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GP-Teams vor 1950

Das Formel 1 Forum früherer Tage...
Beitrag Dienstag, 24. August 2010

Beiträge: 45834
Gibt es ein paar Anekdoten zu GP-Teams vor 1950? Damals gabs ja auch schon einige bedeutende Teams wie Scuderia Supalpina, Scuderia Ferrari, Scuderia Torino und so weiter.

Aber gibt es ein paar interessante Geschichten zu solchen Teams?

Gibt es überhaupt Teams, die interessant waren?

Teams, die interessante Teambesitzer hatten?

Teams, die exotisch waren?

Beitrag Montag, 09. September 2013

Beiträge: 45834
Mich würden mal GP-Teams vor 1950 interessieren, die relativ groß waren und lange existierten, aber keine Hersteller-Teams waren. So wie die Scuderia Ferrari zum Beispiel ja auch. Was gab es da für Teams?

Was war das erste richtige Rennteam, das unabhängig von Automobilherstellern operierte?

Beitrag Dienstag, 10. September 2013

Beiträge: 1477
Den Begriff "Team" kann man nicht von der Neuzeit in die Vergangenheit übertragen. Wobei ich unter "Neuzeit" den Zeitraum meine in dem Werbung in grossem Stil erlaubt war, also ca. ab den frühen 70ern. Denn eben diese Werbung ist der springende Punkt. Ein Team muss mindestens kostendeckend arbeiten, d.h. die Sponsorgelder müssen gross genug sein um um alle Kosten zu decken. Also ein wirtschaftliches Unternehmen wie jede andere Firma auch.

Früher war das anders, auf der Einnahmenseite standen im Prinzip nur die Preisgelder (und später dann auch Startgelder), damit musste alles finanziert werden. Ähnlich war es bei den Veranstaltern, die mussten alle Ausgaben von den Eintrittsgeldern finanzieren. Plus einige Werbeeinnahmen, aber die waren nicht wirklich der Rede wert. Alles funktionierte nach dem Henne-Ei-Prinzip (was war zuerst da?), viele Zuschauer = viele Einnahmen = hohe Preisgelder = hochkarätiges Starterfeld. Und das wiederum garantierte viele Zuschauer. Teilweise waren die Preisgelder extrem hoch, beim Deutschland GP 1929 z.B. bekam der Sieger 30.000 RM, das reichte locker für ein Einfamilienhaus oder eben einen Bugatti plus laufende Kosten einer Saison. Ausnahmefahrer wie Nuvolari oder Chiron wurden mit diesem System reich, andere krebsten so vor sich hin, und einige verloren ein Vermögen mit der Rennerei.

In diesem System macht ein Privat-Team nur sehr bedingt Sinn. Hauptmotivation war sicherlich die Streuung des Risikos, wenn einer ausfiel, und dadurch sogar u.U. hohe Reparaturkosten an der Backe hatte, konnte der andere gewinnen und das Preisgeld teilen. Solche 2er oder 3er Partnerschaften hielten aber meistens nicht sehr lange, denn die Aufteilung war selten ausgeglichen. Es gab auch Teams mit einem Quasi-Eigentümer, der finanzierte die Autos und verlieh sie dann an diverse Fahrer, entweder gegen Bezahlung oder gegen Preisgeldteilung, aber auch dieses Modell war selten wirklich erfolgreich. Die Attribute "relativ gross" und "lange existent" kann man durch die herrschenden Umstände und Rahmenbedingungen eigentlich vergessen.

Beitrag Dienstag, 10. September 2013

Beiträge: 45834
Okay, aber die Scuderia Ferrari würde ich schon als Team bezeichnen...

Solche Renngemeinschaften zwischen zwei Fahrern kenne ich eigentlich nur von Rudolf Caracciola und Tazio Nuvolari ich glaube 1929 und Tazio Nuvolari und Achille Varzi 1934.

Beitrag Mittwoch, 11. September 2013

Beiträge: 1477
Natürlich war die SF ein Team, du hattest sie ja bereits angeführt. In den ersten Jahren ein Team wie von mir als Version 2 beschrieben, als ex-Werksfahrer bei Alfa Romeo hatte Ferrari exzellente Beziehungen nach Portello, er bekam die Rennwagen zum Sonderpreis und konnte sie betuchten Privatfahrern zur Verfügung stellen, einschliesslich komplettem technischen und administrativen Service. Während sich Alfa auf die GP-Rennen konzentrierte war die SF sogar eine Art Semi-Werksteam für Sportwagen, und nach dem Rückzug von AR Ende 1932 war die SF de facto ein "outgesourcetes" Werksteam. Bis dann 1938 Alfa Romeo das Ruder wieder selber in Hand nahm. Sicherlich eine sehr spezielle Konstruktion, die in dieser Art wohl einmalig war. Sicherlich gab es später einige andere Semi-Werksteams, aber das waren in der Regel immer nur sehr kurzfristige und halbherzige Engagements.

Erwähnenswert ist aber vielleicht auch die "Scuderia Achille Varzi" bekannt auch als "Squadra Argentina". In den 40er Jahren das Europa-Team des argentinischen Automobilclubs, benannt zu Ehren von Achille Varzi. Der argentinische Präsident Peron war ein Förderer des Motorsports, und er pumpte grosse Mengen Staatsgelder in den ACA welche dann zum Ankauf von Rennwagen und zur Bestreitung der laufenden Kosten verwendet wurden. Dass diese Art der Förderung durchaus Sinn machte sieht man an den späteren 5 WM-Titeln von Fangio.

Beitrag Mittwoch, 11. September 2013

Beiträge: 945
Mir fällt da die Scuderia Ambrosiana ein. Das 1937 von Giovanni Lurani und den Rennfahrern Luigi Villoresi und Franco Cortese gegründete Team, dass in Mailand ansässig war und seinem Namen dem Schutzpatron von Mailand St. Ambrose verdankte. Die Farben der Wagen waren schwarz und blau nach dem Mailänder Fußballclub Internationale.
Das Team setzte Maserati-Wagen ein, Fahrer waren neben Villoresi auch Ascari, Farina und Nuvolari.
Rennsiege gab es auch z.B. beim GP San Remo 1948 durch Ascari und bei den Sportwagen Targa Florio 1951.

Beitrag Mittwoch, 11. September 2013

Beiträge: 1477
Naja, nicht die Autos waren schwarz-blau sondern das Logo. Anfang der 50er ging Ambrosiana dann in englische Hände über und wurde als "flag of convenience" missbraucht. In GB gab es damals extrem hohe Zölle auf Fahrzeuge, auch Rennwagen, und um die zu umgehen wurden diverse Maseratis und Ferraris von ihren Besitzern bei Ambrosiana "geparkt" und wurden dann als italienische Autos mit roter Lackierung bei englischen Rennen eingesetzt.

Beitrag Donnerstag, 12. September 2013

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MichaelZ hat geschrieben:
Mich würden mal GP-Teams vor 1950 interessieren, die relativ groß waren und lange existierten, aber keine Hersteller-Teams waren. So wie die Scuderia Ferrari zum Beispiel ja auch. Was gab es da für Teams?

Was war das erste richtige Rennteam, das unabhängig von Automobilherstellern operierte?



Das erste auf echtem "Top Level" dürfte wohl die Scuderia Materassi gewesen sein, wenn auch leider durch tragische Umstände nur sehr kurz im Geschäft. Emilio Materassi, schon einer der großen Namen im Geschäft, hat 1928 die Wagen vom Pleite gegangenen Talbot Team übernommen und unter seiner Regie für sich und einige andere namhafte italienische Fahrer an den Start gebracht. Leider hat der dann noch im selben Jahr in Monza einen fürchterlichen Unfall gehabt (wohl der schlimmste überhaupt bis Le Mans 1955), bei dem er selbst und über 20 Zuschauer ums Leben gekommen sind.

1929 hat dann Ferrari dieses "Geschäftsmodell" vielleicht auch ein wenig für sich abgekupfert, denn am Anfang hatte sein Team doch eher noch "Kundenstatus" bei Alfa, auch wenn man das vielleicht unter den damaligen Verhältnissen nicht so ganz klar abgrenzen kann.

Später in den Dreißigern gab es dann noch Gino Rovere mit seiner Scuderia Subalpina, die aber für Maserati wohl schon als "Semi-Werksteam" anzusehen wäre, eben so ähnlich wie die Beziehung zwischen Ferrari und Alfa.

Wenn man das als Kriterium für den Unterschied zu einer "Renngemeinschaft" (a la Chiron-Caracciola) erachtet, dann hat auch Whitney Straight um diese Zeit Maseratis für sich und andere Fahrer an den Start gebracht, ebenso wie die Scuderia Braillard (ich meine das war ein Schweizer Team). Ist aber wie gesagt sicher gerade bei Maserati schwer abzugrenzen, wo ein Privateinsatz geendet und ein Werkseinsatz begonnen hat.

Beitrag Donnerstag, 12. September 2013

Beiträge: 45834
Herzlich Willkommen im Forum und danke für die interessanten Ausführungen. :wink:

Beitrag Freitag, 13. September 2013

Beiträge: 197
Bitte gern.

Kurz vor / nach dem Krieg gab es auch noch die Scuderia Milan und nicht zu vergessen Enrico Plate, die operierten wohl auf ähnlicher Basis wie Ambrosiana

Beitrag Freitag, 14. Februar 2014

Beiträge: 45834
JackOMalley hat geschrieben:
Das erste auf echtem "Top Level" dürfte wohl die Scuderia Materassi gewesen sein, wenn auch leider durch tragische Umstände nur sehr kurz im Geschäft. Emilio Materassi, schon einer der großen Namen im Geschäft, hat 1928 die Wagen vom Pleite gegangenen Talbot Team übernommen und unter seiner Regie für sich und einige andere namhafte italienische Fahrer an den Start gebracht. Leider hat der dann noch im selben Jahr in Monza einen fürchterlichen Unfall gehabt (wohl der schlimmste überhaupt bis Le Mans 1955), bei dem er selbst und über 20 Zuschauer ums Leben gekommen sind.


Ich recherchiere gerade ein bisschen über die Scuderia Materassi, denn das Team erscheint mir recht interessant zu sein. Nur hab ich bisher nichts zu der Talbot-Pleite herausfinden können. Als Automobilhersteller wurde man doch erst 1935 zahlungsunfähig? Hat man also den Rennstall 1928 wegen der sich andeutenden Pleite zurückgezogen oder wie soll ich "Pleite gegangen" verstehen? Ist da das Rennteam Pleite gegangen?

Beitrag Freitag, 14. Februar 2014

Beiträge: 197
Das war aus dem Gedächtnis geschrieben, deswegen vielleicht nicht ganz so präzise. Aber es war schon so, dass Talbot immer mehr in finanzielle Schwierigkeiten gekommen ist und sie es deswegen nicht geschafft haben, die Autos so zu entwickeln, wie es nötig gewesen wäre. Man muss halt bedenken, welche verhältnismäßig kleine Stückzahlen an Autos selbst solche eher mittelgroßen Firmen damals verkauft haben. Wie bei Delage ist da für einen dauerhaften Spitzenplatz im Motorsport einfach nicht genug abgefallen. Jedenfalls hat man nach dem GP Frankreich 1927 die Wagen aus finanziellen Gründen zurückgezogen und an Materassi verkauft. Man hat es geschafft bis 1935 noch irgendwie über die Runden zu kommen, aber ab Ende der Zwanziger war die Lage jedenfalls schon ziemlich angespannt.

Beitrag Freitag, 14. Februar 2014

Beiträge: 45834
Okay danke.


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