Das hab ich vor der Saison geschrieben
Fernando Alonso
Ist Fernando Alonso wirklich der beste F1-Fahrer im Feld? Stark, wie er die Schwächen seines Ferraris zu Beginn der Saison 2012 mit fahrerischem Können ausbalancierte und lange Zeit die Weltmeisterschaft anführte. So konstant, so fehlerlos, so bestimmend fährt keiner. Und der Spanier hat sein ganzes Team hinter sich – das traditionsreichste überhaupt, für das fast jeder Fahrer mal fahren will, das erfolgreich wie kein zweiter Rennstall ist: Die Scuderia Ferrari. Doch seit Alonso bei Ferrari fährt, gibt es keinen Titel mehr für den 31-Jährigen.
Fernando Alonso begeisterte schon immer: Angefangen im Kart, wo schon sein Vater José Luis Alonso als Amateur-Fahrer aktiv war. José Luis baute dem Sprössling ein eigenes Kart auf, fungierte zu Beginn der Erfolgskarriere auch als sein persönlicher Mechaniker. Aber seit Alonso die Früchte auch seiner Arbeit erntet, ist es um José Luis still geworden – stilvoll nennt man das wohl. Bodenständig vielleicht auch.
Alonso brauchte auch keine lange Anlaufzeit um in die Formel-1 zu kommen. Gewiss Kimi Räikkönen war vielleicht noch schneller, aber Alonso stieg 1999 gleich in der Formel-World-Series-by-Nissan ein, heute die WSbR und eigentlich das letzte Sprungbrett vor der Formel-1. Mag sein, dass die Serie 1999 mit den Chassis des ehemaligen F1-Rennstalls Coloni noch nicht so stark war wie heute, eher auf F3-Niveau fungierte, aber eine Einsteiger-Formel brauchte Alonso nie. Meister wurde er selbstverständlich gleich in der ersten Saison. Es folgte noch eine Saison mit Astromega in der GP2-Vorgängerserie Formel-3000 – und dann war Alonso F1-reif.
Und damit beeindruckte er schon wieder: Das Minardi-Team, ein Hinterbänkler, dass sich statt Erfolge Sympathien erkämpft hat und immer wieder jungen Fahrern den Einstieg in die Formel-1 ermöglichte, war vor der Saison 2001 quasi schon tot. Erst Paul Stoddart kam als Retter, der Australier, der wie die heutigen Teambosse Vijay Mallya (Force India), Tony Fernandes (Caterham) und Sir Richard Branson (Marussia) das Geld im Fluggeschäft machte, der außerdem selbst mit historischen F1-Rennwagen fuhr und 2000 das Arrows-Junior-Team in der Formel-3000 leitete. Er kaufte das Team, setzte den vom Österreicher Gustav Brunner entworfenen European Minardi ein, fast ungetestet – aber mit Alonso gleich beim Debüt auf Startplatz 19 qualifiziert! Damit war Alonso schneller als Prost-Pilot Gaston Mazzacane, Jaguar-Fahrer Luciano Burti, sowie Minardi-Stallgefährte Tarso Marques – und im Rennen verwies er sogar die beiden Piloten des Ex-WM-Teams Benetton (Giancarlo Fisichella und Jenson Button) auf die folgenden Plätze!
Benetton, das war dann auch das Team aus Enstone, mit dem Alonso 2005 und 2006 seine beiden WM-Titel eroberte. Längst hatte der französische Autogigant Renault die Mannschaft übernommen, Flavio Briatore, der Michael Schumacher bei Benetton bereits zum F1-Weltmeister machte, leitete wieder die Geschicke des Rennstalls – und auch die Management-Aufgaben von Alonso. Schnell wurde Alonso deshalb zur Nummer eins im Team, andere fuhren an der Seite und als Helfer von Alonso. 2005 hatte Alonso Kimi Räikkönen als WM-Gegner. Der Finne saß im unzuverlässigen McLaren Mercedes, war daher chancenlos. Anders Michael Schumacher 2006, aber Alonso stach den Rekordweltmeister eiskalt aus, leistete sich im Gegensatz zum Deutschen keinen Fehler.
Schneller Durchmarsch im Nachwuchs-Sport, beeindruckendes F1-Debüt, Doppelweltmeister mit Renault 2005 und 2006, seit 2003 in zehn Saisons hintereinander mindestens einmal auf dem Podium, außer 2004 und 2009 immer mindestens einmal gewonnen, beeindruckende Leistung 2012 im eigentlich unterlegenen Ferrari – ja Alonso ist der Topstar unserer Ära.
Aber er hat auch Schwächen: 2007 wurde der Youngster Lewis Hamilton auf den damalig amtierenden Doppel-Weltmeister losgelassen, der eine neue Herausforderung bei McLaren suchte. Niemand (einschließlich Alonso) hat erwartet, dass Hamilton aus dem Stand heraus mit Alonso mithalten konnte. Genau das war der Fall, genau das führte auch zu teaminternen Spannungen. Ein wildes Jahr bei McLaren, die Spionageaffäre, der Krieg der Sterne zwischen den beiden Silberpfeil-Piloten Alonso und Hamilton mit allen Tricks und schmutzigen Mitteln – am Ende war es wohl besser, dass Ferrari-Pilot Kimi Räikkönen den Titel holte. Im Nachhinein hätte es Alonso wohl lieber gehabt, sein spanischer Kumpel Pedro de La Rosa (McLaren-Testfahrer) hätte das Stammcockpit bekommen. Alonso wäre dann 2007 vermutlich auch zum dritten Mal in Serie Weltmeister geworden.
Hätte, wäre und aber zählt nicht viel. Die Saison 2007 entpuppte Alonsos Schwachstelle: Er braucht ein Team, das um ihn herum aufgebaut ist. So wie das bei Renault der Fall war, so wie das jetzt bei Ferrari der Fall ist. Alonso braucht den Nummer-1-Status. Deswegen will Ferrari-Boss Luca di Montezemolo auch nicht Sebastian Vettel zusammen mit Fernando Alonso im Team – aber er will ihn als Nachfolger des Spaniers. Der Vertrag allerdings läuft bis Ende 2016, da muss Vettel also noch warten.
Alonso fährt sauber, schnell und sicher – aber auch er hat Schwächen. 2004 war nicht er, sondern Jarno Trulli der schnellere Fahrer bei Renault. Das Problem hat sich erledigt, als Briatore Trulli vor die Türe setzte. Sein Ersatz war Jacques Villeneuve, zwar ein ehemaliger Weltmeister (der einzige, gegen den Alonso je fuhr!), aber aus dem Vorruhestand zurückgeholt und daher gegen den schnellen Alonso ohne Chance. Auch Ende 2012 war Alonso schwach, der wieder erstarkte Felipe Massa war im Quali plötzlich drei Mal schneller als Alonso, im Rennen auch. Ex-F1-Pilot Marc Surer glaubt, dass Alonso über das Jahr hinweg einfach die Luft ausgegangen ist – seine Leistung war so stark, vielleicht unmöglich, das 20 Rennen so aufrecht zu erhalten.
Es gibt sie also, die Schwächen Alonsos. Und es gibt sie auch, die politischen Spielchen des Fernando Alonso. Die Massendämpfer-Affäre 2006 (hier allerdings war eher das Verbot der Skandal), die Spionageaffäre 2007 und das ruhmlose Duell gegen Hamilton (Blockade-Aktion im Ungarn-Quali), der Crash-Skandal in Singapur 2008, als sein Teamkollege Nelson Piquet jr. für einen Sieg Alonsos in die Mauer geschickt wurde (Alonso wusste davon offiziell nichts), die Stallregie-Affäre 2010 in Hockenheim – immer wieder ist Alonso mitten drin.
Es sind aber auch immer die besten Fahrer, die am meisten am Pranger stehen. Vielleicht muss man etwas der Bad Guy sind, der Böse Mensch, um Erfolg zu haben. Vielleicht sind es aber auch die Neider, die einen zum Bad Guy machen – oder einen so erscheinen lassen. Alonsos Erfolg ist jedenfalls eine Sensation: Spanien ist seit Jahrzehnten eine Motorsport-Nation, aber das galt vor Alonso eher für den Motorrad-Sport: 14 Spanier sind bereits Motorrad-Weltmeister geworden, in der Königsklasse bisher zwei: Àlex Crivillé 1999 auf einer Honda, sowie Jorge Lorenzo 2010 und 2012 auf einer Yamaha. In der Formel-1 waren Spanier bis Alonso aber eher eine Fußnote. Für die Zukunft darf man gespannt sein, wie viele Spanier durch den Kart-Boom, den Alonso in Spanien ausgelöst hat, in Zukunft die Formel-1 aufmischen werden. Auf Michael Schumacher folgte ja aus deutscher Sicht zum Beispiel Sebastian Vettel.
Und man darf auch gespannt sein, ob Fernando Alonso es noch schafft, mit Ferrari seinen dritten WM-Titel an Land zu ziehen. Der Hobby-Zauberer (mit seinen Kartentricks trat er schon im Fernsehen auf) hat bestimmt noch das eine oder andere Ass im Ärmel. Ferrari jedenfalls hat über den Winter aufgerüstet, will die Schwachstelle Aerodynamik ausmerzen. So hat man die beiden Aerodynamiker Loїc Bigois (von Mercedes) und Martin Bester (von Williams) angeheuert, außerdem wurde das Modell im Toyota-Windkanal in Köln konstruiert, weil der eigene in Maranello Schwächen aufweist. Das alles soll Alonso helfen, 2013 auf Augenhöhe mit Vettel kämpfen zu können.