Lauda bekam ordentlich sein Fett weg. Ausgerechnet Lauda, der das Team mit seiner unermütlichen Testarbeit und Finesse wieder an die Spitze gebracht hatte. Er hatte es gewagt, Dinge beim Namen zu nennen und sich mit Konstrukteur Mauro Forghieri anzulegen. Der Österreicher bemerkte einen gewissen "Schlendrian" und Überheblichkeit und warnte vor den Folgen (die nicht mehr so ganz große technische Überlegenheit wurde durch Fahrereinsatz wettgemacht). Mit einer Brandrede bei Enzo brachte Lauda das Schiff wieder auf Kurs und versöhnte den störrigen alten Mann mit einer Vertragsunterzeichnung für 1977.
Der Nürburgring mit seinen 22,8 Kilometern Streckenlänge war bei den F1 Teams schon lange in der Diskussion und bereits 1975 gab es ein Übereinkommen, nur noch 1976 auf der alten Strecke zu fahren. Dann sollten vom Veranstalter extreme Umbauten vorgenommen werden. Die deutschen Veranstalter (Hauptsächlich hier der AVD mit dem Vorsitzenden Huschke von Hanstein) und Politiker wollten das irgendwie nicht verstehen und machten die Kritik an den mangelnden Sicherheitsvorkehrungen lächerlich. Ziel des hämischen Spotts war vor allem Niki Lauda. Auf einmal war er nicht mehr der eiskalte Computer, sondern ein Weich-Ei. Was den Österreicher dann am Ring erwartet, kann man nur als Kesseltreiben bezeichnen. Überall hingen Lauda-Schmäh-Plakate und Spruchbänder. Lautstark skandierten Fans gegenüber den Boxen "Der Ring ist gut - Lauda nimm den Hut". Davon ließ der sich aber nicht beeinflussen und stellte den Ferrari neben den McLaren von James Hunt in die erste Startreihe. Das persönliche Verhältnis der beiden hatte durch die Skandale keineswegs gelitten - und so sah man James und Niki während der Trainingstage immer wieder freundschaftlich miteinander reden. Damit wollte der Weltmeister wohl auch sein ungutes Gefühl vertreiben.
Der Große Preis von Deutschland auf dem Nürburgring schickte sich an diesem 1. August 1976 an, ein ganz tolles Rennen für die rund 130.000 Fans zu werden. Denn nach der ersten von 14 Runden führte ein Deutscher, Jochen Mass auf McLaren das Rennen mit Minutenvorsprung an - der ungeliebte Österreicher auf Ferrari krebste im hinteren Mittelfeld rum. Was war passiert ? Bis kurz vor dem Start nieselte es ganz fein und so zogen alle Fahrer Regenreifen auf - außer halt "Herman the German", wie Mass von Hunt genannt wurde. Jochen hatte kurz vor dem Start in Richtung Nürburg geschaut - als alter Ringkenner setzte er voll auf Poker. Nach der ersten Runde kam dann quasi das komplette Feld an die Boxen - zur damaligen Zeit ein Chaos, wie es im Buche stand. Auch Lauda wechselte auf Slicks und gab dann ordentlich Gas. Eine Analyse der Zeitmessung ergab hinterher, dass der Weltmeister irrsinnig schnell unterwegs war - schneller noch als auf seiner Rekordrunde aus dem Vorjahr, wo er unter der magischen 7-Minuten-Grenze geblieben war. An der McLaren-Box wurde schon heftigst nachgedacht, wie man Hunt den Sieg zuschanzen konnte, ohne für einen Volksaufstand zu sorgen, als plötzlich über der Bergwerks-Ecke dicke Rauchschwaden zu sehen waren. Kurz nach dem Linksknick bei Kilometer 10,5 war Niki Lauda von der Strecke abgekommen, war mit Tempo 260 in die Felsböschung gerast, die nur mit einem Fangzaun gesichert war. Dabei verlor er nicht nur seinen Helm, der Wagen fing sofort Feuer und schlitterte quer über die Fahrbahn. Harald Ertl und Guy Edwards schrammten gerade noch am brennenden Wrack vorbei - Brett Lunger mit seinem Surtees rammte den Ferrari jedoch mittschiffs und schob in noch ein bißchen weiter. Dann kam auch schon der Rest des Feldes, zunächst Arturo Merzario, dann Hans-Joachim Stuck, der sofort dem Feld entgegen rannte und wie wild mit den Händen winkte, um die Gefahr zu signalisieren. Merzario und die drei anderen retteten Lauda vor dem sicheren Flammentod. Die herbei geeilten Rettungskräfte der ONS hatten dazu nicht die entsprechende Kleidung. Lauda hatte es übel erwischt - nicht nur sein Gesicht war verbrannt, sondern er röchelte nur noch, weil er die Dämpfe des verbrennenden Benzins und der Kunststoffverkleidung rund 50 Sekunden eingeatmet hatte. Und wenn nicht Stuck mit einer Bravour-Tat den Fahrer des Rettungswagen dazu gebracht hätte, gegen die Fahrtrichtung gleich zum nahegelegenen Adenauer Krankenhauses zu fahren, wer weiss, ob Lauda überlebt hätte.
Das Rennen wurde nach einer Stunde neu gestartet - nicht mehr dabei waren neben Lauda Stuck (Defekt) und Chris Amon, der spontan angesichts des Crashs seine F1Laufbahn beendete. AvD-Vorsitzender Huschke von Hanstein liess unterdessen mitteilen, Lauda gehe es schon wieder besser, er hätte eine Gehirnerschütterung und scherze bereits mit den Krankenschwestern. Eine Unglaublichkeit, die wohl eher dem Wunschdenken entsprach. Sieger des GP wurde James Hunt, der durch die Siege in Frankreich und England wieder Morgenluft in Sachen WM-Titel geschnuppert hatte.
5 Tage kämpfte Niki Lauda auf der Intensivstation einer Mannheimer Spezialklinik um sein Leben...und als er es geschafft hatte, kam eine Nachricht aus Maranello, die wie eine Bombe einschlug: Enzo Ferrari verkündete den Rückzug der Scuderia vom F1-Sport. Als Begründung wurden die Rennskandale in Jarama und Brands Hatch angegeben. Eine völlig überzogene Reaktion, die die Veranstalter des Großen Preises von Österreich ins finanzielle Chaos stürzten. Ferrari und Lauda waren schließlich die Zugpferde für Publikumsbesuch in der Steiermark. Also erstmals seit vielen Jahren ein GP ohne rote Autos aus Maranello und das war nicht die einzige Überraschung am Österreich-Ring...
Ohne Lauda und gar ohne Ferrari - angesichts dieser Tatsachen war das Publikums-Interesse am Großen Preis von Österreich mehr als halbiert. Man erwartete einen langweiligen Start/Ziel-Sieg des Lauda-Konkurrenten James Hunt, der zwar auch wie geahnt auf der Pole stand. Mit John Watson, Ronnie Peterson, Jaques Laffite und Gunnar Nilsson standen vier siegeshungrige Piloten neben und hinter Hunt. Endlich konnten sie auch mal ein Wörtchen im Spitzenfeld mitreden. Vor ziemlich leeren Rängen gab es ein Rennen, dass die wenigen Zuschauer von den Sitzen riss. Prompt verpatzte Hunt nämlich den Start und ehe er sich versah, war er auf Platz 4 zurückgefallen.
Wer vor dem Rennen auf den Penske-Rennstall gewettet hatte, konnte sich ein ordentliches Sümmchen einstecken. Selbst für Watson kam der Sieg derart überraschend, dass er eine im Leichtsinn ausgesprochene Behauptung "wenn ich heute gewinne, rasiere ich mir den Vollbart ab" mit Freuden wahrmachte. Laffite auf Ligier und Nilsson auf Lotus auf den Plätzen. In seinem Haus in Salzburg freute sich Lauda - Hunt landete abgeschlagen auf dem vierten Platz.
Ferrari verfolgte eine merkwürdige Taktik, um doch noch den WM-Titel einzufahren: Erst der Rückzug, dann versuchte man aus Maranello den Veranstaltern nahezulegen, den GP Österreich abzusagen (mit der Begründung, damit würde man Lauda, also dem Landsmann helfen) und schließlich schickte man mit Regazzoni nur ein Auto nach Holland, um Hunt Punkte wegzufahren. Zudem beteuerte man gegenüber Lauda "Dein Cockpit wird immer für Dich freibleiben", suchte aber zeitgleich ungeniert nach einem Nachfolger.
In Zandvoort kam das zum Tragen, was Lauda dem Commentatore schon nach Brands Hatch schonungslos ins Gesicht schrie: Das Auto war aufeinmal nicht mehr State of the Art. Regazzoni krebste auf Rang 15 herum, weil in der Zwischenzeit jegliche technische Entwicklung ruhte. Forghieri reagierte panisch und unfair: Statt den in Zandvoort ausgegeben Reifen liess er alte mitgebrachte Reifen aus Brands Hatch montieren. Die Konkurrenten beschwerten sich lautstark, unterliessen aber einen Protest. Ob das andersrum auch so gelaufen wäre ? Wie dem auch sei, Regazzoni stand plötzlich auf Startplatz 5 und wachte im Rennen erst in den letzten 4 Runden so richtig auf - Den Sieg von Hunt, der sich zuvor das Duell des Jahres gegen John Watson geliefert hatte, konnte er nicht verhindern. Im österreichischen Salzburg wurde dann jemand äußerst aktiv...
Der Sieg von James Hunt in Zandvoort mobilisierte die langsam erwachenen Kräfte von Niki Lauda enorm. Er wollte zunächst erst beim GP Kanada wieder ins Ferrari-Cockpit steigen, aber ein Blick auf auf die WM-Tabelle machte sofortiges Handeln nötig:
1. Lauda 58 Punkte
2. Hunt 56 Punkte
3. Scheckter 36 Punkte
Gemeinsam mit Fitness-Guru Willy Dungl bereitete der Österreicher sein Comeback in den Grand Prix - Sport vor - ein Comeback, dass von fast allen Beteiligten und Fans als absolute Sensation gewertet wurde. Ganze 5 Wochen nach seinem Feuer-Unfall stieg Lauda in Fiorano fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit für 30 Runden wieder in den Ferrari 312 T 2. Danach stand für ihn fest: "Ich bin immer noch in der Lage, einen F1 Wagen zu fahren". Was ihn lediglich ein bißchen störte, waren die Brandwunden und die schmerzenden Überreste seines rechten Ohrs. Ein Spezialhelm mit einer Art eingebauten Kopfhörer sollte für Abhilfe schaffen. Großartige moralische Unterstützung durch Ferrari erfolgte nicht, im Gegenteil. Man kann es sicherlich schon als Affront bezeichnen, dass die Scuderia für den GP Italien Carlos Reutemann noch mit ins Team holte. Der hatte sich mit Bernie Ecclestone bei Brabham endgültig überworfen und witterte in Maranello die Möglichkeit, doch noch F1-Weltmeister zu werden...
Man konnte sich wirklich wundern über die eigenartigen Entscheidungen des Commentatore: Gleich 3 Wagen wurden in Monza aus den Transportern gerollt. Nein, von wohl überlegter Taktik zeugte diese Aktion wohl kaum, eher von Torschluss-Panik. Lauda hatte man zumindest im Hinterkopf schon abgeschrieben - Enzo wurde in der italienischen Presse diesbezüglich so zitiert. Ja, sogar die Rennleitung schickte Lauda zunächst nochmal zur ärztlichen Überprüfung, obwohl er die entsprechenden Atteste bereits vorgelegt hatte.
Doch ausgerechnet der schon abgeschriebene Österreicher zeigte mit Startplatz 5 die beste Leistung des Ferrari-Trios, was ihn sicherlich für das Rennen noch mehr motivierte. Seinem großen Rivalen James Hunt versuchte man indes, mit ganz anderen Mitteln Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Von wem auch immer angestossen, gab es plötzlich bei einigen Teams stichprobenartige Tests des verwendeten Benzins. Statt der erlaubten 101 Oktan wurden bei McLaren 101,6 und bei Penske sensationelle 105,7 gemessen - wobei an der Messmethode nicht nur von den Teams gezweifelt wurde...Resultat der Aktion: Die Samstagszeiten wurden Hunt, Mass und Watson gestrichen. Für das Trio galten die im nassen Freitagstraining erzielten Zeiten und damit waren alle drei nicht qualifiziert. Dass denoch beide McLaren und der Penske starteten, war der Tatsache zu verdanken, dass drei Hinterbänkler "freiwillig" auf den Start verzichteten. Nun, da mag mit Sicherheit der ein oder andere Dollar den Besitzer gewechselt haben...
Genutzt hat diese Aktion nichts - Hunt und Mass schieden unter dem Johlen der italienischen Fans aus, Watson kam als 11. ins Ziel. Star des Wochenendes war jedoch Niki Lauda, der seinen Ferrari 6 Wochen nach seinem schweren Unfall auf Platz 4 steuerte. Überraschungssieger war Ronnie Peterson: Endlich einmal hielt sein March eine komplette Renndistanz durch - wie wäre wohl der Titelkampf gelaufen, wenn dies öfter der Fall gewesen wäre ?
12 Tage nach dem italienischen GP gab es für Ferrari und Lauda noch drei Pünktchen vom FIA-Berufungsgericht aus Paris. Hunts Sieg beim englischen GP wurde aufgehoben, Lauda als Sieger offiziell gewertet. Der WM Titel schien für den schwer gebeutelten Österreicher doch noch machbar.
Der Rückschlag folgte auf dem Fuße: Den kanadischen Grand Prix auf der Holperpiste von Mosport gewann Hunt souverän, während die Ferrari (jetzt wieder als Zweierteam Lauda/Regazzoni) mit argen Fahrwerks- und Reifenproblemen zu kämpfen hatte. Regazzoni holte gerade einen Punkt, Lauda ruderte auf Rang 8 ins Ziel.
Auch in Watkins Glen war von der Stärke der Ferrari zu Saisonbeginn nichts zu sehen. Bei eiskaltem Wetter um die drei Grad heizten sich die Reifen am 312 T 2 schlecht auf, die kaum erfolgte technische Weiterentwicklung zeigte sich deutlich - Der McLaren M 23 von Hunt fuhr dagegen fast wie auf Schienen...und so war es mehr als ein Wunder, dass Lauda doch noch Platz 3 einfuhr. Hunts Punktekonto wurde die Höchstpunktzahl gutgeschrieben - Die Tabelle sah also vor dem letzten Lauf im japanischen Fuji so aus:
1. Lauda 68 Punkte
2. Hunt 65 Punkte
Nur drei Punkte Vorsprung, aber der Titel war trotz des desaströsen Verlaufs der zweiten Saisonhälfte immer noch zum Greifen nah...
Das Finale fiel beinahe ins Wasser: Heute würde unter solch widrigen Bedingungen (Sicht für die Fahrer ab Platz 2 nahezu null) sicherlich kein Grand Prix gestartet. Der Druck der 70.000 Zuschauer und der Veranstalter/Teamchefs war jedoch so groß, dass zwar spät, aber dennoch gestartet wurde. Hunt ging von der Pole sofort in Führung.
Nach zwei Runden hatte Lauda genug. Am Nürburgring war er dem Tod durch glückliche Umstände noch von der Schippe gesprungen - jetzt wollte er nicht im Regenchaos die Schutzengel erneut um Mithilfe bitten. Als er an die Box fuhr, erwarteten ihn fragende Gesichter. "Was ist los ?" fragte Audetto. "Es gint wichtigeres als die WM, nämlich zu leben" antwortete Lauda und zog sich den Helm ab. Audetto flehte nahezu: "Sag, es war ein Motorschaden, oder sonstwas - wir bestätigen alles".
Nikolaus Andreas Lauda bestand jedoch auf der Wahrheit (und handelte sich in Maranello einen Riesenärger und Probleme ein) und verlor die WM an den Rivalen James Hunt ohne Ausreden. Hunt selbst wusste angesichts des Chaos-Regenrennens zunächst nicht, dass er auf Platz 3 ins Ziel kam (4 Punkte) und somit Weltmeister war. Erst als die Rennleitung dies offiziell mitteilte, begann eine große Party - von der Lauda nichts mitbekam: Er war zu diesem Zeitpunkt schon auf dem Heimflug und seine Gedanken waren sicherlich mehr als einmal bei dieser langen, ermüdenden, von Skandalen nur so strotzenden Saison 1976.