Bertrand Gachot (BEL)
Er wanderte in den Knast – und Michael Schumacher daraufhin in sein erstes F1-Cockpit. Wir schreiben das Jahr 1991. Ausgerechnet vor dem Großen Preis von Belgien, also dem Heimrennen von Bertrand Gachot, fehlt dieser: Er sitzt in England im Gefängnis. Ein Gericht hat ihn zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt, weil er einen Londoner Taxifahrer attackiert haben soll. Letztlich saß Gachot zumindest bis zur Revisionsverhandlung zwei Monate ein. Und konnte dann freilich auch keine Rennen bestreiten.
Was ist damals aber wirklich passiert? „Ich telefoniere, fahre dem provozierenden Taxi-Kerl ganz leicht hinten auf die Stoßstange“, holte Gachot 2011 im Interview mit der „Bild am Sonntag“ aus. Und weiter: „Er kommt an mein Auto, packt mich am Kragen. Ich habe eine Dose Tränengas, sprühe ihm ins Gesicht. Im Nu waren so viele andere Taxifahrer um mich, dass ich in ein Gebäude flüchte und die Polizei rufe.“ Während Michael Schumacher sich gegen mehr als 20 andere Bewerber (darunter Ex-Champion Keke Rosberg, Derek Warwick, sowie Stefan Johansson) durchsetzte, Gachots Jordan Ford übernahm und damit seine Rekord-Karriere startete, die in sieben WM-Titel gipfelte, erlebte Gachot im Gefängnis Zeiten der Erniedrigungen. So musste er sich vor drei, vier Gefängniswärtern nackt ausziehen. „Und weil Tränengas damals als Waffe galt, haben sie mich in eine Zelle mit einem Mörder gesteckt.“
Es ist die Tränengas-Geschichte, die im Zusammenhang mit Bertrand Gachot hängen bleibt. Aber das wird ihm nicht wirklich gerecht. Gachot war eigentlich ein äußerst vielversprechender Nachwuchsfahrer. 1987 wurde er in der britischen Formel-3 für West Surrey Racing Vizemeister, in der Formel-3000 1988 schaffte er für Spirit/TOM’s immerhin den fünften Gesamtrang. In der Formel-1 musste er sich ab 1989 erst einmal mit mittelprächtigem Material herumschlagen, erst bei Onyx, dann bei Rial, schließlich bei Coloni und Larrousse. Erst der Jordan Ford von 1991 war ein Auto, mit dem Gachot um Punkte kämpfen konnte. Den Kanada-GP beendete er als Fünfter – es war sein bestes Resultat.
Eigentlich hätte 1991 also sein Jahr werden müssen. Mit dem Sieg beim 24-Stundenrennen von Le Mans mit einem Mazda zusammen mit Johnny Herbert und Volker Weidler war Gachot auch am Höhepunkt seiner Karriere – dann kam das Gefängnis. Es ist aber nicht das einzige skurrile an Bertrand Gachot. Auch lässt sich seine Nationalität nur schwer zuordnen. Die Mutter eine Deutsche, der Vater ein Franzose, geboren in Luxemburg, gestartet bis 1992 mit der belgischen Rennlizenz. Er selbst fühlte sich als Europäer, fuhr daher auch mit der europäischen Flagge am Helm. Passenderweise war sein Vater Europa-Politiker.
Gachot kämpfte sich auch nach seiner Zeit im Gefängnis in die Formel-1 zurück. Er fuhr für Larrousse, später auch für das Pacific-Team, für das er 1986 schon die britische Formel-Ford-Meisterschaft gewann. Gachot baute 1993 das Pacific-F1-Team mit auf, wurde Teilhaber und Fahrer. Doch ein Blumentopf war auch damit nicht zu gewinnen. 1995 endete seine F1-Laufbahn nach 47 meist erfolglosen WM-Rennen.
Er stampfte daraufhin seinen eigenen Rennstall aus dem Boden. Zwei Projekte waren geplant. Zum einen ein IndyCar-Rennstall, nachdem er 1993 in Toronto schon einen Lauf für Dick Simon bestritt und dabei Zwölfter wurde. Aber das Programm versandete. Zum anderen wollte er nach Le Mans zurückkehren, mit einem Chassis von Welter Racing und einem Motor vom südkoreanischen Konzern SsangYong, deren Werksunterstützung man genoss. Doch man überstand die Qualifikation für das Rennen nicht.
Zwar sah man Gachot noch beim einen oder anderen Rennen, aber schon bald hing er den Helm an den Nagel und widmete sich seinem Geschäft. Seine Firma betreibt unter anderem den Energydrink-Hersteller Hype. Als Sponsor finanzierte Hype unter anderem den Einsatz von André Lotterer beim Belgien-GP 2014 im Caterham Renault. Gachot ist heute 52 Jahre alt.