Mike Häkkinen (FIN)
Und da sagt einer noch, der Sport lebt von Rivalitäten. Der wahrscheinlich beste Gegner von Michael Schumacher war einer, der ihn nicht nur respektierte, sondern, der ihn auch mochte: Ja, Mika Häkkinen und Michael Schumacher kämpften jahrelang gegeneinander um die Weltmeisterschaft, aber sie mochten sich und Häkkinen hatte daher auch in Schumis Heimatland Deutschland viele Fans – ein äußerst seltenes Phänomen. Vielleicht mag auch der Grund eine Rolle gespielt haben, dass Häkkinen einen Mercedes-Motor in seinem McLaren hatte und die McLaren Mercedes wurden nicht selten in Anlehnung an die glorreichen GP-Rennwagen von Mercedes in den 30er und 50er Jahren Silberpfeile genannt. Aber es war nicht nur Mercedes, sondern es war die sympathisch bescheidene Art von Häkkinen selbst, die ihm viele Anhänger in Schumis Heimat einbrachten. Umso spannender waren die WM-Fights zwischen beiden – denn sie spalteten Deutschland. Ohne Streit.
Gerüchten zu Folge arbeitete Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo 1999 daran, beide bei Ferrari gegeneinander starten zu lassen. Ob das stimmt, wer weiß das schon. Wahrscheinlich aber nicht. Ferrari fuhr damals eine klare Nummer-1-Fahrerpolitik pro Schumacher. Da hätte Häkkinen kaum Platz gehabt. Verhandlungen mit dem Finnen hat es vermutlich trotzdem gegeben, denn Schumacher verhandelte im Gegenzug ja auch mit McLaren Mercedes.
Es ist auch nicht so, als hätten Schumacher und Häkkinen nicht auch ihre negativen Szenen miteinander gehabt. Doch die meisten davon passierten vor den großen WM-Fights, etwa 1990 beim F3-GP in Macau, als beide im Kampf um den Sieg zusammenkrachten. Schumacher war damals einer der Spitzenfahrer in der deutschen Formel-3, Häkkinen gewann derweil in einem Ralt Mugen Honda von West Surrey Racing in England die F3-Meisterschaft.
In der Formel-1 waren es meistens faire, aber durchaus harte und spektakuläre Szenen, die die Fans vom Hocker rissen, etwa das Überholmanöver Häkkinens 2000 in Belgien, als er die Überrundung von Ricardo Zonta ausnutzte, um an beide gleichzeitig vorbeizukommen. Das Manöver wird noch heute von vielen Fans gefeiert. Weltmeister wurde in jenem Jahr aber Schumacher, die zwei Jahre davor Häkkinen – 1999 allerdings durchaus auch deshalb, weil sich Schumacher in Silverstone bei einem Rennunfall ein Bein gebrochen hatte.
Häkkinens Durchbruch kam spät, wäre aber fast früher zustande gekommen. Schon sein F1-Debüt hätte sich um ein Jahr verfrühen können, wenn er das Angebot von Life für 1990 angenommen hätte. Sein Manager, der Ex-Weltmeister Keke Rosberg, hatte aber den richtigen Riecher: Das Team ging als eines der schlechtesten in die Geschichte der Formel-1 ein, konnte sich nie für ein Rennen qualifizieren und das lag gewiss nicht an den Fahrern. Im Nachhinein kann Häkkinen froh sein, dass er erst 1991 bei Lotus sein F1-Debüt gab. Dort hatte er zwar auch nur mittelprächtiges Material, wie die Endplätze 15 und acht zeigen, aber Häkkinen konnte dort immer wieder sein Talent aufblitzen lassen.
Und so kam er 1992 auch bei Williams ins Gespräch. Dass Williams die F1-Saison 1992 nach Belieben dominieren würde, konnte Häkkinen nicht wissen. Aber was er wusste: Williams ist eine Top-Adresse. Also unterschrieb er einen Vertrag. Dummerweise hatte es Williams verpasst, sich für die F1-Saison 1992 rechtzeitig einzuschreiben. Die nachträgliche Nominierung bedurfte der Zustimmung aller Teams. Lotus stimmte aber nur mit der Auflage zu, Häkkinen ein weiteres Jahr an sich zu binden. Williams gab nach, der Transfer scheiterte, der rasche Durchbruch Häkkinens damit auch.
1993 klopfte dann aber McLaren an. Zunächst wurde Häkkinen nur Testfahrer, aber nachdem Michael Andretti noch während der Saison das Handtuch warf, gab Häkkinen in Portugal sein Comeback – und war im Quali sofort schneller als der legendäre Ayrton Senna. Und das Qualifying gehörte zur Paradedisziplin Sennas.
Nach diesen ersten Highlights folgten aber viele trostlose Jahre. Abwanderungsgerüchte 1996 zu Benetton und 1997 zu Jordan waren die Folge dauerhafter Niederschläge. Und 1995 wäre sowieso beinahe alles vorbei gewesen: In Adelaide krachte er mit voller Wucht in die Reifenstapel und verschluckte dabei seine Zunge. Nur ein Luftröhrenschnitt rettete Häkkinens Leben, seine Karriere aber hing am seidenen Faden. McLaren suchte schon nach einem Ersatz, Häkkinen aber kämpfte sich zurück ins Cockpit.
1997 gelang in Jerez der erste Sieg, aber erst mit dem großen Regelumbruch 1998, als unter anderem Rillenreifen und schmälere Autos eingeführt wurden, wurde McLaren zum ernsthaften WM-Kandidaten. Und mit McLaren auch Häkkinen. Adrian Newey, der heute bei Red Bull als der beste Techniker der Formel-1 gilt, baute einen Wunder-Rennwagen, der die Saison anfangs sogar dominierte. Häkkinen wurde Weltmeister und verteidigte seinen Titel 1999.
Doch die WM-Kämpfe machten ihn müde. Es war nicht nur ein psychischer Druck, sondern auch ein physischer. Damals war nach dem Rennen nicht vor dem Rennen, sondern dazwischen lag ein irrsinniges Testpensum, das erfüllt werden musste. Häkkinens Batterien saugten sich leer wie ein Akku. Als 2001 die Resultate ausblieben und das Pech (oft am Start stehen geblieben oder in Barcelona in Führung liegend in der letzten Runde ausgeschieden) dazukam, fasste er den Entschluss, der Formel-1 den Rücken zuzukehren.
Ein Anruf änderte alles. Als sich Ralf Schumacher beim USA-GP 2004 verletzte, suchte Williams nach einem Ersatz. Frank Williams rief bei Häkkinen an, aber der lehnte ab. Drei Jahre war er weg vom Fenster, ohne Testkilometer und vor allem ohne körperliches Training. Doch die Idee, es noch einmal in der Formel-1 zu versuchen, gefiel ihm. Häkkinen verhandelte mit BAR über ein Stammcockpit für 2005. Das Team wurde groß von Honda unterstützt, Häkkinen hatte aber noch Werbeverträge mit Mercedes. Auch daran soll das Sensations-Comeback gescheitert sein. Häkkinen fuhr dafür noch drei Jahre in der DTM mit Mercedes und gewann auch drei Rennen. 2006 wollte ihn Gerhard Berger, der gerade Teilhaber bei Toro Rosso wurde, noch einmal in die Formel-1 bringen und tatsächlich fuhr er Tests in einem McLaren, aber Häkkinen entschied sich gegen eine Rückkehr und für einen endgültigen Rücktritt vom Rennsport.
Noch heute ist der 46-Jährige ein gern gesehener Gast im Fahrerlager. Er kümmert sich auch als Manager einer Firma unter anderem um die Belange von Williams-Pilot Valtteri Bottas, einem finnischen Landsmann – wenn auch nicht federführend.