Luca Badoer
Luca Badoer hat es tatsächlich noch mal geschafft: Der Italiener kehrte 2009 nach 10 Jahren in die Formel-1 zurück – und das auch gleich für Ferrari! Seit 1998 war Badoer als Testfahrer bei Ferrari unter Vertrag, aber erst nach 11 Jahren ergab sich endlich die Möglichkeit, für die Scuderia nicht nur um die Teststrecken zu heizen, sondern auch um WM-Punkte zu fighten – denn davon hat Badoer noch keinen einzigen sammeln können. Natürlich kam das Comeback nur durch die Verkettung mehrerer Umstände zustande gekommen: Felipe Massa verunglückte in Ungarn schwer, Michael Schumacher konnte wegen seinem verletzten Nacken nicht einspringen – also kam Badoer zum Zug.
Das Comeback aber war ein Flop: Badoer kam nicht ansatzweise auch nur in die Nähe von WM-Punkten. Doch allein am Italiener lag das nicht: Nach zwei Rennen wurde er gegen Giancarlo Fisichella ausgetauscht. Er kam von Force India, wo er im letzten Rennen in Belgien fast gewonnen hätte. Bei Ferrari fuhr dann aber auch der dreimalige GP-Gewinner nur hinterher.
Badoer war bei Ferrari bereits 2 Mal durch den Rost gefallen: 1999 brach sich Michael Schumacher beim Großbritannien GP bekanntlich ein Bein und fiel für sechs Rennen aus. Statt dem Testfahrer Badoer, der an Minardi ausgeliehen war, kam aber Mika Salo zum Zug. Badoer war alles andere als begeistert. Die zweite Möglichkeit ergab sich 2005, nachdem Rubens Barrichello seinen bis Ende 2006 laufenden Vertrag nach 2005 überraschend kündigte. Ferrari hatte zwei Optionen, Barrichello zu ersetzen: Badoer und Felipe Massa. Für Badoer sprach die Tatsache, dass er im gemeinsamen Testjahr 2003 bei Ferrari stets schneller und reifer war als Massa. Doch Massa war 2004 und 2005 bei Sauber unterwegs und damit ebenfalls reifer und schneller geworden. Es stand 50:50, also gaben andere Verwicklungen den Ausschlag. Etwa die Tatsache, dass Nicolas Todt, der Sohn des damaligen Ferrari-Rennleiters Jean Todt, Manager von Massa war. Für Massa sprach auch seine Jugend. Ferrari setzte also auf Massa und lag damit goldrichtig.
Allein die beiden Beispiele zeigen, wie glücklos die Karriere von Badoer verlief. Der am 25. Januar 1971 im Nordosten von Italien geborene Badoer hat mehr Talent als Glück. Nicht umsonst wurde er 1992 auf einem Reynard Ford im Crypton-Team von Patrizio Cantu Meister in der 2. Liga der Formel-1, der Formel-3000. Auch bis dahin verlief seine Karriere ordentlich, auch weil Badoer mit dem Glück gesegnet war, in eine wohlhabende Familie hineingeboren zu werden. 1985 wurde Badoer so zum Profirennfahrer, holte sich 1987 und 1988 die italienische Kartmeisterschaft. Nach einem Eingewöhnungsjahr in der italienischen Formel-3 war er in der 2. Saison dort wesentlich konkurrenzfähiger, holte sich in Vallelunga einen überragenden Sieg im Ralt Alfa Romeo, als er die Toppiloten um Roberto Calciago und Alessandro Zanardi in Grund und Boden fuhr. 1991 wurde er wie schon 1990 Gesamt-3. in der italienischen F3, es folgte der erwähnte Aufstieg in die Formel-3000 – gekrönt mit dem Titel in seiner ersten Saison dort! Der Erfolg war auch in Anbetracht der Tatsache, dass sein Teamkollege Michael Bartels bereits F1-Erfahrung hatte, überzeugend.
Ab dann begann aber eine der unglücklichsten F1-Karrieren überhaupt. Für 1993 hatte Badoer als F3000-Meister natürlich mehrere Möglichkeiten in der Formel-1. Konkret wurden aber vor allem die Verhandlungen mit 2 Teams. Zum einen mit der Scuderia Italia, zum anderen mit Tyrrell. Badoer war vom Angebot der Scuderia Italia mehr angetan, denn der lief nur über eine Saison, Tyrrell bot Badoer dagegen einen 4-Jahresvertrag an. Tyrrell war zwar das klar bessere Team, aber Badoer erhoffte sich für 1994 den Aufstieg in ein Topteam. Das zeigt auch seine teilweise etwas arrogante Einstellung, auch wenn es für 1994 tatsächlich fast ein Topcockpit gegeben hätte. Darüber hinaus sprach auch sein Handicap, die englische Sprache ungefähr so gut zu beherrschen, wie ein Erstklässler nach 3 Unterrichtsstunden, eher für die Variante Scuderia Italia und deren Lola Ferrari anstatt sich langfristig an Tyrrell zu binden. Die Entscheidung war falsch.
Bei der Scuderia Italia hatte Badoer zwar einen Ferrari-Motor unterm Hintern, was für Italiener bezüglich der Motivation gewiss nicht hinderlich ist, aber das war dann auch schon der einzige Vorteil, denn das zugehörige Lola-Chassis war der Konkurrenz unterlegen. Besonders gemerkt hat Badoer das beim Europa- und Monaco GP. Beide Male konnte er sich nicht für das Rennen qualifizieren. Mit Michele Alboreto hatte Badoer nicht nur einen sehr erfahrenen Teamkollegen, sondern auch einen, der schon einmal um den WM-Titel gekämpft hat. Badoer sah gegen Alboreto sehr stark aus, gewann das Quali-Duell mit 8:6, Alboreto konnte sich auch öfter nicht für einen GP qualifizieren als Badoer: Er fehlte 1994 gleich 5 Mal in der Startaufstellung – auch beim Imola GP, in dem Badoer mit Platz 7 das beste Saisonergebnis für die Scuderia Italia holte. Es ist bis heute zudem das beste Resultat in der F1-Laufbahn von Badoer. Nur 2 Mal kamen Badoer und Alboreto im selben Rennen ins Ziel: Beim Brasilien GP relativ zu Beginn der Saison kam Alboreto einen Rang vor Badoer über die Ziellinie, beim Belgien GP relativ am Ende der Saison war es genau umgekehrt – ein Indiz für eine Leistungssteigerung im Laufe der Saison bei Badoer.
Das Lola-Chassis war wohl das Hauptübel 1993: Das Vertrauen in Lola war eigentlich schon da. Von 1987 bis 1991 baute man die Chassis des französischen Larrousse-Teams, die recht solide waren. 1992 setzte Larrousse auf Chassis von Fondmetal, weil Lola den Vertrag kündigte – die Zahlung durch Larrousse blieb aus. 1993 dann das Lola-Comeback bei der Scuderia Italia. Mario Alberto-Bauér schrieb in seinem „Grand Prix Insider 93“ folgendes über das Team. Hockenheim, Samstagnachmittag: „Am Nachmittag treffe ich einen humpelnden Luca Badoer vor dem Motorhome der Scuderia Italia. Wir kommen auf seine beiden Crashs in der zweiten Schikane zu sprechen. „Laut Telemetrie hatte ich 280 Sachen drauf“, klärt mich Luca auf. „Die Verankerung der Aufhängung ist durchs Chassis ins Cockpit gedrungen und hat mein rechtes Knie nur knapp verfehlt. Das ist trotzdem dick, weil ich es mir beim Aufprall an der Cockpitwand angeschlagen habe.“ Luca versucht das Manko des Autos wettzumachen, aber der Lola hat in vielen Ecken eingebaute Fehler. „Wir versuchen nach und nach alle zu beheben, aber eigentlich sollten wir das Ding in die Mülltonne werfen und ein neues Chassis bauen“, was ’93 sicher nicht mehr passiert. Im Vorjahr, erinnere ich, hast du hier im Formel-3000 haushoch gewonnen „und der lag besser als der Lola“, wirft der Italiener ein. „Wir haben einfach ein Downforce-Problem, deshalb ist da auch kein so arger Unterschied. Im Formel-3000 bremst du hinten im Wald bei 100-110 Metern, mit dem Lola bei 70-80 Metern. Der Motor hat natürlich mehr Leistung, die wird aber aerodynamisch zunichte gemacht.“ Das Problem des Lola ist im Wesentlichen an der Nase und dem zu klobigen Getriebe zu suchen. „Die Luft wird vorne schon schlecht kanalisiert und hinten mangels gescheiter Diffusoren wegen dem Riesengetriebe nicht effektiv geleitet. Das ganze Ding ist eine Katastrophe“, winkt Luca ab, „selbst im Windkanal ist da nichts zu retten.““
Die guten Leistungen blieben auch Benetton-Teamchef Flavio Briatore nicht unbemerkt. Briatore ließ für das Cockpit 1994 gleich mehrere Fahrer testen, darunter auch die beiden Scuderia-Italia-Fahrer Badoer und Alboreto, nachdem sich die Scuderia Italia auflöste und mit der Scuderia Minardi fusionierte. Beide Fahrer überzeugten bei der ersten Testfahrt, hatten mit JJ Lehto und Jos Verstappen aber auch harte Konkurrenz. Den Ausschlag gegen Badoer gab dann ein böser Unfall beim 2. Test im portugiesischen Estoril. Nachdem Badoer den Benetton Ford zerlegte, war er fortan uninteressant. Auch Alboreto, eigentlich eh nur wegen seines Namens interessant, fiel durch den Rost. Beide folgten damit der Scuderia-Italia-Mannschaft mit zu Minardi. Alboreto wurde Stammfahrer, Badoer musste sich mit der Testfahrerrolle zufrieden geben. Es war zum heulen, denn auch bei Footwork war Badoer im Gespräch. Das gesamte Jahr über war er weiter mit Footwork in Kontakt, nach dem Belgien GP wäre Badoer fast verpflichtet worden, weil Gianni Morbidelli Probleme mit den Sponsoren hatte. Gerade noch rechtzeitig kratzte Morbidelli die Sponsorengelder aber zusammen und das Comeback von Luca Badoer war damit gescheitert.
Erst 1995 kehrte Badoer wieder in die Startaufstellung zurück. Bei Minardi war man mit der Testarbeit des Italieners sehr zufrieden, also wurde er 1995 zum Stammfahrer befördert. Etwas Attraktiveres ergab sich für Badoer nicht, wohl weil er ein Jahr von der Bildfläche fast verschwunden war. Den Minardi Ford, den Badoer nun fahren durfte, war von Punkten unter normalen Umständen weit entfernt. Höchstens in Monaco hätte es für Badoer WM-Zähler geben können. Damals schlug er Teamkollege Pierluigi Martini im Qualifying deutlich und fuhr auch im Rennen bis zu seinem Ausfall (allerdings ein eigens verschuldeter Unfall) vor Martini – und der wurde immerhin 7. Alles in allem konnte Badoer 1995 eher wenig überzeugen. Martini spielte seine Routine aus, war in den Rennen einfach besser, im Qualifying war es eher eine Patt-Situation. Zur Saisonmitte hin bekam Badoer dann einen neuen Teamkollegen, weil Minardi Geld brauchte. Pedro Lamy wurde des Geldes wegen angeheuert und trotzdem konnte der Portugiese Badoer im Quali-Duell mit 5:3 schlagen. In den Rennen war Badoer oft, aber nicht immer besser als Lamy. Das einzige richtige Highlight, das Badoer 1995 setzen konnte, war ein sensationell starker 12. Platz im Qualifying zum Ungarn GP.
Die mageren Leistungen 1995 hatten zur Folge, dass Badoer für 1996 im Forti-Team wieder nur ein Hinterbänklerteam fand. Der Forti Ford war allerdings noch eine Ecke miserabler als der Minardi aus dem Vorjahr. Und so konnte sich Badoer bei 10 Versuchen gleich 4 Mal nicht für das Rennen qualifizieren. Badoer konnte aber zumindest Andrea Montermini deutlich schlagen: Die Quali-Bilanz ging mit 8:2 deutlich zugunsten von Badoer aus, bei allen Nichtqualifikationen von Badoer, konnte sich auch Montermini nicht qualifizieren (musste sogar einmal mehr zukucken). Zugegeben, um das zu wissen, muss man in den Geschichtsbüchern blättern. Andere Bilder blieben eher im Kopf: So überschlug sich Badoer beim Argentinien GP spektakulär und blieb auf dem Kopf liegen. Es war bereits sein 2. Überschlag in der Formel-1 nach einem beim italienischen Grand Prix 1995. Es sind Bilder wie dieser Unfall, die hängen blieben und Badoer vom Eindruck her kein positives Zeugnis ausstellen. Dass das Forti-Team chronisch total unterfinanziert war und deshalb auch nach 10 Rennen zusperren musste, wird oft nur in einem Nebensatz erwähnt. Auch deshalb ist Badoer in einem so schlechten Licht, obwohl seine Leistungen so schlecht nicht gar sind.
Luca Badoer bekam für 1997 kein Stammcockpit, war aber Testfahrer bei Minardi. Durch einige Sportwagenrennen knüpfte Badoer erste Kontakte zu Ferrari, 1998 wurde er Testfahrer im italienischen Traditionsteam. 1999 wurde Badoer an Minardi ausgeliehen und fuhr dort noch mal eine Saison, nachdem er fast 3 Jahre keine Rennen fuhr. Bei Minardi bekam er mit Marc Gené jenen Teamkollegen, der jetzt auch bei Ferrari neben Badoer Testfahrer ist. Besonders die spanischen Organisatoren des Europa GP sind empört, dass Ferrari als Massa-Ersatz nicht Gené statt Badoer ins Cockpit setzt. Gené sei doch jünger, sei ein Lokalmatador und gewann als erster Spanier in dieser Saison das 24-Stundenrennen von Le Mans, fährt derzeit also erfolgreich Rennen, während Badoer schon lange keine Rennen mehr fuhr.
Doch dass Ferrari Badoer dem Vorzug gab, ist nur logisch. Zum einen ist Badoer auch offiziell der Ersatzfahrer, zum anderen war Badoer bei den Testfahrten bislang schneller, und zum Schluss trumpfte Badoer auch 1999 in der gemeinsamen Saison bei Minardi gegen Gené richtig auf. Mit 10:5 ging das Quali-Duell recht deutlich für Badoer aus, auch in den Rennen war er meist stärker. Zwar holte Gené den einzigen Punkt für Minardi in der Saison, doch das war zum einen im chaotischen Grand Prix auf dem Nürburgring, und zum anderen hatte Badoer dort so richtig Pech: Lange Zeit hielt sich Badoer auf einem hervorragenden 4. Platz, war dort auch so gut wie sicher – bis, ja bis ihm kurz vor Rennende ein Getriebeschaden ereilte und er ausschied. Badoer war am Boden zerstört, setzte sich neben seinen Minardi Ford und heulte Rotz und Wasser.
Es war der Tiefpunkt eines schwarzen Jahres für Badoer. Denn obwohl er ansprechende Leistungen bot, wurde er nicht belohnt. Das schwierige Jahr begann bereits mit einem schweren Testunfall in Fiorano, bei dem er schwere Handverletzungen davontrug und beim Brasilien GP aussetzen musste. Nachdem Großbritannien GP wurde er bei der Ersatzsuche für den verletzten Michael Schumacher von seinem eigenen Team Ferrari übergangen. Und dann eben noch das unglückliche Ende beim Europa GP, nachdem er rundenlang am Limit um die 3 WM-Punkte kämpfte. Stattdessen ist er nun der Fahrer, der die meisten F1-WM-Rennen absolvierte, ohne dabei aber je einen WM-Zähler an Land gezogen zu haben.
Seit 2000 testet Badoer also fleißig für Ferrari, hatte noch 2 Chancen bei Sauber unterzukommen: 2001 wäre er eingesprungen, wenn der Automobilweltverband Kimi Räikkönen die Lizenz verwehrt hätte. Die Chancen dazu standen nicht schlecht: Räikkönen fuhr bis zu seinem F1-Debüt nur wenige Formel-Renault-Rennen, F3-Rennen oder gar Rennen in höheren Nachwuchsklassen kannte der Finne nur aus dem Fernsehen und vom Hörensagen. Eigentlich entsprach Räikkönen damit nicht den Kriterien, die es für eine Superlizenz benötigt, aber die FIA kniff ein Auge zu. Damit war das Comeback von Badoer auch wieder über Bord geworfen, weil Räikkönen, der nun in Valencia bei Ferrari sein Teamkollege sein wird, einen F1-Führerschein bekam. 2004 wäre er ebenfalls fast bei Sauber untergekommen – wenn auch nur als Freitagstestfahrer. Sauber Petronas wollte das Geld nicht für ein 3. Auto ausgeben, also waren auch diese Pläne schnell wieder in den Schubladen zurück. Die Freitagstestfahrer trumpften damals richtig auf, weil sie in den Trainings günstigere Bedingungen hatten, als die Stammfahrer. Auch Badoer hätte auftrumpfen können – dann wären vielleicht auch wieder andere Teams auf ihn aufmerksam geworden.