Tragatsch hat sicherlich Recht mit dem was er schreibt, aber nach meiner Meinung hat hat er den Begriff "Grand Prix" hier etwas überstrapaziert. Entweder wusste er nicht, dass es sich um ein reines Sportwagenrennen handelte, oder er hat es bewusst weggelassen, um die Bedeutung des geschilderten Vorfalls zu erhöhen. Sicherlich, der offizielle Titel war "Irish Grand Prix", es war allerdings ein Sportwagenrennen. Da es 1929 keine offizielle GP-Formel gab, ist es natürlich schwer den Unterschied zwischen Renn- und Sportwagen zu definieren, aber ich habe ein Bild vom Start, auf dem klar zu sehen ist, dass die Fahrzeuge Kotflügel haben, und dass ein Beifahrer an Bord war. Hinzu kommt die Handicapwertung.
Die Wertung als "Irish Grand Prix" dürfte sekundär gewesen sein, primär waren wahrscheinlich die Einzelrennen, also der "Saorstat Cup" und der "Eireann Cup". Wenn diese Trennung auf der hohen Teilnehmerzahl begründet war, dann hätte man höchstwahrscheinlich 2 Vor- und einen Endlauf veranstaltet, und ausserdem wäre es dann nicht möglich gewesen, in beiden Rennen zu starten. Neben Ivanovski gab es nämlich auch noch andere Doppelstarter, wie z.B. George Eyston (Riley 9 / Bugatti 43). Ich glaube übrigens nicht, dass Ivanovski 2 verschiedene Autos an den Start brachte, sondern wahrscheinlich nur 2 verschiedene Motoren.
Die "Gesamtwertung" wäre ohne das Handipcap-Prinzip überhaupt nicht möglich gewesen. Man stelle sich einen (modernen) Motorrad-GP vor, bei dem der Schnellste aus allen Klassen zum Gesamtsieger erklärt wird, im Prinzip ein Unding. Aber durch die Handicapwertung konnte es sein, dass der Sieger in einer kleinen Klasse "schneller" als die Grossen war. Die Handicaps wurden unterschiedlich praktiziert, aber in der Regel wurde jedem Fahrzeug eine Durchschnittszeit oder -geschwindigkeit zugeteilt, die auf den erzielten Trainingszeiten beruhte. Das schnellste Fahrzeug war das sogenannte "Scratch", auf das die Handicapzeiten der anderen berechnet wurden. Die Briten fanden dieses System sportlich und fair, aber ich habe da so meine Bedenken. Wenn jemand nämlich unsportlich war, und im Training bewusst relativ langsame Zeiten vorlegte, dann hatte er gute Chancen auf den späteren Sieg. Ein gutes Beispiel hierfür ist der GP von Südafrika 1937, Rosemeyer mit seinem AU hatte "Scratch" mit 108 mph, sein Teamkamerad von Delius kam auf 106 mph, Hans Ruesch auf Alfa 8C-35 hatte 102 mph, und Pat Fairfield mit seinem 1100er ERA 86 mph. Im Rennen fuhr Rosemeyer einen Schnitt von 108,16 mph, also genau seine Scratch-Zeit, von Delius fiel aus, und auch Ruesch fuhr mit 102,735 ziemlich genau sein Handicap. Sieger wurde allerdings Fairfield mit 89,172 mph, was darauf schliessen lässt, dass er eventuell bei den Trainingszeiten etwas geschummelt hat...!
Was den Begriff "Grand Prix" angeht, so kann ich mich nicht erinnern hier jemals eine Defination aufgestellt zu haben. Ich habe nur mehrmals daran erinnert, dass es auch Grand-Prix-Rennen ausserhalb der F1-WM gab, und auch
vor 1950, weil viele jüngere Members anscheinend davon ausgehen, dass ein "Grand Prix" identisch mit einem F1-WM-Lauf sein muss. Eine Definierung des Begriffes "Grand Prix" (bzw. Gran Premio, Grosser Preis, etc.) dürfte unmöglich sein, da früher jedes kleine Rennen "Rund um den Kirchturm" sich mit diesem Titel schmückte. Auch für Sportwagenrennen wurde dieser Begriff oft genug verwendet, und selbst der echte und ursprüngliche "Grand Prix", nämlich der "Grand Prix de l'ACF" (fälschlicherweise meistens als "GP Frankreich" bezeichnet) wurde in den 30er Jahren teilweise als Sportwagenrennen ausgetragen. Und selbst heute gibt es noch den "Macao Grand Prix" für Tourenwagen. Die Flut der GPs versuchte man mit dem Begriff "Grande Epreuve" (Grosse Prüfung) für hochklassige Rennen einzudämmen, aber das ist ein Thema für sich.
Ich persönlich definiere einen "Grand Prix" als ein Rennen für Rennwagen der jeweils höchsten Kategorie, wobei es sicherlich Ausnahmen gibt wie z.B. den Tripoli GP von 1939. Aber das ist rein persönlich, und jeder wird hier wahrscheinlich seine eigene Auslegung haben.
Und wenn Tom noch eine Frage parat hat, dann schiebe ich natürlich ...!