Beim 24-Stundenrennen von Le Mans spazierte er noch durchs Fahrerlager. Etwas mehr als zwei Monate später verstarb Guy Ligier im Alter von 85 Jahren. Mit ihm geht einer der interessantesten französischen Motorsportler.
Zunächst widmete sich Guy Ligier einem ganz anderen Sport: Dem Rugby. Er boxte sich bis in die französische Nationalmannschaft nach oben, dann aber stieg er doch um – auf Rennautos. Die Härte, die der Rugby-Sport zwangsläufig mit sich brachte, hat Ligier nie verloren und sie hat ihm geholfen, dass sein F1-Rennstall immerhin 20 Jahre im Haifischbecken Formel-1 überlebte und gut genug für neun Siege war.
Ligier war als Teambesitzern mit allen Wassern gewaschen. Er machte alles, was die Arbeitsplätze seiner Mannschaft rettete. Er führte Privatfehden gegen die beiden anderen französischen F1-Rennställe AGS und Larrousse. Als der Automobilweltverband FIA Anfang der 90er Jahre dem Larrousse-Team die Punkte aberkannte, weil man sich als Larrousse und nicht als Lola (der Name des Konstrukteurs der Fahrzeuge) in die Meldeliste einschrieb, soll Guy Ligier die treibende Kraft dahinter gewesen sein. Immerhin rückte Ligier damit auf Rang zehn in der Konstrukteurswertung nach vorne und bekam so die Reisekosten für sein Team aus dem F1-Einnahmetopf erstattet.
Le-Mans-Klassensieg und F1-Punkte
Zu diesem Zeitpunkt waren die besten Tage seines Teams schon vergangen. 1975 kaufte Ligier das restliche Material und die Mannschaft, darunter den bekannten Ingenieur Gérard Ducarouge, von Matra auf und brachte 1976 sein eigenes Ligier-Team an den Start. Schon seine eigenen zwölf WM-Rennen 1966 und ’67 mit einem Cooper Maserati beziehungsweise einem Brabham Repco liefen unter Eigenregie ab. Trotzdem beendete er den Deutschland-GP 1967 immerhin als Sechster und erhaschte damit auch einen WM-Punkt. Ein Jahr später schon hing er seinen Helm an den Nagel, nachdem er ob seines späten Einstiegs in die Welt des Rennsports noch beachtliche Erfolge feiern konnte: Er schaffte es nicht nur bis in die Formel-1, sondern er holte sich 1964 in einem Porsche gemeinsam mit Robert Buchet auch einen Klassensieg in Le Mans, 1966 wurde er außerdem französischer Rallye-Meister.
1968 etablierte er dann gemeinsam mit Jo Schlesser und Jose Behra eine eigene Automobilmarke, die seinen Namen trug. Noch heute ist sie als Hersteller von Leichtfahrzeugen, unter anderem mit Elektro-Motoren, sowie von Quads überaus erfolgreich. Das OAK-LMP2-Sportwagenprogramm in Le Mans trägt den Namen Ligier. 2004 wurde in Zusammenarbeit mit Martini auch ein F3-Rennwagen entwickelt.
Seine beiden Partner verlor er bald: Schlesser verunglückte im Honda beim französischen Grand Prix 1968 tödlich. Als Hommage an den Franzosen trugen alle Ligier-Rennwagen und Straßenmodelle die Bezeichnung JS für Jo Schlesser. Jose Behra, der Bruder von Ex-F1-Pilot Jean Behra, trennte sich 1970 von Guy Ligier.
Turboära als Knackpunkt für Ligier
Mit dem F1-Team hätte Ligier fast den Olymp bestiegen: Rasch stieg man zu einem der erfolgreichsten Teams auf. Jacques Laffite kämpfte 1979 um die WM, aber Ligier war nicht konstant genug. Trotzdem beendete man die Konstrukteurs-WM als Dritter, 1980 sogar als Zweiter! Von da an aber ging es bergab.
Die Turboära brach dem Team das Genick. Eigentlich war eine Partnerschaft mit der Marke Talbot geplant, die anders als bei den eigenen F1-Einsätzen in den 50er Jahren inzwischen zum PSA-Konzern gehörte. Matra sollte eigentlich Motoren bauen, als Motorsportchef dockte Jochen Neerpasch an, der als Basis die bei BMW entwickelten Turbomotoren nehmen wollte, was aber ein Veto von Konstrukteur Paul Rosche verhinderte. Damit war das gesamte Projekt zum Scheitern verurteilt. Zwar bekam Ligier 1983 kostenlose Turbomotoren von Renault, aber die Mannschaft war mit der Betreuung der Motoren heillos überfordert. Immer wieder rollten die Boliden benzinlos aus, oder verzeichneten Defekte im Motorenumfeld.
Als die Turboära vorbei war, wurde es nicht besser. Ligier nutzte seine politisch guten Beziehungen zum französischen Staatspräsidenten François Mitterand zwar aus, um viele Sponsoren aus Frankreich zu generieren, aber nach dem sportlichen Abstieg folgte unweigerlich doch auch der finanzielle: Ligier sah sich 1992 gezwungen, Anteile an seinem Team zu verkaufen. Verhandlungen mit McLaren-Chef Ron Dennis scheiterten daran, dass der Brite schlicht und ergreifend nur die Renault-Motoren zu McLaren holen wollte (etwas, was später Flavio Briatore bei Benetton in die Tatsache umsetzte). Alain Prost zeigte ebenfalls das erste Mal Interesse, aber nachdem auch da die Verhandlungen versandeten, dockte Cyril de Rouvre an, der zuvor zwei Jahre lang Mitbesitzer von AGS war.
Ein Kampf ums Überleben
Ein Jahr später war das Team herrenlos, weil De Rouvre aufgrund eines Rechtsstreits zehn Monate in Untersuchungshaft musste. Briatore schlug zu und riss sich Ligier unter den Nagel, nur aber um alles, was er brauchte (wie die Renault-Motoren) zu Benetton zu holen. Als Teamchef dockte Briatores Partner Tom Walkinshaw an, aber als der sich Ende 1996 das Arrows-Team kaufte, wollte Briatore sein zweites GP-Team verkaufen und trat es an Alain Prost ab. Der führte es noch fünf Jahre lang, aber an alte Erfolge konnte auch der viermalige Weltmeister nicht mehr anknüpfen. Die Zeit war für solche Privatteams einfach nicht mehr gemacht, weil immer mehr Hersteller in die Formel-1 drängten.