Alfonso de Portago (ESP)
Alfonso de Portago war der erste und vor Alonso einzige Spanier, der für Ferrari F1-WM-Rennen gefahren ist. Man verzeihe, dass der Name von De Portago nicht vollständig abgetippt wurde, das hat nichts mit mangelndem Respekt zu tun, sondern De Portago stammt aus einem Adelshaus, der Name ist dementsprechend lang. De Portago war also ein Adeliger, wuchs nach dem Tod seines Vaters in der Fürstensuite eines Nobelhotels in New York auf. Man möchte meinen, als Adeliger jener Zeit bekam man die Manieren beigebracht, nicht so De Portago.
Er war ein Lebemann, ein Playboy, der wohl so viele Frauenherzen gebrochen hat, wie er bei Ferrari PS unter dem Hintern hatte. Apropos PS: Mit einer Pferdestärke ging es los. Wie sein Vater Tony de Portago – von dem er wohl den Lebemann-Charakter geerbt hatte – betrieb Alfonso (wie ähnlich die Namen sind: Alonso/Alfonso) Pferdesport, siegte bei etwa 30 Hindernisrennen. Vom Sprung-Pferd zum springenden Pferd, wie das Ferrari-Logo bezeichnet wird, doch dazwischen widmete er sich noch ganz anderen Sportarten: Schwimmen, Wasserski, Polo und vieles mehr. Neben dem Rennsport die erfolgreichste war sicherlich der Pferdesport, aber bemerkenswert war auch seine Bobkarriere. In der spanischen Nationalmannschaft wurde er im Viererbob Vierter bei den Olympischen Spielen 1956, in der WM sogar Dritter! Die spannendste Geschichte gibt es aber vom Kunstfliegen, auch das eine Disziplin, die De Portago für sich entdeckt hat. In Florida flog er einmal unter einem sechs Meter hohen Steg zwischen zwei Dämmen hindurch, eine Wette, die ihm 500 Dollar einbrachte. Dafür wurde ihm die amerikanische Lizenz entzogen, was ihm nicht davon abhielt, das Gleiche noch einmal mit seiner britischen Lizenz zu machen!
Diese und viele andere Anekdoten über Alfonso de Portago hat Helmut Lehbrink in seinem Buch „Droge Rennsport – Die Sucht der Nüchternen“ zusammengetragen, vor allem basierend auf die Tonbänder, die De Portago als eine Art Tagebuch stets besprach. Viele seiner bis heute verewigten Zitate sind von diesen Schallplatten, die auf den Markt gekommen sind, übersetzt unter dem Namen „Der Marquis de Portago – die Geschichte des farbenprächtigsten Rennfahrers.“
So waghalsig und leichtfertig seine Aktion beim Fliegen war, so draufgängerisch war er auch am Steuer seiner Rennwagen. Helm auf, Gehirn aus – so kann man ihn wohl am besten charakterisieren. Das war genau die Art von Rennfahrer, die Enzo Ferrari so gerne hatte, man erwähne an dieser Stelle nur den Namen Gilles Villeneuve. Und so passte Alfonso perfekt ins Ferrari-Team. Diese Gattung Rennfahrer wie es Alfonso de Portago zum Beispiel war, war nicht unbedingt die erfolgreichste, aber sie war durchaus gesegnet mit Naturtalenten. Es waren Fahrer, die sich in einen Rennwagen setzten und auf Anhieb schnell waren, sich nicht an Limits herantasten mussten, sondern diese eher überschritten und sich an die Limits heruntertasten mussten.
Alfonso de Portago kam aber nicht nur deshalb ins Ferrari-Werksteam. Stattdessen sah Enzo Ferrari zahlfreudige Kunden damals sehr gerne in seinem Team – und De Portago hatte auch seine Aufgabe: Er sollte den dritten Wagen fahren, falls die Spitzenleute Peter Collins oder Juan-Manuel Fangio einen Boliden zum Wechsel benötigten. Schied damals ein Fahrer aus, war es dem Fahrer damals noch erlaubt, im Wagen eines anderen Fahrers Platz zu nehmen. Gewertet wurden die Fahrzeuge, nicht die Fahrer. Wurde die Platzierung eines Fahrzeugs von zwei Fahrern herausgefahren, so wurden die WM-Punkte auf diese aufgeteilt. Und so stellte De Portago bei seinen fünf WM-Rennen auch einen einmaligen Rekord auf: Vier Mal hat er sein Auto wechseln müssen Dadurch kam De Portago auch zwei Mal in die Punkte, beim Großbritannien GP 1956 wurde er gemeinsam mit Collins Zweiter. Es war das Jahr, in dem die WM-Entscheidung auch durch das Überlassen eines Fahrzeugs entschieden wurde: Beim Saisonfinale übergab Collins den Ferrari Juan-Manuel Fangio, der dadurch prompt Weltmeister wurde. Collins erklärte damals, dass er selbst noch jung sei und noch die Gelegenheit bekommen würde, Weltmeister zu werden. Es dauerte nicht mehr lange, dann rannte er in den Rennfahrertod.
Übrigens: Das Renndebüt gab De Portago ebenfalls bei einem Rennen, bei dem er das Auto mit einem anderen Fahrer teilen musste, allerdings war das bei dem Sportwagenrennen wie heute auch üblich und so gewollt, in der Formel-1 ja nur ein Ausnahmefall. De Portago erzählte über sein Renndebüt: „1953 machte ich ein paar Wochen Pause – nach einem Reitunfall (beim Grand National in Aintree). Plötzlich hatte ich 14 Kilo Übergewicht. Sie ließen sich durch nichts in der Welt heruntertrimmen. Also nahm ich ein Angebot von Luigi Chinetti an, der mich als zweiten Pilot bei der Carrera Panamericana mitfahren lassen wollte. Erst später fand ich heraus, dass er mich lediglich als Ballast benötigte – ich fuhr nicht einen einzigen Meter!“ Und so ging es auch erst einmal mit ihm weiter: Beim 1000-Kilometer-Sportwagenrennen in Buenos Aires 1954 gab er sein Renndebüt, als zweiter Fahrer im Team von Harry Shell. Doch der gedachte, das Rennen selbst zu fahren. Bei den heißen Bedingungen unmöglich, erschöpft übergab Shell nach 700 Kilometer de Portago notgedrungen das Steuer, aber nur um zwei Runden danach wie ein Verrückter mit der Roten Fahne schwenkend De Portago darauf aufmerksam zu machen, dass er wieder selbst das Steuer übernehmen wolle!
Der Reiz dieses Sports hatte De Portago aber gepackt, wie erwähnt, er war eben ein Draufgänger, der das Risiko suchte. Und im Rennsport fand. Sein damaliger Ferrari-Stallgefährte Juan-Manuel Fangio erklärte einmal, dass De Portago immer schmutzig, unrasiert und schmuddelig zu den Rennen kam – so wollte er offenbar zeigen, was er sich unter einen „harten“ Rennfahrer vorstellte. Doch das Risiko wurde ihm zum Verhängnis: Beim damaligen, prominenten Sportwagenrennen, der Milla Maglia, verunglückte er tödlich. Es war ein Reifenschaden, der möglicherweise von Ferrari selbst zu verantworten war. Doch Teambesitzer Enzo Ferrari schob dem Reifenhersteller Englebert die Schuld zu, die Firma brauchte Jahre um sich zu erholen. Denn mit De Portago starben elf weitere Menschen bei dem Crash, die italienische Staatsanwaltschaft wurde wie immer bei Rennsportunglücken in Italien aktiv, das Rennen wurde nie wieder ausgetragen. Und mit De Portago verlor der Motorsport an jenem Tag einen der schillerndsten F1-Fahrer aller Zeiten, eben den farbenprächtigsten Fahrer der Rennsportgeschichte.