Das nächste Portrait ist schon etwas älter:
José Froilán Gonzalez (ARG)
Es ist schon erstaunlich: Beinahe jeder F1-Fahrer will mal für das Ferrari-Team GP-Rennen bestreiten. Ferrari, das ist ein Synonym für Mythos, für Legende, für Tradition, für Rennsportgeschichte. Ferrari, das ist aber auch das erfolgreichste F1-Team, jeder will zur Geschichte dieses geschichtsträchtigen F1-Rennstalls gehören. Aber keiner erinnert sich mehr an den Fahrer, der für Ferrari den ersten Sieg in der Fahrermeisterschaft holte: José-Froilán Gonzalez 1951 in Silverstone.
Ferrari kehrt am Wochenende an die Stätte dieses historischen Ortes zurück. Dann sollen Fernando Alonso und Felipe Massa in Gonzalez’ Siegesspuren folgen. Gonzalez begleitet sein ehemaliges Team vom Himmel aus – denn vor einigen Tagen ist er im Alter von 90 Jahren für immer eingeschlafen. Er war seit Jahren nicht mehr im besten Zustand, musste 2011 auch die Demofahrt in seinem Sieger-Ferrari zum 60. Jubiläum seines Triumphes absagen. Stattdessen fuhr Alonso damit – und gewann später den Großbritannien GP im 2011er Wagen. Nun verstarb Gonzalez an einer Erkrankung der Atemwege.
José-Froilán Gonzalez gewann insgesamt sechs GP-Rennen, viele davon auch außerhalb der Fahrermeisterschaft. Sechs Siege zeigen: Hier war ein begabter Rennfahrer am Werk. Heute würde man Gonzalez wohl kaum mehr als einen Rennfahrer identifizieren: Er brachte 125 Kilogramm Kampfgewicht mit. Aber kein Übergewicht, sondern pure Muskelkraft. Wer über ihn gespottet hat, der hätte nur mal mit ihm schwimmen gehen müssen: Denn in dieser Disziplin gehörte er zu den besten in Argentinien.
Zu den besten Rennfahrern sowieso. Seine Kraft war in jener Zeit noch wichtig, die GP-Monster schwerer zu bewegen. Doch Gonzalez stand auch immer wieder im Schatten von Juan-Manuel Fangio, seinem argentinischen Landsmann, der fünf Mal Weltmeister und vor allem eine Legende wurde. Gonzalez gewann das erste Rennen in der Fahrermeisterschaft für Ferrari – aber gegen die fünf Titel von Fangio ist das nichts.
Beide waren Konkurrenten, aber noch viel mehr Freunde. Ohne Fangio wäre Gonzalez nicht so weit gekommen. Immer wieder griff ihm Fangio unter die Arme. Das vor allem in finanzieller Hinsicht, denn Gonzalez kam trotz einiger nationalen Erfolgen nicht auf die Beine. Und das obwohl schon sein Onkel Julio Perez einer der besten Rennfahrer seines Landes war und für Chevrolet einige Langstreckenrennen bestritt.
Die Rennkarriere von Gonzalez wurde aber noch von einem weiteren GP-Star mitbestimmt: Achille Varzi. Er war vor allem in den 30er Jahren ein Star, kehrte aber auch nach dem Zeiten Weltkrieg wieder in den Rennzirkus zurück. Dabei startete er auch in der argentinischen Temporada-Serie, die im europäischen Sommer ausgetragen wurde und daher einige Fahrer aus Europa anlockte. Varzi war überrascht vom Niveau der nationalen Fahrer und wollte sie nach Europa mitbringen. So entstand ein guter Kontakt von Varzi mit Gonzalez.
Auch der argentinische Automobilverband professionalisierte das Projekt Motorsport. Man kaufte sich zwei GP-Rennwagen von Maserati. Durch die Kontakte mit Varzi durfte man die Rennwagen aus einer Niederlassung von Varzi aus bei europäischen GP-Rennen einsetzen: Die Scuderia Varzi war geboren. Technischer Leiter wurde Varzis ehemaliger Mechaniker Amedeo Bignami. Gonzalez gab mit einem der Maserati beim Monaco GP sein Debüt in der Fahrermeisterschaft, wurde aber in den Massencrash in der Hafenschikane verwickelt.
Gonzalez wollte später die Unterstützung, die er von Fangio und Varzi erhalten hatte, zurückgeben. 2005 kümmerte er sich um seinen Landsmann Juan Cruz Alvarez, der es bis in die GP2 schaffte.
Gonzalez stand nicht nur im Schatten von Fangio. Auch bei Ferrari war er nicht die Nummer eins, musste im Gegensatz zu seinen Teamkollegen Alberto Ascari und Luigi Villoresi mit einem älteren Ferrari 375 an den Start gehen. Gonzalez kümmerte das nicht: Er war froh, überhaupt für Ferrari an den Start gehen zu dürfen, denn er begann die Saison mit einem privat eingesetzten Talbot Lago. Und so schlecht war der Ferrari ja nicht, wie der Sieg 1951 zeigte. Das Rennen war ein Kampf Gonzalez gegen Fangio.
Das beste Gonzalez-Jahr war 1954: Wieder gewann er mit Ferrari in Silverstone den Großbritannien GP. Dabei war der Argentinier gerade erst wieder von Maserati zur Scuderia Ferrari zurückgekehrt. Er schloss die F1-Saison als Vizemeister ab und gewann gemeinsam mit Maurice Trintignant das 24-Stundenrennen von Le Mans. Aber das Jahr endete bitter: Mit einem schweren Trainingsunfall bei der RAC Tourist Trophy. Bei diesem Crash zog er sich mehrere Wirbelstauchungen und einen Schulterbruch zu. Von da an hatte Gonzalez angeblich zu viel Respekt vor dem Rennsport, er tauchte in der Formel-1 nur noch sporadisch auf, fuhr vor allem noch nationale Rennen, zog sich dann aber 1960 ganz vom aktiven Motorsport zurück.