Originall aus dem The Red Bulletin:
Ein einziger Pilot in der Geschichte der Formel-1 wurde als Geisterfahrer berühmt. Er fuhr 1977 den GP von Deutschland, obwohl er gar nicht qualifiziert war. Das Phantom trug stets einen Tirolerhut statt Tarnkappe. Sein Name: HANS HEYER.
Er war der Mann mit dem Hut. Das legendäre Utensil stammte aus seiner Kart-Zeit. „Mit 17 habe ich mit dem Kartsport begonnen. Es gab ein Riesentheater mit meinem alten Herrn, aber ich war stur und konnte damals viele wichtige Leute kennen lernen“, blickt Hans Heyer heute zurück. Der Hut war übrigens keine bloße Attitüde, er hatte einen praktischen Grund. Beim Kartracing war es üblich, das Fahrerlager mehrmals täglich zu verlassen, um neue Teile zu holen. „Du kommst voll gepackt zurück und sollst auch noch deinen Ausweis vorzeigen: Teile ablegen, Ausweis, alles wieder aufheben. Ich hatte die Nase voll von dem Spiel, besorgte mir einen Tirolerhut und hab am Morgen dem Typen beim Eingang gesagt: Wenn du das Ding siehst, bin’s ich, und ich gehe hier immer wieder rein und raus.“
Der Motorsport hat den Mann mit dem Hut nie mehr losgelassen – und umgekehrt. 40 bis 50 Rennen pro Jahr. Kart, Tourenwagen, Sportprototypen, Le Mans, Dakar – Hans Heyer war überall zu finden.
Es gab Wochenende, da fuhr Heyer parallel die 24 Stunden von Le Mans und ein Vier- Stunden- Tourenwagenrennen in Zeltweg. Kein anderer Pilot war innerhalb einer Saison für BMW, Mercedes, Jaguar und Lancia unterwegs. Die simple Gleichung lautete: wo ein Rennauto sitzt, sitzt Heyer drin.
Aber das ist noch nicht die Pointe der Geschichte. Die Pointe entspringt der Statistik. Die Statistik führt 41 deutsche F1 Fahrer, doch das stimmt nicht ganz. Es waren 42. Der 42. war: Der Mann mit dem Hut.
1977 herrschte in der Formel-1 noch Steinzeit. Keine Elektronik, wenig Fernsehen, kein Charlie Whiting, kein Safety Car. Bernie war noch nicht der ganz große Ecclestone, er hatte nur den Status eines Teambesitzers (Brabham) – aber nicht die Macht, den Zirkus nach seiner Pfeife tanzen zu lassen. Noch nicht.
1977 – das war Ferrari gegen die Ford Cosworth Teams der Engländer: Lotus, McLaren, Brabham, Wolf, Tyrrell, March, Shadow, Surtees, Hesketh. Für Deutschland wagte der Felgenfabrikant Günther Schmid das Abenteuer Formel-1. Sein Team ATS fuhr mit ungebauten Penske PC4/2 von 1976, Stammpilot war der Franzose Jean Pierre Jarier. Für Hockenheim hatte sich Schmid etwas Besonderes ausgedacht. Hans Heyer sollte einen zweiten ATS steuern. Heyer war schnell, und er war fit. Als er mit den Fußballern von Borussia Mönchengladbach trainierte, schaffte er es in der Fitnessrangliste ungeschaut auf Platz 3.
Und er war begeistert: „Ich war immer ein F1-Fan. Am Nürburgring haben sie mich als Junge aus der Box von Stirling Moss und später bei Jackie Stewart rausschmeißen müssen. Noch heute pflege ich Freundschaften mit Laffite, Fittipaldi und vielen anderen.“
Beim zweiten Training zum GP in Hockenheim fuhr Heyer auf Platz 17, doch im Abschlusstraining ereilte ihn das Desaster. Gerissen Halbwelle, hektische Reparatur, nur noch fünf Minuten Trainingszeit. Das Resultat: 0,3 Sekunden zu langsam, dritter Reservepilot.
Aber am Renntag saß trotzdem ein zweiter Pilot in einem ATS. Ganz unauffällig am Beginn der Boxenstraße – dort, wo heute die Siegerehrung stattfindet. Die Boxenmauer begann in den 70er Jahren erst 80 Meter nach der Zielkurve.
Der mysteriöse Pilot war, wer sonst?, Hans Heyer. Er hatte einen Plan, und er hatte die richtigen Leute eingeweiht: „Die offiziellen Streckenposten waren alte Kumpel. Die Grid-Girls, die Kartfahrer aus der Region – alle waren Freunde von mir.“
Nach dem Vorstart tänzelten besagte Grid Girls zum Heyer ATS und bildeten mit ihren Schildern eine Gasse. „Als die Flagge fiel, bin ich quer über die Boxengasse hinter dem Feld auf die Strecke eingebogen und ganz normal über die Startlinie gebraust“, erzählt Heyer, und er kann sich über seinen Coup auch heute noch diebisch freuen. Am Start kollidierten Clay Regazzoni und Alan Jones, während das Phantom von Hockenheim unbemerkt von ganz hinten ins Rennen ging.
Die Rennleitung reagierte nicht. Sie hatte die Sache offenbar gar nicht mitbekommen.
„Ich hätte den GP durchfahren können, aber in Runde 9 ist das Schaltgestänge abgebrochen“, bedauerte Heyer. Pro Runde hatte er in seinem ersten Grand Prix auf die Top-5-Piloten nur eine Sekunden verloren. Darauf ist er noch heute stolz, auch wenn seine aktiven Zeiten längst vorbei sind und Heyer auf eine respektable Rennfahrer-Vita zurückblicken kann. Er war Tourenwagen Champion, gewann 1986 auf einem LKW die Rallye Dakar, entwickelte mit Erich Zakowski bereits drei Jahre vor Renault einen 590 PS starken Turbomotor für die Formel-1, der nur deshalb nicht in die Produktion ging, weil man sich nicht mit Ford anlegen wollte. Heute mixt Heyer in seinem eigenen Labor Asphaltrezepturen für Rennstrecken. Seine Firma, ein Asphalt. Und Betonmischwerk, beliefert unter anderem die Schumacher’sche Kartbahn in Kerpen.
Das Abenteuer Hockenheim endete für den Mann mit dem Hut ein paar Tage nach dem Rennen, als sein Telefon läutete. Am Apparat war der legendäre Huschke von Hanstein: „Hans, wie sollen wir dich jetzt bestrafen?“ Die Antwort war typisch Heyer: „Sperrt mich bis Jahresende, ich fahre sowieso nicht mehr in dieser Saison.“
Mich würden noch ein paar Infos zu dem Motor interessieren, den Heyer baute.