Michaels Tipp ist glaube ich gar nicht so schlecht - obwohl auch ich das Fahrzeug noch nie gesehen habe.
Hier auch endlich der bereits angekündigte Nachtrag zum Neander - viel altebekanntes aber auch manches neue (sowie drei Bilder) finden sich bei Erwin Tragatsch:
Es ist interessant zu beobachten, dass zahlreiche Schöpfer von Kraftfahrzeugen oft mehr Künstler als reine Techniker waren. Ettore Bugatti und Harry A. Miller, zwei der berühmtesten Schöpfer von erfolgreichen Rennwagen, gehörten hierzu. Und auch Ernst Neumann-Neander, der ab 1937 in Düren-Rölsdorf seine Sportwagen - als "Fahrmaschinen" infolge ihrer unorthodoxen Konstruktion bezeichnet - baute, war ein von vielen und teilweise gesunden Ideen besessener Künstler, der oft Fahrzeuge schuf, die seinen theoretischen Vorstellungen entsprachen, die aber, vom kommerziellen Standpunkt aus gesehen, viele Wünsche offen liessen. Von Beruf war Ernst Neumann-Neander Grafiker, Bildhauer und Maler, und einige seiner Schöpfungen auf technischen Gebieten lagen in einem ähnlichen Verhältnis wie Leonardo da Vinci zu Picasso. Schliesslich war Neumanns Vater Professor an der Kasseler Kunstakademie!
Ernst Neumann-Neander begann 1910 mit dem Entwurf von Karosserien (z.B. für Szawe), 1923 wandte er sich der Konstruktion und dem Bau unkonventioneller Motorrad-Fahrgestelle zu, gründete eine eigene Motorradfabrik und verkaufte dann die Lizenz seiner Duralumin-Fahrgestelle auch an Opel. Ständig mit neuen Schöpfungen beschäftigt, entwarf er nicht nur weitere ungewöhnliche Fahrgestelle für Motorräder, sondern 1935 auch kleine Drei- und Vierradwagen mit Motorradmotoren und Fahrgestellen, bei denen sich in Kurven der Rumpf derselben, aber nicht die Räder neigten. Im Laufe der Entwicklung schuf er dann aber auch Vollneiger, bei denen sich Räder und Karosserie zusammen in die Kurven legten. Diese Fahrzeuge wurden vorerst mit 500-ccm- und 600-ccm-JAP- und MAG-Motorradmotoren, später jedoch mit 1.000-ccm-SV- und OHV-V2-Zylindermotoren der englischen JAP-Werke ausgerüstet.
Mit Zentralrohrrahmen und Pendelschwingachsen ausgerüstet, erwiesen sich die unter 400 kg wiegenden "Monoposto"-Sportversionen mit ihren 55-PS-Motorrad-Rennmotoren als ungemein schnell, und 1938-1939 wurden mit ihnen zahlreiche Rennen in Deutschland siegreich beendet. Die bekanntesten Fahrer waren damals Vollmer (Essen) und der Aachener Motorradrennfahrer Paul Weyres, der nunmehr seinen Neander-Sportwagen mit einem 1.000-ccm-OHV-V-Zweizylinder-Harley-Davidson-Motor ausrüstete. Ernst Neumann-Neander baute 25 derartige Fahrzeuge bis zu Kriegsausbruch.
Fast noch interessanter ist was Rainer Simons in seiner 'Geschichte des Frontantriebs' zum Thema Neander schreibt - vor allem der technische Aspekt klingt sehr aufschlußreich:
Neimann war unter etwas mysteriösen Umständen im Oktober1929 in den Genuß der Geschäftsleitung der Neander GmbH von Ernst Neumann-Neander in Rölsdort gekommen, die sich zu jenerzeit in Liquidation befand. N2, wie ihn seine Freunde zu nennen pflegten, war vor allem durch die Konstruktion der Neander-Motorräder mit Stahlpreßrahmen bekannt geworden, die später von Opel unter dem Namen "Opel-Moto-Club" in Lizenz gefertigt wurden. Neander war aber auch ein fanatischer Verfechter des Fahrmaschinen-Gedankens mit Frontantrieb und hatte schon 1929 mit der Konstruktion von solchen Fahrzeugen begonnen, die nach einem Neugebinn in Rölsdorf ab 1934 zu einer (Mini-)Serie des Neander "Pionier" führten. Merkwürdigerweise tauchten hier wie auch in früheren Prototypen, die schon seit1930 sporadisch bei Renneinsätzen (zum Beispiel unter dem Düsseldorfer Volkhart) aufgetreten waren, die gleichen Konstruktionselemente auf, wie Gummibandfederung und Zentralrohrrahmen. Neander hatte aber bei seinen Fahrmaschinen immer den Umsteiger vom schweren Motorrad im Auge, und seine drei- wie vierrädrigen Fahrmaschinen zeichneten sich vorallem durch große Motoren der Fabrikate MAG und JAP aus, die natürlich entsprechende Fahrleistungen brachten: Die schwächsten Versionen liefen 125 km/h, die stärkste, mit 1.000-ccm-JAP-Rennmotoren von ca. 60 PS gute 170 km/h. Neben nur mit Gummibändern befestigten Aluminium-Karosserie-Schalen gab es noch andere revolutionäre Details, die in Fahrgestellen gipfelten, die als sogenannte Kurvenleger funktionierten. Das heißt, bei einer Drehung des Lenkrads neigten sich auch die Räder infolge einer sinnreichen Kinematik zum Kurvenmittelpunkt hin. Es gab sogar Prototypen, die die Karosserie zusätzlich neigten. Neander war auch der erste, der die Erkenntnisse aus den Dreirad-Kombinations-Wagen, mit Motor über dem Vorderrad, richtig interpretierte und seine Motoren rigoros auf beziehungsweise vor die Vorderachse setzte - wovor alle zeitgenössischen Konstrukteure zurückschreckten, mit dem Argument, daß dann das sowieso schon stark untersteuernde Verhalten der Fronttriebler zum Exzeß getrieben und solche Fahrzeuge beim geringsten Verlust der Bodenhaftung über die Vorderräder abschmieren würden. Ein Problem, das sicherlich vorhanden war, das aber außer Neander selbst und später Gregoire bei seinen Française-Aluminium-Prototypen niemand wirklich ausprobiert hatte.
Daß außerdem diese extreme Schwerpunktverlagerung zusätzliche Verbesserung der Richtungsstabilität bei Seitenwind brachte, konnten sowohl Neander als auch Gregoire nur experimentell mit Erstaunen feststellen: Das sogenannte Gier-Moment, hervorgerufen durch im Druckmittelpunkt der Karosserie angreifend gedachte Windkräfte, wird kleiner, da der Abstand Druckmittelpunkt-Fahrzeugschwerpunkt dabei auch kleiner wird. Die wissenschaftliche Bestätigung dieser Tatsache war damals vorbehalten und gehört heute zum Einmaleins des modernen Frontantriebs-Konstrukteurs. Bester Beweis sind der Citroän CX, der beim ADAC-Seitenwindtest hervorragend abschnitt, und die großen Audi-Modelle mit Fünfzylinder-Reihenmotor vor (!) der Vorderachse, die nicht nur den Ruf genießen, komfortable Fahrzeuge für gehobene Ansprüche zu sein, sondern auch einen absolut untadeligen Geradeauslauf bei Seitenwind haben. Bemerkt werden muß hierzu, daß bei modernen Ponton-Karosserien dieser Druckmittelpunkt etwa im vorderen Drittel der Karosserie, also etwa in Höhe der Windschutzscheibe, liegt. Je weiter der Schwerpunkt bei Fronttrieblern also nach vorn wandert, desto geringer wird der als Hebelarm wirkende Abstand zwischen Druckmittelpunkt und Schwerpunkt.
Neander baute jedenfalls aufgrund dieser Erfahrungen seine Motoren so weit wie möglich vor die Vorderachse, was bei dem zusätzlich vorhandenen Leichtbau zu den phantastischen Fahrleistungen dieser Apparate führte. Trotz aller offensichtlichen Vorteile waren Neanders Donnervögel aber für den Geschmack der Zeit zu unkonventionell, und alles in allem dürften nur etwa 25 gebaut worden sein, die in einigen Rennen eingesetzt wurden. Vor allem der ehemalige Seitenwagen-Champion Paul Weyers aus Aachen hatte bis 1939 große Erfolge in der 1.100-ccm-Klasse mit diesen Fahrmaschinen.
Zudem fielen Neanders Kritiken an Arbeiten anderer Leute oftmals eine Nummer zu bissig aus, was zwar seiner Popularität genutzt haben mag, dem Verkauf seiner Maschinen jedoch nicht. Anläßlich der Vorstellung des "Pionier" 1934 schrieb Neander zum Beispiel in der Presse über das Dreirad-Phänomen in Deutschland: "...1933 nahmen sich die Verbände der Sache an. Es wurden Kleinstpersonen-Kraftwagen gezüchtet und getestet. Dahinschleichende Laubenkolonien oder überzüchtete Kleinmotoren mitStromlinien-Köder. Der kleine Mann hat sie mit Hohn zurückgewiesen, eine Anzahl Neugieriger wurde schimpfende und enttäuschte Kundschaft. 50 km/h hört sich nicht so schlecht an, als es sich fährt."
Der kleine Mann hatte eben nicht... eine DKW-Meisterklasse war ihm im Endeffekt eben doch lieber als das pure Fahrerlebnis par excellence...
Ein überlebendes Fahrzeug steht heute im Deutschen Automobilmuseum in Langenburg: