Ja, ein legendäres Auto mit einer noch legendäreren Geschichte. Und diverse Male umgebaut und umkonstruiert:
Bereits im Jahr des Erscheinens gab´s das erste Mal Bedarf dazu, weil die Autos 1926 schon ungeheuer schnell waren, aber aufgrund der Auspufführung auf der Fahrerseite die unangenehme Eigenschaft hatten, ihre Fahrer während der damals noch sehr langen Rennen langsam aber sicher anzuschmoren, so daß diese nie ein Rennen ohne Fahrerwechsel durchgehalten haben.
Hier Senechal und Wagner nach ihrem gemeinsam herausgefahrenen Sieg beim GP England 1926
Also hat Delage-Chefkonstrukteur Albert Lory - hier neben seinem "Baby"
den Motor kurzerhand umgebaut, indem er Einlaß- und Auslaßseite vertauscht hat. Außerdem hat er die Kraftübertragung am Fahrer vorbei geführt, so daß es möglich war, das Auto für damalige Verhältnisse sensationell niedrig zu halten. Entsprechend ware das Team 1927 dann auch unschlagbar und Benoist hat es ja auch geschafft, alle vier Grand Prix der Saison zu gewinnen und der Marke den (damals nur für die erfolgreichste Marke vergebenen) Weltmeistertitel zu sichern.
Benoist in Miramas 1926
Aber das hat auch nix mehr genutzt und am Ende der Saison war Delage praktisch pleite und mußte die fünf Autos an Privatfahrer verkaufen. Zwei blieben in Frankreich, als Eigentum von Louis Chiron (1930 dann an Robert Senechal) und de Rovin, eines ging in die USA (keine Ahnung, an wen), und die beiden anderen nach England, zunächst an Malcolm Campbell. Der hat sie dann später weiterverkauft, eines davon an Earl Howe, der sich damit einigermaßen erfolgreich in der Voiturette-Klasse mit den diversen Maseratis und Bugattis herumgebalgt hat. Das zweite "englische" Auto kam dann später in den Besitz von J.C. Davis.
Howe in Dieppe 1931
Howe hat sein Auto dann 1932 bei einem Crash in Monza zerlegt, so daß nur der Motor gerettet werden konnte. Aber er hatte mittlerweile auch das Auto von Senechal erworben, so daß er weitermachen konnte.
1936 kam dann Seaman zum Zuge, der zwar auf ERA ziemlich erfolgreich gewesen war, aber der Meinung war, daß er sich irgendetwas anderes beschaffen müßte, um sich von der Konkurrenz abzuheben. Ramponi stand zu dieser Zeit bereits in seinen Diensten und angeblich war er es auch, der erkannt hatte, welches Potential in der alten Kiste noch immer gesteckt hat. Gemeinsam haben sie dann Howe so lange bearbeitet, bis er ihnen das Auto verkauft hat.
Mit den Veränderungen, die Egon bereits beschrieben hat, hat dann Seaman den "ramponisierten" (Zitat Nye) Delage 1936 auf die Pisten gebracht und dabei auch gleich ziemlich abgeräumt. Hier noch einmal ein paar Bilder aus der Saison:
Hier beim ersten Erscheinen in Donington
Seamans beide wohl größten Erfolge mit dem Delage, in Bern...
...und in Pescara (Nr. 8)
Mit der anschließenden Aussicht auf einen Mercedes-Werksvertrag (und wohl auch, weil die Konkurrenz von ERA und MAserati natürlich auch nicht stehen geblieben ist), hatte das Auto dann am Ende der Saison seinen Zweck erfüllt und Seaman hat es dann an Prinz Chula verkauft, der ein neues Spielzeug für seinen Cousin gesucht hat.
Da für die beiden Geld wohl keine Rolle zu spielen schien, heuerten sie den "Vater" dieses Erfolgsmodells, den mittlerweile ebenfalls bereits schon legendären Lory (dessen Ruf natürlich mehr auf dieser Konstruktion als auf dem ebenfalls aus seiner Feder stammenden Totgeburt namens "SEFAC" basierte...) an, um aus dem Siegerwagen von 1936 ein unschlagbares Wunderauto für 1937 zu bauen. Vorgabe war, ein ganz neues Chassis zu entwickeln, aber herausgekommen ist praktisch nochmal ganz genau das selbe, nur jetzt halt mit vorderer Einzelradaufhängung an einer querliegenden Blattfeder, die Lory praktisch 1:1 von den damaligen Delage- und Delahaye-Serienmodellen übernommen hat. Das Ganze hat nach Angaben von Chula knapp 8000 Pfund gekostet. Zum Vergleich: Einen ERA B-Type gab´s 1936 schon für 1800 Pfund und den zugegebenermaßen leistungsmäßig etwas im Nachteil befindlichen Maserati 6CM konnte man sogar für weniger als 1100 Pfund erwerben!
Kommentar Earl Howe dazu: "Die Entwicklung eines neuen Chassis mit vorderer Einzelradaufhängung war ein ziemlich überflüssiger Luxus, weil sich das ursprüngliche Fahrgestell bereits so stark durchgebogen hat, so daß es im Effekt einer Einzelradaufhängung schon ziemlich nahe gekommen ist..."
Hier das Ergebnis nach dieser zweiten "Grundüberholung":
Außerdem ist noch zu erwähnen, daß die beiden Märchenprinzen dazu auch noch das zweite übriggebliebene Auto von Davis gekauft haben, sozusagen als rollendes Ersatzteillager.
Mittlerweile waren dann aber die neuen ERAs mit den Zoller-Ladern leistungsmäßig eindeutig im Vorteil, und weil das Chassis ja auch nicht unbedingt ein großer Fortschritt gewesen ist, gab´s ab da keinen einzigen Sieg mehr trotz Biras unstrittiger Talente als Fahrer.
Deswegen ist es wohl kaum verwunderlich, daß das Auto nach 1937 ziemlich nutzlos herumgestanden ist und Chula bei seiner Suche nach einem Interessenten ziemlich erfolglos war.
Erst als Reg Parnell während des Krieges in weiser Voraussicht angefangen hat, alles aufzukaufen, was irgendwie nach Rennwagen ausgesehen hat, ist Chula seine kompletten Delage-Bestände glücklich losgeworden.
Parnell hat dann das ex-Seaman-Auto wieder nahezu in den Zustand von 1936 zurückgebaut, dazu noch ein zweites "Muletto" (mit der Lory-Einzelradaufhängung) und schließlich hat auch der Motor aus Howes 1932er Unfallwagen eine neue Verwendung in Parnells "Challenger-Delage" gefunden.
Die Autos waren unter Parnells Regie in der frühen Nachkriegszeit mit verschiedenen Fahrern unterwegs, Roy Parnell, David Hampshire, Leslie Johnson, allerdings ohne größere Erfolge.
Eines der Parnell-Autos nach dem Krieg.
Nächste Station des ex-Seaman-Delages war dann Rob Walker, der das Auto 1950 gekauft und von Grund auf restauriert hat. Leider ist es dann 1968 beim Brand in Walkers Garage ein Raub der Flammen geworden, so das Auto - wenn ich richtig gezählt habe - zum insgesamt siebten Mal komplett neu aufgebaut werden mußte!
Mir ist kein anderes Auto bekannt, das da auch nur annähernd rankommt...